Klinsmanns Karriere:Aus Göppingen um die Welt

Liebling der Italiener, Diver in England, Sommermärchen-Initiator. Jürgen Klinsmann ist als Spieler und Coach viel herumgekommen - und tritt nun bei Hertha BSC zurück. Die Stationen seiner Karriere.

Von Lynn Sigel und Lisa Sonnabend

Deutschland

1 / 11
(Foto: imago sportfotodienst)

Jürgen Klinsmann wird als Sohn einer Bäckerfamilie im baden-württembergischen Göppingen geboren. Als er beim Zweitligisten Stuttgarter Kickers, wo er schon in der Jugend gespielt hat, seinen ersten Profivertrag erhält, bestehen die Eltern darauf, dass er zunächst seine Ausbildung in der Bäckerei des Vaters abschließt. 1982 hat er den Gesellenbrief in der Tasche. 1984 wechselt der schnelle und torgefährliche Spieler schließlich in die erste Bundesliga: zum Lokalrivalen VfB Stuttgart. In der ersten Saison erzielt er gleich 15 Treffer, drei Jahre später ist er Torschützenkönig der Liga - und ihm gelingt per Fallrückzieher gegen den FC Bayern das Tor des Jahres (im Bild). Klinsmann wird in die Nationalelf berufen und zum Fußballer des Jahres gekürt. 1989 erreicht er mit dem VfB Stuttgart sogar das Uefa-Pokalfinale, das er allerdings gegen den SSC Neapel verliert.

Italien

2 / 11
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Danach zieht es den schwäbischen Bäckersohn weg aus der Heimat nach Italien. Er unterschreibt bei Inter Mailand, das von Giovanni Trapattoni trainiert wird, lernt Italienisch und wird zum Liebling der italienischen Fans. Kurze Zeit später steht die WM 1990 in Italien an ...

WM

3 / 11
(Foto: ag.dpa)

Im WM-Achtelfinale trifft die DFB-Elf auf die Niederlande. Rudi Völler fliegt früh vom Platz, Klinsmann rennt und rennt und schießt beim 2:1-Erfolg den ersten Treffer. "Klinsmann, ein magischer Abend", schreibt die Zeitung Corriere dello Sport am Tag danach, in der Süddeutschen Zeitung steht: "Im letzten Jahrzehnt hat kein Angreifer eine derart brillante, ja fast perfekte Vorstellung geboten." Es ist Klinsmanns bestes von insgesamt 108 Länderspielen. 13 Tage später wird er mit der DFB-Elf Weltmeister durch einen 1:0-Sieg im Finale gegen Argentinien, die Italiener haben das DFB-Team um den blonden Angreifer ins Herz geschlossen. Ein Jahr später gewinnt er mit Inter den Uefa-Pokal.

England

4 / 11
(Foto: imago)

Doch die Zeit in Italien geht zu Ende, das Inter-Team zerstreitet sich. Klinsmann wechselt 1992 zur AS Monaco, hält es dort aber nur ein Jahr aus. Der Stürmer, der wochenlang wegen eines Bänderrisses ausfällt, ist mit der Qualität im Team unzufrieden. Tottenham Hotspur ist seine nächste Station. Die Briten empfangen ihn mit Skepsis, nennen ihn den Schwalbenkönig ("Diver"). Doch gleich im ersten Auswärtsspiel gelingt Klinsmann ein Treffer: Er jubelt mit einem "Diver" - das trifft den Humor der Briten. Auch in England wird der Schwabe populär, 1995 sogar zu Englands Fußballer des Jahres gewählt.

FC Bayern

5 / 11
(Foto: imago sportfotodienst)

Danach kehrt Klinsmann nach Deutschland zurück und heuert - rund zwei Autostunden von Stuttgart entfernt - beim FC Bayern an. Mit seinen Treffern trägt er 1996 zum Gewinn des Uefa-Cups und 1997 zum Meistertitel bei. In Erinnerung an seine Münchner Zeit bleiben aber auch der Zwist mit Lothar Matthäus und sein Tritt gegen eine Werbetonne: Als Bayern-Trainer Trapattoni ihn im Mai 1997 gegen Freiburg in der 80. Minute auswechselt, ist Klinsmann derart erbost, dass er seinem Coach ein wenig freundliches "Vai a cagare" zuraunt und ein Loch in eine Sponsorentonne tritt.

EM

6 / 11
(Foto: DPA)

Beim FC Bayern läuft es nicht immer rund, bei der Nationalmannschaft glänzt Klinsmann noch einmal. Bei der EM 1996 führt er die DFB-Elf als Kapitän zum Titel - auch wenn er sportlich nicht mehr so sehr herausragt. Matthias Sammer überzeugt während des Turniers am meisten, das Finale entscheidet Oliver Bierhoff mit einem Golden Goal gegen Tschechien. Klinsmann stemmt den Pokal im Wembley Stadion in die Höhe, hinter ihm die Queen. "Des sin Gefühle, wo man schwer beschreibe kann", sagt er.

