Zweite Liga:Versöhnliche Hamburger Wahrheiten

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Da geht's Richtung Aufstieg? László Bénes, Hamburger Torschütze zum 1:0. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Der Hamburger SV spielt nicht wie ein möglicher Aufsteiger, verbucht aber immerhin drei Punkte. Vielleicht hilft den Hanseaten, dass mit rauschhaftem Fußball noch kaum ein Zweitligist den Weg in die erste Liga geschafft hat.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ticken die Uhren in Hamburg nicht anders als im Rest der Republik, aber gefühlt rauscht die Zeit nur so vorbei. Schuld daran ist, wie immer, der HSV: Vor wenigen Wochen herrschte in der Hansestadt noch irgendwas zwischen Krisen- und Weltuntergangsstimmung, weil der Traditionsklub unter dem Offensivtrainer Tim Walter einen derart indifferenten Rückrundenstart hingelegt hat, dass Walter durch Steffen Baumgart ausgetauscht werden musste.

Baumgarts Dienstbeginn wiederum löste eine Phase der Euphorie aus, während der sein liebstes Kleidungsstück, die Schiebermütze in der Rautenlogo-Variante, im Fanshop ausverkauft war. Und dann hat der Baumgart-HSV mit dem Fußballspielen begonnen und die Euphorie weitestgehend aus der Stadt geblasen.

Der Hamburger 2:1-Sieg am Samstag gegen den 1. FC Kaiserslautern hat somit eine gefühlte und eine echte Wahrheit offengelegt. Die gefühlte Wahrheit ist, dass gerade wenig dafür spricht, dass diese Mannschaft die so schmerzlich ersehnte Rückkehr in die Erstklassigkeit schafft: Mal wieder wirkte der Hamburger Auftritt geradezu mutwillig uninspiriert, wohingegen der Zweitplatzierte Holstein Kiel im Parallelspiel mit 4:0 über den 1. FC Nürnberg hinwegrauschte - im Stile jenes Spitzenteams, das der HSV auch gern wäre, aber die gesamte Saison lang nie war.

Die echte Wahrheit dagegen klingt aus Hamburger Sicht beinahe versöhnlich: Mit rauschhaftem Fußball ist seit der Wiedervereinigung mutmaßlich noch keiner aufgestiegen; nicht selten wurschteln sich Mannschaften so durch, bis die Saison in die entscheidende Phase einbiegt. Dann gilt es, mit stählernen Nerven in jene Spiele zu gehen, in denen sich alles entscheidet. Nach zuletzt zwei gescheiterten Wiederaufstiegsversuchen über die Relegation sehnt sich in Hamburg zwar niemand nach einer dritten Ehrenrunde - bei aktuell sieben Punkten Rückstand auf die Kieler bräuchte es allerdings ein mittelgroßes Wunder, um noch eine Direktverbindung nach oben zu finden. Und an Wunder glauben sie beim HSV längst nur noch dann, wenn sie Konkurrenz betreffen.

Das Elektrisierende geht der Baumgart-Elf noch ab

Der wenig traumwandlerische Baumgart ist gekommen, um der Mannschaft jene grimmige Entschlossenheit zu verpassen, die er als Trainer vorlebt. Nach Niederlagen gegen Aufsteiger Osnabrück und den Aufstiegsrivalen Düsseldorf war davon zwischenzeitlich nur noch Grimmigkeit übrig geblieben, doch am Samstag konnte Baumgart nun wenigstens eine "kämpferische Leistung" loben. Das Elektrisierende, das Baumgart-Teams immer ausgezeichnet hat, war auch gegen Lautern nicht zu sehen, aber wenigstens hat er das mitunter irritierende Durcheinander seines Vorgängers Walter geordnet.

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Es stecken nun mehr Struktur und Defensivdenken im Hamburger Spiel, die Anzahl der gegnerischen Torabschlüsse etwa ist im Schnitt um die Hälfte zurückgegangen. Und vorne haben die Hamburger mehr Qualität als wahrscheinlich alle anderen in der zweiten Liga: Mittelfeldmann Laszlo Benés, am Samstag Torschütze des Führungstreffers, hat die geradezu furchterregende Statistik von 13 Treffern und 11 Vorlagen vorzuweisen. Mehr Scorerpunkte hat nur St. Paulis Marcel Hartel. Benés, sagte Baumgart, könne "eine Mannschaft führen" - und er wird das, so viel ist klar, auch dringend tun müssen, wenn seine Leistung nicht schon bald durch immense Formanstiege seiner Kollegen ergänzt wird. Einer davon könnte der Mittelfeldmann Lukasz Poreba sein, der bislang eher eine Randerscheinung im Hamburger Kader war, gegen Kaiserslautern eine stabile Leistung darbot und den Treffer zum 2:1-Endstand erzielte.

"Ich sehe sehr viele Sachen, an denen wir arbeiten müssen", sagte Baumgart noch, der Weg zum Aufstieg sei "noch sehr weit". Aus Stimmungsgründen gilt es Anfang Mai aber auch einen Aufstieg zu verhindern: Dann ist der Spitzenreiter FC St. Pauli zu Gast, nach aktueller Tabellenkonstellation könnte der traditionell kleinere Stadtrivale im Volksparkstadion den Einzug in die erste Liga feiern, während der HSV da noch um jedes Pünktchen kämpfen müssen wird. Hätte in Hamburg lange niemand für möglich gehalten. Aber die Zeit, sie rauscht nur so vorbei.

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