HSV-Niederlage gegen Berlin:Ganz lieb in die Flammen hinein

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Heiko Westermann: mit dem HSV weiter auf einem Abstiegsplatz (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sechste Niederlage in Serie, schlechtestes Team der Rückrunde, vorletzter Tabellenplatz: Der Hamburger SV steckt nach dem 0:3 gegen Hertha BSC noch tiefer in der Krise. Auf den Klub warten nun düstere Wochen.

Von Benedikt Warmbrunn

Rafael van der Vaart lief dann noch einmal über den Platz, in kleinen Kurven, er wollte jetzt gratulieren, jedem Einzelnen. Es war ja auch ein toller Sieg, alle freuten sich über die Glückwünsche. Dann lief der Hamburger Kapitän zu den eigenen Spielern. Er blickte in schweigende Gesichter.

0:3 hatte der HSV sein Heimspiel gegen Hertha BSC verloren, es war die sechste Niederlage in Serie, das Team ist weiter das schlechteste der Rückrunde (noch ohne eigenen Treffer), steht weiter auf dem vorletzten Tabellenplatz. Es sind düstere Statistiken, die den gegenwärtigen Zustand des Hamburger SV beschreiben. Besonders düster sind sie, weil sie sich im Verein in dieser Woche noch einmal Mut gemacht hatten.

Trainer Bert van Marwijk hatte den trainingsfreien Montag gestrichen, er hatte für den Mittwoch eine Doppelschicht angesetzt. Und sie hatten versucht all den Ärger zu verdrängen. Den Ärger um die Details aus dem Vertrag von Teenager Jonathan Tah etwa. Oder die nun veröffentlichte Geschichte, dass Johan Djourou und Jacques im Sommer Uhren im Wert von 90.000 Euro gestohlen wurden; nun gibt es Ärger um den Schadensersatz. Alles also: vergessen, angeblich. Stattdessen hatten sich die Spieler untereinander ausgesprochen. Kapitän Rafael van der Vaart sagte stellvertretend: "Ich habe den Eindruck, dass wir füreinander durchs Feuer gehen werden."

Sie gingen gemeinsam, das schon. Nur sind sie lediglich noch weiter in die Flammen hineingegangen.

Trainer van Marwijk schützt Jonathan Tah

Van Marwijk hatte seine Startelf auf drei Positionen verändert. René Adler stand nach seiner Sprunggelenksverletzung erstmals wieder im Tor, Marcell Jansen kehrte nach einer Prellung zurück auf die linke Abwehrseite. Zudem verzichtete der Trainer auf Tah ("Ich möchte ihn schützen"). Stattdessen spielte Johan Djourou in der Innenverteidigung. Vor allem aber wollte van Marwijk ja den Charakter umstellen, vor der Partie hatte er gesagt, die Spieler seien ihm "zu lieb". Also begannen seine Spieler: alles andere als lieb.

Der Hamburger SV war die aggressivere Mannschaft in den ersten Spielminuten, sie waren aufmerksam, sie scheuten keine Zweikämpfe, sie starteten Angriffe. Es brachte zwar erst einmal nicht viel, aber beim HSV reicht zurzeit als positiver Vermerk schon das: Einsatz. Ein ordentlicher Spielbeginn also. Dann kam die 15. Spielminute.

HSV-Kapitän Heiko Westermann hatte Hajime Hosogai gefoult, es gab Elfmeter, es gab aber auch Diskussionen, ob das Foul auf der Strafraumlinie war oder davor. Was dann aber schnell egal war. Denn Adler parierte den Elfmeter von Adrian Ramos. Was dann aber auch wieder schnell egal war. Denn nach der folgenden Ecke kam Ramos frei zum Kopfball, Sami Allagui drückte den Ball mit dem Oberschenkel ins Tor. Und schon war der HSV wieder sehr, sehr lieb.

Berlin hatte nun gerade in der Spielfeldmitte wieder endlos viel Zeit und Raum, und die Gäste wussten diesen geschickt zu nutzen. Schnell passten sie den Ball durch die Lücken, wenn sich die HSV-Spieler bewegten, dann drehten sie sich meistens dem Ball hinterher. Nach einem Freistoß von Tolga Cigerci köpfelte Ramos den Ball ins Tor (23.), eine Viertelstunde später erhöhte der Stürmer nach einem feinen Doppelpass mit Johannes van den Bergh.

Der Schwung hielt wieder nur ein paar Minuten lang an

Und der HSV? Versuchte es ein paar Mal aus der Distanz, die wenigen gefährlichen Situationen im Strafraum hatte die einzige Spitze Jacques Zoua. Der Kameruner verstolperte den Ball, er köpfelte links neben das Tor, er köpfelte rechts neben das Tor. Es war wirklich ein ganz lieber Auftritt.

Van Marwijk erinnerte sein Team in der Halbzeit offenbar noch einmal daran, dass er genau das nicht sehen wollte, zumindest begannen seine Spieler die zweite Halbzeit wie die erste. Van der Vaart scheiterte mit einem Kopfball an Hertha-Torwart Thomas Kraft (47.), genauso wie Zoua (53.). Wie in der ersten Halbzeit hielt dieser Schwung jedoch nicht lange.

Die Gäste konzentrierten sich auf die Defensive, sie verteidigten eng, sie ließen die Hamburger ein bisschen laufen. Also liefen die Hamburger. Aber sie kamen nicht voran. Die Berliner mussten sich nicht einmal sonderlich darüber ärgern, dass sie die Kontermöglichkeiten nicht zielstrebig ausspielten. Das Team steht nun auf dem siebten Tabellenplatz, zwei Punkte hinter einem Europaleague-Rang.

Die Hamburger Spieler schlichen nach dem Schlusspfiff erst einmal zu den Fans, sie wurden ausgepfiffen. "Es wird schwer, so ein Spiel zu verdauen", sagte Verteidiger Heiko Westermann anschließend im Interview. Am nächsten Wochenende spielt der Hamburger SV dann in Braunschweig. Bei der einzigen Mannschaft, die in der Tabelle noch hinter dem Team steht.

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