Karriereende

7 / 11
(Foto: iamgo)

Klinsmanns Karriere klingt langsam aus. Nach einer Saison 1997/1998 in Genua und einer erneuten Station bei Tottenham spielt er 1998 in Frankreich noch einmal bei einer WM mit. Die DFB-Elf scheidet im Viertelfinale gegen Kroatien aus - es ist Klinsmanns letztes Spiel als Fußballprofi. In den 614 Partien während seiner Laufbahn hat er insgesamt 274 Treffer erzielt. Nach dem Karriereende zieht es Klinsmann nach Kalifornien, wo seine Frau und Kinder leben. Unter dem Pseudonym Jay Göppingen kickt er noch ein bisschen beim Viertligisten Orange County Blue Star.

Sommermärchen

8 / 11
(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Die Einstellung Klinsmanns als Bundestrainer kommt für viele überraschend, kann der Schwabe doch kaum Trainererfahrung vorweisen. Er fordert eine Reform des DFB von Grund auf - und wird verpflichtet. Mit dem Team aus Manager Oliver Bierhoff, Co-Trainer Joachim Löw und Torwarttrainer Andreas Köpke (Bild von r. n. l.) schlägt er einen modernen Weg der Mannschaftsführung ein. Zur WM 2006 formiert Klinsmann eine Mannschaft aus vielen jungen Spielern, welche die folgenden Jahre prägen sollten. Mit offensivem Fußball und viel Charisma trägt er zum Sommermärchen in Deutschland bei. Nach dem Ausscheiden gegen Italien im Halbfinale gibt Klinsmann seinen Rücktritt als Nationaltrainer bekannt - er sei ausgebrannt.

Wieder FC Bayern

9 / 11
(Foto: dpa)

Nachdem es zwei Jahre ruhig um Klinsmann gewesen ist, kehrt er 2008 als Trainer des FC Bayern zurück nach Deutschland. Wie die Nationalmannschaft möchte er auch die Münchner modernisieren. Dabei bedient er sich auch spirituellen Ansätzen und lässt vier Buddha-Statuen am Bayern-Hauptquartier anbringen - für einen besseren Energiefluss. Der mediale Aufschrei ist der Vorbote für das Debakel, das folgen sollte. Unter seiner Führung ist Bayern kein einziges Mal Tabellenführer in der Bundesliga, in der Champions League reicht es nur bis zum Viertelfinale, ebenso wie im DFB-Pokal. Weil die Champions-League-Qualifikation in Gefahr ist, wird Klinsamnn im April 2009 suspendiert und durch Jupp Heynckes ersetzt.

USA

10 / 11
(Foto: dpa)

Bei Toronto FC betätigt sich Klinsmann daraufhin als Berater, im Juli 2011 tritt er seinen Job als Nationaltrainer der USA an und hat zumindest in seiner Anfangsphase mehr Erfolg als in München. Er strukturiert die Mannschaft um, es werden viele Spieler berufen, die Erfahrung mit europäischem Fußball haben - denn dort seien die Mannschaften, "die wir irgendwann schlagen müssen". Bei der WM 2014 führt er die Amerikaner bis ins Achtelfinale und sorgt für einen "Soccer-Boom" in den USA. Doch es gelingt Klinsmann nicht, an die Erfolge anzuknüpfen. Zwar gewinnt seine Mannschaft zwei Testspiele gegen die Niederlande und Deutschland, die Qualifikation für den Confed Cup misslingt jedoch. 2016 wird er beurlaubt.

Hertha BSC

11 / 11
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Am 17. Oktober wird von der ecuadorianische Zeitung El Universo vermeldet, dass Klinsmann Nationalcoach in Ecuador werden könnte. Der Schwabe will die Berichte nicht kommentieren. Sein Berater Roland Eitel sagte: "Jürgen Klinsmann hat sich seit 30 Jahren erst zu einem Thema geäußert, wenn es perfekt war. Das wird er beibehalten." Perfekt war der Deal wohl nicht, denn stattdessen stieg Klinsmann Anfang November 2019 bei Hertha BSC als Aufsichtsrat ein. Grund war wohl Klinsmanns gute Beziehung zu Großinvestor Lars Windhorst, der aus dem Verein einen "Big-City-Klub" will machen. Mehr noch: Als sich der Verein von Trainer Ante Covic trennte, übernahm Klinsmann Ende November 2019 sogar das Traineramt - jedoch mit überschaubarem Erfolg. Klinsmann wollte bis Saisonende bleiben, verkündete aber schon im Februar 2020 in einem überraschenden Manöver via Facebook seinen Rücktritt. Daraufhin beschloss der Verein, dass Klinsmann auch seinen Platz im Aufsichtsrat verliert.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: