Italien:Mailands Fußball wird chinesisch

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Chinesische Investoren übernehmen die beiden Traditionsklubs Inter und Milan - in Italiens Fußballwelt löst das gemischte Gefühle aus.

Von Birgit Schönau, Rom

Seit seiner Gründung anno 1908 heißt der Klub Internazionale. Nur während der Jahre des Faschismus wurde Inter Mailand gezwungen, diesen Namen zu ändern. Diktator Benito Mussolini konnte, obwohl er doch selbst einmal Sozialist gewesen war, mit dem Internationalen nichts mehr anfangen. Er ordnete die Umbenennung in "Ambrosiana" an. Jetzt wird Internazionale Mailand tatsächlich an einen der reichsten Kommunisten der Welt verkauft.

Am Montag wurde in Nanjing bekannt gegeben, dass Zhang Jindong, 53, Gründer und Eigentümer des Elektrogeräte-Konzerns Suning, knapp 70 Prozent von Inter übernimmt. Der Kaufpreis beträgt angeblich 525 Millionen Euro. Bis Juni 2017 sollen auch die übrigen 30 Prozent an die neuen Eigentümer gehen. Damit nicht genug: Für den 13. Juni ist die Unterschrift zum Verkauf des AC Mailand an eine weitere, bislang namentlich unbekannte, chinesische Investorengruppe anberaumt.

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Die beiden Mailänder Traditionsklubs werden also von Unternehmern aus dem aufstrebenden Fußball-Land China übernommen. Wobei die eigentliche Überraschung ist, dass der stramme Antikommunist Silvio Berlusconi, von dem der schöne Aphorismus überliefert ist, nur Kommunisten spielten defensiv, seinen AC Mailand nach 30 Jahren ausgerechnet an die letzten Kommunisten auf diesem Planeten abgibt - wenn man mal von Nordkorea und Kuba absieht, wo das nötige Kleingeld fehlt.

"Glaubt ihr wirklich, dass ich mein Milan Leuten anvertraue, von denen wir wissen, dass sie früher ihre Kinder gegessen haben?", äußerte Berlusconi noch am vergangenen Samstag bei einem Wahlkampfauftritt in der Nähe von Rom. Nun - ob man's glaubt oder nicht, er tut's. Für wie viel Geld, steht noch nicht fest. In China soll man übrigens den alten Kinderfresser-Witz von Berlusconi nicht besonders lustig gefunden haben. Aber Geschäft ist Geschäft. Und damit, dass der Italiener den Verhandlungspartnern unbedingt seine Tochter Barbara als Geschäftsführerin aufhalsen will, wird man auch noch fertig.

Wird der Konkurrenz nicht doch ein wenig flau?

Mailands Fußball wird chinesisch - und das in einem schwindelerregenden Tempo. Wird da der Konkurrenz nicht doch ein wenig flau? Andrea Agnelli, der Präsident von Juventus Turin, bleibt gegenüber der SZ demonstrativ gelassen: "Wenn ausländische Investoren neue Ressourcen in den italienischen Fußball bringen, ist das zu begrüßen." Juve gehört seit 93 Jahren den Agnellis und ist damit immer noch der Vorzeigeklub des italienischen Familienkapitalismus. "Daran wird sich nichts ändern", versichert der Präsident. "Und wenn sie mir noch so viel Geld böten, Juventus bleibt in der Familie."

Aber wie stellt er sich vor, künftig mit Kollegen zu konkurrieren, die wie der neue Inter-Boss Zhang auf einen Jahresumsatz von circa 20 Milliarden Dollar kommen? Agnelli, der gerade wie sein Großvater Edoardo fünf Meistertitel in Serie gewonnen hat, mag sich nicht alarmiert fühlen. Die Steuererleichterungen für die Spanier und die Petrol-Millionen für Paris Saint-Germain oder Manchester City bedeuteten schließlich auch schon harte Konkurrenz.

ManCity hat seit Dezember 2015 chinesische Anteilseigner. Die China Media Capital (CMC) übernahm damals für 377 Millionen Euro 13 Prozent. Peanuts verglichen mit dem Geschäftsvolumen in Mailand. Allein für die Brasilianer Alex Teixeira (zuvor Donezk) und Ramires (zuvor FC Chelsea) hat Inter-Käufer Zhang im Winter rund 80 Millionen Euro gezahlt, damit sie seinen Klub Jiangsu Suning verstärken.

Bis vor wenigen Jahren waren die Großunternehmer Berlusconi und Moratti noch die unumstrittenen Herren der zweitgrößten Stadt Italiens. Sie dominierten den Fußball wie die Politik - eine Schwägerin des langjährigen Inter-Patrons Massimo Moratti war für Berlusconis Partei Mailänder Bürgermeisterin. Doch mit dem Champions-League-Sieg 2010 (im Finale gegen den FC Bayern) hatte Moratti sich übernommen. Nachdem er während seiner Präsidentschaft eine Milliarde Euro in Inter gepumpt hatte, verkaufte er 2013 den Mehrheitsanteil an den Indonesier Erick Thohir. Der gibt jetzt weiter an die Chinesen, und auch Moratti wird ganz aussteigen.

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Dabei sind Inters erste Erfahrungen mit einem Besitzer aus Fernost niederschmetternd. Thohir wollte nicht nur in den Klub investieren, er vergrößerte Inters Schuldenberg mit Krediten zu hohen Zinsen. Von Mailand und Italien versteht der Indonesier nach drei Jahren an der Spitze des einzigen ewigen Erstligaklubs genauso wenig wie bei seiner Ankunft. Es interessiert ihn schlicht nicht.

Auch wenn Andrea Agnelli es nicht zugeben will: Der Einstieg der Chinesen löst in Italiens Fußballwelt gemischte Gefühle aus. Gerade steht der norditalienische Drittligist AC Pavia vor der Pleite, nachdem seine chinesischen Besitzer sich buchstäblich aus dem Staub gemacht haben. In Italien wird gegen sie wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche und wegen Sportbetrugs durch Wettmanipulation ermittelt.

Die Frage ist, ob die Traditionsklubs Inter und Milan für die neuen Besitzer mehr bedeuten als preiswerte Investitionsobjekte für die künftige Fußballgroßmacht China. Spätestens seit Präsident Xi Jinping im vergangenen Jahr den Einsatz an der Fußballfront zur vaterländischen Pflicht erklärt hat, machen sich Chinas Milliardäre geradezu entfesselt über den Markt her. Über 200 Millionen Euro gab die Chinese Super League (CSL) für Wintertransfers aus, nur in Englands Premier League wurde noch mehr Geld bewegt.

Der Rekordmeister Guangzhou Evergrande wird vom ehemaligen brasilianischen Nationalcoach Luiz Felipe Scolari trainiert, vorher gewann der Italiener Marcello Lippi mit Guangzhou Titel um Titel. Auch Günter Netzer arbeitet für chinesische Besitzer, seit der Immobilienkonzern Wanda im Februar 2015 den Schweizer Sportrechtevermarkter Infront übernahm.

In Italien fragt man sich schon, welcher der nächste Klub auf der Einkaufsliste sein wird. Lazio Rom? US Palermo? Vereine mit großer Vergangenheit und unsicherer Zukunft. Zunächst einmal wird das nächste Mailänder Derby interessant werden. China gegen China. Die Vereinsnamen, wenigstens das haben die neuen Besitzer zugesichert, werden bis auf Weiteres bleiben.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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