HSV-Profi:Nicolai Müller: Im Sprint gegen den alten Förderer

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Hat in den vergangenen drei Spielen 111 Sprints zurückgelegt: Nicolai Müller (Foto: dpa)
  • Am Freitagabend gastiert der BVB beim Hamburger SV.
  • Es kommt zur Begegnung zwischen Nicolai Müller und dessen Förderer Thomas Tuchel.
  • Der HSV-Profi erlebte unter Tuchel seine bisher erfolgreichste Zeit als Fußballer.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Es war bei Mainz 05 nicht immer einfach für Nicolai Müller, 28. Der damalige Trainer Thomas Tuchel hat seinen Rechtsaußen auch mal ausgewechselt, wenn der nicht die taktisch richtigen Wege gelaufen war oder das Defensivspiel vernachlässigt hatte. Unter dem Strich aber stand: Der Spätentwickler Nicolai Müller, einst in der Jugend von Eintracht Frankfurt wegen seiner Schmächtigkeit ausgemustert und erst mit 24 Jahren Erstliga-Profi geworden, stieg unter der strengen Aufsicht von Tuchel 2013 sogar zum zweimaligen Nationalspieler auf.

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Der Coach formulierte damals: "Den kann sich in der Bundesliga derzeit niemand leisten." Mal abgesehen davon, dass zumindest der FC Bayern jeden Spieler holen könnte, wenn er wollte, leistete sich ein Jahr später sogar der klamme Hamburger SV den Offensivspieler Müller für eine relativ bescheidende Ablöse von 4,5 Millionen Euro. Und Mainz verbuchte das durchaus als gutes Geschäft. Den Hamburgern dagegen kamen in der Abstiegskampf-Saison 2014/15 Zweifel, ob Müller die Mannschaft überhaupt stärker machen könne.

Aber wenn der gebürtige Franke an diesem Freitag beim Duell des HSV mit dem Tabellenzweiten Dortmund auf den gegnerischen Trainer Tuchel trifft (der ja fast Müllers Chef in Hamburg geworden wäre, hätte er seine Fast-Zusage nicht im letzten Moment revidiert), dann ist der nicht immer beständige Spätentwickler Müller inzwischen doch noch an der Elbe angekommen.

Mindestens 30 Sprints pro Spiel

Das hat nicht nur damit zu tun, dass er inzwischen auch Defensivarbeit gelernt hat - HSV-Coach Bruno Labbadia ließ ihn in Testspielen mitunter sogar rechter Verteidiger spielen. Es liegt auch an seiner größten Stärke: den Sprints, die er zunehmend vorteilhaft für das Team einsetzt. Allein in den vergangenen drei Spielen haben die Statistiker 111 Sprints von Müller gezählt. Ein Wert, mit dem er selbst den Dortmunder Windhund Aubameyang und den FC-Bayern-Flitzer Douglas Costa abhängte. Müller sagt, er versuche auf mindestens 30 Sprints pro Spiel zu kommen.

Nur mit dem flinken Torjäger Aubameyang würde er sich lieber nicht messen: "Da würde ich wahrscheinlich gnadenlos verlieren", ahnt er. Und das nicht nur beim Wettlauf, sondern auch beim Toreschießen, wo es aktuell 1:14 steht. Trotzdem kann Müller mit seiner Entwicklung zufrieden sein. Und er hat relativ einfache Erklärungen dafür, die sich weitgehend decken mit den Erkenntnissen der Kollegen Lewis Holtby (war in Mainz auch Tuchel-Schüler), Ivo Ilicevic, Dennis Diekmeier oder Johan Djourou, die inzwischen alle auf einem höheren Niveau spielen als im Vorjahr.

Einen solchen Druck wie vergangene Saison habe er noch nie erlebt, erzählt Nicolai Müller. Da sei Hamburg schon etwas anderes als Fürth oder Mainz, wo er von 2006 bis 2011 spielte. Die Stimmung im Team war nicht die beste, sagt er indirekt, indem er die inzwischen gute interne Atmosphäre lobt. Auf dem Rasen seien im Abstiegskampf vor allem "mehr Sprints nach hinten" gefordert gewesen - und das sei viel weniger attraktiv, als selber Chancen zu entwickeln.

"Er hat immer einen perfekten Plan parat"

Unter Labbadia spiele man nun viel schneller nach vorn, attackiere früher und habe mehr Ballbesitz, so Müller. Vor dem Wiedersehen mit seinem Förderer Tuchel hat er großen Respekt. Der Fußballlehrer, der ihm "Bodenständigkeit, konstanten Fleiß und gesunden Menschenverstand" attestierte, habe dem Dortmunder Spiel neben dem schon in Mainz gepflegten Tempo und Gegenpressing den Ballbesitz-Fußball hinzugefügt. Müller weiß, dass Tuchel auch für das Duell in Hamburg eine Idee entwickeln wird.

"Er hat immer einen perfekten Plan parat", sagt Müller, "seine Spielvorbereitung ist herausragend gut." Er gäbe allen Spielern "viele Hilfen auf dem Rasen". Auch deshalb könnte es diesmal schwierig für den HSV werden, der trotz der Dauerkrise der vergangenen Jahre stets ein Angstgegner für Jürgen Klopps Borussia war. Vier der jüngsten sechs Spiele gewann der HSV. Aber Müller weiß auch: Die Tuchel-Borussia ist nicht mehr die Klopp-Borussia.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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