Kampf ums Präsidentenamt:Es ist Showtime bei Barça

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Beim Messi-Klub FC Barcelona steht die Wahl zum Präsidenten an, nach einem spannenden Wahlkampf. (Foto: Getty Images)
  • Am Samstag steht beim FC Barcelona die Wahl ums Präsidentenamt an.
  • Josep Maria Bartomeu, der aktuelle Präsident, tritt gegen Joan Laporta an, der den Verein bereits von 2003 bis 2010 geleitet hat.
  • Die ehemaligen Klub-Größen Pep Guardiola und Johan Cruyff stehen auf Laportas Seite, der aktuelle Erfolg des Teams um Lionel Messi hilft jedoch Bartomeu.

Von Oliver Meiler

Es ist, als stehe gerade das Schicksal einer Stadt, ach, einer ganzen Region auf dem Spiel. Und natürlich tut es das auch, ein bisschen wenigstens. Man kennt das ja auch aus der Politik, wenn Wahlen anstehen - diese Aufgeregtheit.

Die Zeitungen berichten seit Wochen seitenlang, notieren jede Boshaftigkeit, jeden Tweet und auch die verwegensten Versprechen. Die Kandidaten traten in Mehrzweckhallen auf, maßen sich in Talkshows, winkten Claqueuren zu, die sie fürs Klatschen mobilisiert hatten.

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Bis zuletzt gab es Umfragen zu den Wahlchancen der Herrschaften, über deren Güte sich trefflich diskutieren ließe. Politik eben, wie gehabt. Dabei geht es um Fußball: Die Präsidentenwahl beim FC Barcelona, zu der die Vereinsmitglieder an diesem Samstag schreiten werden, sind fast so klassisch politisch wie Wahlen für das katalanische Parlament.

Manche Katalanen würden sogar sagen, Barça bewege die Bürger mehr. Und das ist kaum übertrieben. Dazu passt das oft angeführte, mit viel Symbolik überfrachtete Motto des Vereins: "Més que un club", mehr als ein Klub. Man wird gerne grundsätzlich, wenn es um Barça geht.

Die Konkurrenten gehen sich beharrlich aus dem Weg

Alles ist da, auch die Würze eines Duells zweier sehr unterschiedlicher Spitzenanwärter, zweier Modelle, zweier Philosophien. Josep Maria Bartomeu und Joan Laporta sind sich untereinander so böse gesinnt, dass sich eine Anlehnung ans Genre des Boxkampfes aufdrängt.

In den vergangenen Jahren gab es mehrere Anlässe, bei denen sich die beiden hätten begegnen müssen. Sie schafften es aber stets trickreich, einander aus dem Weg zu gehen. Manchmal brauchte es dafür viel Planung, Männer mit Knöpfen im Ohr, Abgänge durch die Hintertür. Nun steigt der Kampf, unweigerlich, es ist Showtime.

In einer Ecke steht: Bartomeu, 52 Jahre alt, Ingenieur und Unternehmer, Chef eines Familienbetriebs, Hafenbau. "Barto", wie er auch gerufen wird, ist ein Mann mit dem Charisma eines Steuerberaters. Seit eineinhalb Jahren steht er dem FC Barcelona vor, ohne dass er dafür Wahlen gewonnen hätte.

Davor war er Vize von Präsident Sandro Rosell gewesen, der sich wegen einer Reihe von Skandalen und böser Verdächtigungen zum Rücktritt genötigt sah. Einer der Fälle, die Rosell angelastet werden, kreist um den Transfer des Brasilianers Neymar, der in Wahrheit viel mehr gekostet hatte, als man der Öffentlichkeit und vor allem den Steuerbehörden hatte mitteilen wollen. Bartomeu war damals Rosells Nummer zwei.

Er übernahm das Amt wie in einer Dynastie. Die Übergabe geschah mit einer Umarmung und knappen Worten vor der Presse. Und doch trat er die Nachfolge so an, als habe er mit dem Vorgänger nichts gemein, als sei er nicht involviert gewesen in die inkriminierten Geschäfte, als habe er nicht mitgeholfen, Katar als zentrale Kraft im Verein zu etablieren.

Die Justiz sieht das anders. Gegen "Barto" laufen Verfahren. Im vergangenen Januar, als Barça in einer sportlichen Baisse steckte und Lionel Messi, der stille Klubkönig, tatsächlich übers Weggehen nachdachte, galt der Präsident als gezeichnet, hoch angezählt schon.

In der anderen Ecke steht: Joan Laporta, 53 Jahre, Anwalt und Politiker. Ein Strahler, ein Prahler, ein begabter Redner. Bartomeus Krise war seine unverhoffte Chance. Er hatte den Verein schon einmal sieben Jahre lang geleitet, von 2003 bis 2010. Er war es, der Pep Guardiola zum Trainer der ersten Mannschaft gemacht hatte - 2008. Man kritisierte ihn dafür, hielt die Nominierung für eine Naivität sondergleichen.

Guardiola und Cruyff sind "Laportistas"

Doch sie war ein Glücksgriff. Mit Guardiola wuchs das "goldene Barça", die Ära aller Rekorde. Auch Laporta war von Skandalen umweht. So fand man heraus, dass er seine Vizes und einige Spieler von Privatdetektiven bespitzeln ließ. Beliebt war er nicht, er musste sogar ein Misstrauensvotum der Mitglieder erdulden.

