HSV-Trainer Mirko Slomka:Das Glück ist aufgebraucht

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Euphorisch in Fürth: HSV-Coach Mirko Slomka (mi.) kurz nach dem Schlusspfiff (Foto: dpa)

Beim Hamburger SV hat sich unter Mirko Slomka wenig bis nichts verbessert. Trotzdem darf sich der Trainer nun als Retter feiern lassen. Lediglich als Moderator aufzutreten, wird in der kommenden Saison jedoch kaum reichen.

Von Saskia Aleythe, Fürth, und Carsten Eberts, Hamburg

Als der Schlusspfiff ertönt, streckt Mirko Slomka die Arme nach oben, geht leicht in Rückenlage und formt ein Gesicht der Erleichterung. Seine Spieler sind längst gen Gästeblock gehuscht, fast alle haben sich ihrer Trikots entledigt. Der Trainer des Hamburger SV steht am Spielfeldrand, seriös wie immer: im grauen Wollpullover, aus dem der Kragen eines weißen Hemdes blitzt.

Großes Gejohle dringt aus der Kabine, als er wenig später seine Mannschaft aufsucht. "Die Saison war kräftzehrend für alle", wird er danach noch verkünden, "deswegen ist die Erleichterung jetzt umso größer."

Slomka steht nun als Retter da, als der Coach, der den historischen ersten Bundesliga-Abstieg des HSV vermieden hat. Es gab selten einen glücklicheren Klassenerhalt für einen Bundesligisten. Und es gab auch selten einen Trainer, der mehr Dusel hatte.

HSV nach der Relegation
:Druck, größer als im WM-Finale

Rafael van der Vaart versteckt sich in der Kabine, Heiko Westermann spricht von der "schwierigsten Zeit" seiner Karriere: Der Klassenerhalt in der Relegation hinterlässt beim Hamburger SV nicht nur Erleichterung, sondern auch den Schock über eine fürchterliche Saison. Nur der Trainer macht Mut.

Von Saskia Aleythe

Gleich nach der Partie in Fürth hat der Trainer das einzige getan, was ihn in Hamburg bisher wirklich ausgezeichnet hatte: Slomka moderierte. Wütende Fürther stürmten auf ihn zu, aufgebracht von Lasoggas unsportlicher Geste, sie wollten ihm an den Kragen, mindestens. Slomka warf sich dazwischen, beschwichtigte, hob beruhigend seine Arme. Am Ende, sagte der Trainer, sei alles gar nicht so schlimm gewesen.

Slomka lächelte viel weg, was beim HSV schief lief. Also jede Menge. 27 Punkte erreichte der Klub in 34 Spieltagen - seit Wiedereinführung der Relegationsspiele war kein Verein mit einer derart miesen Bilanz in der Liga verblieben. Die Lage war schon kritisch, als Slomka am 17. Februar als dritter HSV-Trainer in der aktuellen Spielzeit seine Arbeit aufnahm. Bert van Marwijk musste nach sieben Niederlagen in Serie seinen Posten räumen. Slomka schaffte es in den verbleibenden 15 Spielen (inklusive Relegation) zu wenig überragenden 13 Punkten.

In Hannover galt Slomka als Taktiker, der seiner Mannschaft ein neues Gesicht verpasst hatte. 96 wurde zur besten Kontermannschaft der Liga, trug diesen Ruf bis weit nach Europa hinein. Erkennbare Amtshandlungen von Slomka beim HSV: Er holte Michael Mancienne und Petr Jiracek zurück ins Team, die bei seinen Vorgängern in Ungnade gefallen waren, und setzte auf die bis dato wenig berücksichtigen Milan Badelj und Ivo Ilicevic.

Gespielt hat der HSV unter Slomka - bis auf wenige Ausnahmen - trotzdem gleichbleibend schlecht. Ohne großen Zug oder Dynamik, weder nach vorne, noch nach hinten. Ohne taktisches Gesicht. Mit riesigen Lücken im Mittelfeld, die Slomka nicht abstellen konnte. Abhängig von den Toren eines einzigen Mannes, von Pierre-Michel Lasogga. In der Relegation wurde der HSV von einem Zweitligisten spielerisch vorgeführt, überstand diese Demütigung nur mit allem Glück dieser Fußballwelt.

Slomka versuchte es zunächst mit deutlichen Worten. Er kritisierte sein Team mitunter hart, etwa nach den Niederlagen gegen Wolfsburg oder Augsburg. Doch je näher es auf die entscheidenden Duelle mit Fürth zuging, desto weicher wurde er. Lächelte. Relativierte. Seine Mannschaft hatte wenig Substanz für die Bundesliga, der Trainer konnte ihr kaum helfen. Die Euphorie nach dem 2:1 gegen Leverkusen Anfang April verebbte schnell. Fünf Niederlagen setzte es in Serie, das mickrige 1:1 bei Greuther Fürth war der erste Auswärtspunkt einer Slomka-Mannschaft seit April 2013.

Stimmen zur Relegation
:"Noch so eine Saison ertrage ich nicht"

Hamburgs Heiko Westermann hält es am Ende des Spiels kaum mehr aus. Fürth-Trainer Frank Kramer ärgert sich, dass sein Team sich nicht belohnt hat. Und HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga verteidigt seine Provokation vor der Fürther Bank. Die Stimmen zur Relegation.

In Hamburg hielt sich die Kritik trotzdem in Grenzen. Slomka ist ein Medienprofi, nach den teilweise chaotischen Zuständen unter Fink und van Marwijk hat er zu einer positiveren Außendarstellung beigetragen, was ihm viele hoch anrechnen. Er beherrscht die Kunst des Schauspiels, wer ihm zuhört, denkt danach wirklich kurzzeitig, die Welt sei besser, als sie noch ein paar Minuten zuvor wirkte.

Dass der HSV mit diesem Ausgang der Relegation ziemlich gut bedient ist, hatte Slomka freilich vernommen. Den Moment des Hinterfragens ließ er aber schnell verstreichen, ihm war viel mehr daran gelegen, positive Singale zu versenden: "Oliver Kreuzer und ich werden uns ab Montag zusammensetzen", sagte Slomka, "damit wir das Glück in der neuen Saison nicht mehr so oft in Anspruch nehmen müssen."

Der HSV wird - kommt es bei der Mitgliederversammlung zu HSVPlus nicht zum größtmöglichen Umsturz - mit Slomka in die neue Saison gehen. "Wir wollen unsere Fans in eine neue Saison führen, die nicht so endet wie diese", ließ der Trainer wissen.

Wie das gehen soll, mit diesen Spielern, diesen finanziellen Zwängen, verriet er nicht. Dann verschwand er wieder zu seiner Mannschaft. Und feierte mit ihnen die schlechteste HSV-Saison aller Zeiten.

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