Zukunft von Jérôme Boateng:Die Tür ist auf

Jerome Boateng beim Training der Deutschen Nationalmannschaft

In ganz neuer Position: Jérôme Boateng.

(Foto: Axel Schmidt/Reuters)
  • Seit den Aussagen von Karl-Heinz-Rummenigge ist ein Abschied von Jérôme Boateng beim FC Bayern plötzlich vorstellbar.
  • Die WM, die für Boateng am Sonntag mit dem Spiel gegen Mexiko beginnt, könnte ein Schaufenster für ihn werden.
  • Hier geht es zum Spielplan der Fußball-WM.

Von Christof Kneer, Watutinki

Vielleicht hat Jérôme Boateng als Jugendfußballer mal die Pressekonferenzen des DFB im Fernsehen gesehen. Vielleicht hat er im Sommer 2002 mal reingezappt, als die deutschen Fußballer bei der WM im japanischen Miyazaki wohnten, mitten in einem fantastischen Pinienwäldchen. Oder er hat 2004 mal reingeschaut, bei der EM in Portugal, damals sah man im Hintergrund die vorbildliche Algarve. Wer auch immer damals deutsche Pressekonferenzen einschaltete, hatte gute Chancen, da oben auf dem Podium einen jungen Mann zu treffen, der sich schwere Fragen anhören musste.

Ob ihn das arg beschäftige, dass er wohl bald nach Dortmund wechsele, wurde der junge Mann 2002 gefragt, zwei Jahre später wurde "Dortmund" durch "München" ersetzt. Jedenfalls konnte man den Eindruck bekommen, dass zu den festen Bestandteilen eines Fußballturniers nicht nur zum Beispiel ein Eröffnungsspiel gehört, sondern auch ein Vereinswechsel von Torsten Frings.

Der Rummenigge-Satz war keine Floskel

Doch, er könne sich schon aufs Turnier konzentrieren, hat Frings damals jeweils gebrummelt, und auf demselben Podium sagten dann irgendwann der Teamchef (unvergessen: Rudi Völler) oder sein Assistent (vergessen: Michael Skibbe) irgendwas Mahnendes. Also gut sei das nicht, wenn Spieler mit offener Zukunft in ein Turnier gehen würden, so oder so ähnlich sagten sie das, und Spielerberater wollten sie im Teamhotel auf keinen Fall sehen.

Es interessiere ihn "absolut überhaupt nicht", was über Jérôme Boatengs Zukunft gerade geraunt wurde, hat der aktuelle Bundestrainer Joachim Löw nun in Watutinki gesagt, einem Ort, der nicht an der Algarve liegt. Löw fühlte sich erkennbar belästigt von dieser Frage, weshalb er sein "aaaabsolut" gleich mit mehreren "a" beginnen ließ. Anderthalb Jahrzehnte später steht die Branche ja längst in schöner Aufrichtigkeit zu ihrem Zynismus, es ist völlig normal, dass die Spieler zu Marken auf einem Markt geworden sind. Und keiner glaubt mehr ernsthaft, dass einem Vollprofi wie Boateng der Passfuß wackelt, nur weil er nicht weiß, in welcher Stadt er seine Pässe in der nächsten Saison spielt.

Das große Turnier, das für die Deutschen am Sonntag gegen Mexiko beginnt, macht Boateng keine Angst, es ist eher eine Art Schaufenster für ihn. Jene kleinen Sticheleien, die der FC Bayern und sein prominenter Verteidiger seit geraumer Zeit austauschen, sind nun tatsächlich im Begriff, das Stadium kleiner Sticheleien hinter sich zu lassen. Es wird jetzt ernst.

"Wenn ein Verein kommt und Jérôme kundtut, dass er zu diesem Verein wechseln möchte, werden wir uns damit befassen": Dieser frische Satz des Bayern-Vorstandschefs Karl-Heinz Rummenigge klingt wie eine Floskel, ist aber genau das Gegenteil - vor allem, wenn man diesem Satz jenen anderen Satz entgegenhält, den Rummenigge dem Stürmer Robert Lewandowski widmete. Auf dessen Verbleib, so Rummenigge, nehme er Wetten an.

Bei Lewandowski hat Rummenigge alle Türen zugeknallt. Bei Boateng hat er die Türen nicht nur nicht zugeknallt, er hat sie sogar etwas aufgemacht. Und zwar so, dass alle Wettbewerber das gut sehen können.

Was den Bayern bei Boateng nicht gefallen hat

Er sage das "genau einmal", meinte Boateng am Donnerstag, er sei hier bei einer WM, alles andere sei hier kein Thema. Was man eben so sagt, wenn man auf so einem Podium sitzt und die Nation zuschaut, vielleicht sogar Torsten Frings. Boateng weiß natürlich, dass er sich in Watutinki gründlich um Form und Fitness kümmern kann, das Geschäftliche wird anderswo erledigt. Unterschiedliche Menschen arbeiten an seiner Zukunft, die tatsächlich außerhalb Münchens liegen könnte. Die Wechselwahrscheinlichkeit sei "hoch", sagt ein Insider, spekuliert wird mit dem englischen Markt, mit dem FC Chelsea und Manchester City, dem Verein von Pep Guardiola.

Der FC Bayern und Boateng sind sich schon noch wichtig irgendwie, auf eine Art haben sie sich vielleicht auch noch ein bisschen lieb, aber sie haben sich doch etwas auseinandergelebt. Den Bayern haben die roten Teppiche nicht gefallen, die Boateng eine Weile mit einem seiner 700 Paar Schuhe ablief, zumal er die Fußballschuhe verletzungshalber in derselben Zeit eher selten trug. Hingegen war Boateng ausdrücklich der Meinung, dass er ja nun wirklich nichts dafür könne, dass ihn das unsägliche "Nachbar"-Zitat eines AfD-Mannes plötzlich auch politisch berühmt machte.

Bald in der Premier League?

Seitdem geht das so im Pingpong-Stil hin und her: Boateng sagt in einem Interview, er fühle sich in München wohl, könne sich aber auch was anderes vorstellen, und die Bayern vermeiden es daraufhin demonstrativ, ihn für unverkäuflich zu erklären. Vor vier Wochen spielte Boateng nun wieder Ping ("Das Ausland ist immer interessant"), worauf Rummenigge in dieser Woche ungerührt mit Pong antwortete ("Wir wissen daher, dass das Thema möglicherweise auf uns zukommen kann").

Gut möglich, dass beide Parteien demnächst zu dem Schluss kommen könnten, dass es auch ohneeinander geht. Die Bayern könnten auf die Idee kommen, sich zum Beispiel für den rasend begabten Stuttgarter Verteidiger Benjamin Pavard zu interessieren, und Boateng könnte beschließen, dass ihm Deutschland sowieso zu klein wird. Außer vom klassischen Münchner Spieleragenten Christian Nerlinger lässt sich Boateng ja auch vom sogenannten Star-Rapper Jay Z managen, der Boateng für die Zeit nach dessen Karriere auf dem internationalen Lifestyle-Markt platzieren möchte. Ein Engagement in der prominenten englischen Premier League könnte da schon ganz hilfreich sein.

Die bequemste Position hat einstweilen wieder Jogi Löw. München, Manchester, Madrid? Er weiß nur, dass er Jérôme Boateng aaaabsolut wieder nominieren wird.

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