Vorfall im DFB-Pokal:Theatralik wird belohnt

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Mohamed Simakan verpasst Bakery Jatta einen Kopfstoß - und kommt mit einer Verwarnung davon. (Foto: opokupix/Imago)

Leipzigs Mohamed Simakan verpasst dem HSV-Spieler Bakery Jatta im DFB-Pokal eine astreine Kopfnuss, doch es gibt nur Gelb. Wahrscheinlich, weil Jatta auf eine theatralische Reaktion verzichtet - ein fatales Signal an alle Anständigen.

Kommentar von Thomas Hürner, Hamburg

Im Fußball hat sich längst die Meinung durchgesetzt, wonach anrüchiges Verhalten mit Cleverness gleichgesetzt wird. Oder verwechselt wird? Das ist, wie so häufig, eine Frage der Perspektive. Seit dem Jahr 2010 hat diese fragwürdige Symbiose sogar ein Gesicht, nämlich das des sich am Boden windenden Sergio Busquets vom FC Barcelona, der sich nach einem angeblichen Foul beide Hände vor die Augen hält, um seinem Leid angemessen Ausdruck zu verleihen - und der dann, sich immer noch am Boden windend, eine Hand vom Gesicht nimmt, damit er freie Sicht auf den Schiedsrichter hat. Na, wie der wohl reagieren wird?

Heute zählt der Schnappschuss dieser Szene zu den Klassikern der Internet-Memes, was dem Mittelfeldmann Busquets womöglich Ruhm auf Lebenszeit verschafft. Und auch im damaligen Champions-League-Halbfinale gegen Inter Mailand gereichte ihm die Showeinlage zum Vorteil: Sein Gegenspieler Thiago Motta wurde zu Unrecht des Feldes verwiesen, Barça durfte mehr als eine Stunde lang in Überzahl weiterspielen.

Dieser Logik folgend, müsste sich Bakery Jatta nun wegen Nachlässigkeit in Tateinheit mit Doofheit schuldig bekennen. Denn am Dienstagabend, bei der 0:4-Niederlage im DFB-Pokal gegen RB Leipzig, blieb der Mittelfeldmann des Zweitligisten Hamburger SV taten- und ausdruckslos, nachdem ihm sein Gegenspieler Mohamed Simakan eine astreine Kopfnuss verpasst hatte. Hätte Jatta sich beim Zwischenstand von 0:2 theatralisch zu Boden geworfen, wäre Schiedsrichter Benjamin Cortus wohl nichts anderes übrig geblieben, als Simakan Rot zu zeigen. Die Hamburger hätten so zumindest theoretisch die bessere Chance auf eine Aufholjagd gehabt. Jatta fiel aber nicht, weshalb sich Cortus bemüßigt sah, es bei einer gelben Karte zu belassen.

Auch wenn eine andere Entscheidung noch lange kein anderes Endergebnis garantiert hätte, sahen sich die Hamburger hernach als Opfer eines kleinen Justizskandals. Was eine plausible Haltung war, da Cortus' Verzicht auf eine angemessene Sanktion auch tief in die Probleme des deutschen Schiedsrichterwesens blicken ließ: Die Szene erhärtete den Eindruck, dass die Autorität der Unparteiischen abgenommen hat, seit sie sicher sein können, dass sich im Zweifelsfall schon ein Assistent aus dem Kölner Videokeller melden wird (den es in der zweiten DFB-Pokalrunde nur leider nicht gibt).

Und so enthielt die Szene mit Bakery Jatta, dessen Anständigkeit zu seinem Nachteil ausgelegt wurde, eine dringende Handlungsempfehlung an alle Berufskollegen: Macht es nicht wie Jatta. Macht es lieber wie Sergio Busquets. Das wäre zwar anrüchig, aber halt auch ziemlich clever.

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