Eigentlich spricht ein Endstand von 3:0 eine klare Sprache. Wenn es aber um ein Nord-Süd-Derby wie AC Mailand-SSC Neapel geht, so ist ein 3:0 noch lange nicht klar genug. Tatsächlich verbergen sich hinter den nackten Zahlen: Die vollkommene Regungslosigkeit der Neapolitaner, die nicht eine einzige Torchance erspielten, dazu ein nicht ganz eindeutiger Elfmeter, jede Menge Verschwörungstheorien, sowie politische Konsequenzen für Silvio Berlusconi.
Kevin-Prince Boateng (links) erzielte das zweite Tor und jubelt mit Mark van Bommel.
(Foto: Getty Images)Die außerordentliche Dramatik der bis zur Pause ziemlich langweiligen Partie lag darin, dass es sich bei Milan-Napoli erstmals seit Ewigkeiten um eine Spitzenbegegnung handelte, waren doch die Neapolitaner über Monate die hartnäckigsten Verfolger des standfesten Mailänder Tabellenführers. Schon Wochen vor dem Match fühlte sich Neapel jedoch verraten und verkauft, weil Ezequiel Lavezzi, ihr Bester, nach einer Spuckattacke gegen einen Spieler des AS Rom drei Spieltage Sperre kassiert hatte und deshalb in Mailand nicht antreten konnte. Eine Intrige der von Milan-Besitzer Berlusconi gesteuerten Sportrichter, wähnten die Neapolitaner - jetzt, nachdem mit der Niederlage die Träume von der Meisterschaftsfeier unter dem Vesuv wohl ausgeträumt sind, fühlen sie sich bestätigt. Alles sei schon gemauschelt und abgemacht worden und Napoli um seine schönsten Hoffnungen betrogen, weil der Padrone Berlusconi es so will.
Den Einwand, es hätte womöglich gereicht, in San Siro einfach Fußball zu spielen, lassen die aufgebrachten Bannerträger des Südens nicht gelten. "Dieser Sieg wird den Cavaliere teuer zu Stehen kommen", verspricht am Dienstag das neapolitanische Lokalblatt Il Mattino. Mit dem Cavaliere ist Berlusconi gemeint, dessen Statthalter sehr bald bei den Kommunalwahlen am Golf gefordert sind und sich deshalb eiligst von ihrem Boss distanzierten - natürlich nur, was den Fußball betrifft. Allein, es wird ihnen wenig nützen. Denn wenn es stimmt, dass Neapel eine Kapitale mafiösen Stimmenkaufs ist, so ist es umso erwiesener, dass die Neapolitaner nicht die Helfershelfer des Mannes wählen, der ihnen Zlatan Ibrahimovic, Kevin-Prince Boateng, Pato und den Florentiner Schiedsrichter Gianluca Rocchi auf den Hals hetzt.
Ibrahimovic verwandelte den Elfmeter, den Rocchi nach einem Handeinsatz des Napoli-Spielers Salvatore Aronica verfügt hatte (49.). Boateng und der überragend aufspielende Pato vollendeten dann mit ihren Treffern das Resultat, unterstützt von einem energischen Mark van Bommel, der selbst zwei Mal nur knapp das Tor verfehlte, und von dem gewohnt rabiaten Gennaro Gattuso, 33, für den angeblich ein Millionenangebot vom russischen Erstligisten Anschi Machatschkala aus Dagestan vorliegt. Neapel hat nun sechs Punkte Rückstand auf Milan, mit fünf Punkten Abstand ist Inter derzeit der erste Verfolger.