In Erinnerung blieb er aber für die goldene Ära. Und Pep stand fortan in Laportas Schuld. Auch Johan Cruyff, ebenfalls ein Säulenheiliger des Klubs und Begründer von Barças Spielmatrix, ist "Laportista". Als Rosell von Laporta übernahm, fiel der katalanischste Niederländer der Geschichte aus dem Amt des Ehrenpräsidenten. Der Bruch mit dem verehrten Cruyff mutete für viele wie ein Sakrileg an. Er machte aus dem Duell zwischen "Rosellistas" und "Laportistas" eine metaphysische Angelegenheit: ein Verein, zwei unvereinbare Welten.

Aber zurück in den Januar 2015. Die Sportpresse schrieb wieder einmal die Dämmerung des großen Barça herbei - die finale diesmal, dachte man. Bartomeu bot das passende Gesicht zur Dämmerung. Um Zeit zu gewinnen und die Gemüter etwas zu besänftigen, entließ er den langjährigen Sportdirektor, Andoni Zubizarreta, ein Bauernopfer, und versprach vorgezogene Neuwahlen für das Präsidium.

Wäre sofort gewählt worden, hätte er verloren. Doch dann passierte, was die Deuter des "Barcelonismo" noch immer nur leidlich zu erklären vermögen: eine Wende mit Zwisten und einer lauten Aussprache zwischen König und Trainer. Messi besann sich danach auf seine Spiellust, entwickelte schier traumwandlerische Affinitäten mit seinen berühmten Kollegen im Sturm. Und man gewann wieder. Alles. Das Triple aus Meisterschaft, Pokal, Champions League. Wie früher, zu goldenen Zeiten. Und Bartomeu war nun plötzlich der Favorit, mit gelassenem Siegerlächeln.

Der Verein verdiente noch nie so viel Geld wie im vergangenen Jahr, mehr als der Erzrivale Real Madrid. Da blieb dem Rivalen nur der totale Angriff, eine Serie von Uppercuts in schneller Abfolge. Seine Bewerbung ums Amt gab Joan Laporta in einem kurzen Video auf Youtube bekannt, 75 Sekunden nur. Braun gebrannt und offenes Hemd, im Hintergrund die Fahnen Barças und Kataloniens. Wie ein Politiker.

Aktuell ist Josep Maria Bartomeu Präsident in Barcelona. (Foto: REUTERS)

Sein Credo packte er in einen Vierklang, den er danach ständig wiederholte: Cruyff, La Masia, Unicef, Katalonien. Da war alles drin: die Spielphilosophie, die Nachwuchsarbeit der Vereins-Akademie, das gute Gewissen mit der Welt und der katalanische Nationalismus: "Wir sind sauber, sie sind korrupt", sagte Laporta gerne, "wir setzen uns für die Unabhängigkeit Kataloniens ein, sie sind politisch ambivalent. Sie sind Katar, wir sind Unicef."

Trotz laufender Transfersperre kauft Barça ein wie Rivale Real

Tatsächlich waren es Rosell und Bartomeu, die den Schriftzug des Kinderhilfswerks, das davor gratis auf der Brust der Spieler werben durfte, auf den Rücken verbannt und die Herzpartie des Trikots an "Qatar Foundation" und dann an "Qatar Airways" vergeben haben. Für Dutzende Millionen, jedes Jahr.

Das Geld fließt seitdem in Transfers, die Reals "Galacticos" in nichts mehr nachstehen. Selbst während der Wahlkampagne und trotz einer bis Januar 2016 laufenden Transfersperre der Fifa gab Barça vor einigen Tagen eine weitere illustre Verpflichtung bekannt, eine mit kurioser Klausel: Der türkische Mittelfeldspieler Arda Turan, in Spanien bekannt unter dem nicht sehr einfallsreichen Namen "El Turco", kommt für 34 Millionen Euro Ablöse plus sieben Millionen an möglichen Prämien von Atlético Madrid - falls er denn überhaupt kommt.

Turan trainiert schon eifrig, obwohl er erst nach Ablauf der Sperre am 1. Januar Pflichtspiele mit dem Verein absolvieren dürfte. Er sprach auch schon die üblichen Worte aller Neuen: "Ich bin glücklich, hier zu sein. Barça ist der Verein meiner Kindheitsträume. Und Lionel Messi ist überhaupt der Größte."

Zugang Arda Turan bekommt kuriose Klausel

Sollte Laporta gewählt werden, dann könnte es sein, dass er "den Türken" mitsamt dessen schönen Kindheitsträumen gleich wieder nach Madrid zurückschickt. Zwei Tage hätte er dafür Zeit, 3,4 Millionen Strafe würde das laut kurioser Klausel kosten, zehn Prozent der fixen Transfersumme. So steht es im Deal, den die Übergangsverwaltung Barças, die eigentlich neutral sein sollte, mit Atlético ausgehandelt hat.

Man hätte ja bis nach der Wahl warten können mit dem Transfer, oder eher: Man hätte warten müssen. Laporta, der lieber den Franzosen Paul Pogba von Juventus Turin engagieren würde, nannte die halb provisorische Verpflichtung Turans einen "Akt des Wahnsinns", unfair obendrein.

Es war eine Finte von "Barto", wohl inszeniert mit den Vertrauten unter den angeblich neutralen Sachverwaltern - ein schlaues Manöver aus der Ecke des Favoriten. Als Triple-Sieger kann man schlecht verlieren.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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