HSV mit Fehlstart:"Wir haben als Kollektiv versagt"

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Enttäuschung bei den Hamburgern nach einer ernüchternden Premiere in der zweiten Liga. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Der Hamburger SV verliert sein erstes Zweitliga-Spiel der Vereinsgeschichte mit 0:3 gegen Holstein Kiel.
  • Im eigenen Stadion sind die Hamburger ihrem Gegner unterlegen - vor allem in der Innenverteidigung gibt es Probleme.
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Von Jörg Marwedel, Hamburg

Es war wie bei einem Spitzenspiel der Bundesliga. 57 000 Zuschauer im ausverkauften Volksparkstadion, der DFB-Präsident Reinhard Grindel saß neben HSV-Boss Bernd Hoffmann auf der Tribüne und die Fans waren derart in Vorfreude auf die erste Zweitliga-Partie der Klubgeschichte, dass sie den ersten Bundesliga-Abstieg mit einer riesigen Choreografie abarbeiteten: "Dies ist die Geschichte eines Vereins, der fällt. Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung - Auf geht's". Ja, sagte Tim Walter, der neue Trainer des Gegners Holstein Kiel, der aus dem Nachwuchs des FC Bayern kommt: "Der Rahmen war erste Liga."

Das galt auch für das Tempo, das angesichts der fast 30 Grad am späten Abend unglaublich hoch war. Wer aber gedacht hatte, die Kieler würden sich von der Kulisse einschüchtern lassen, lag falsch. Es war, wie Holstein-Torwart Kenneth Kronholm sagte, "Motivation pur für uns". Und nachdem die Gäste aus der Ostseestadt (immerhin Dritter in der vergangenen Saison), die ersten 20 Minuten trotz drei Großchancen des HSV (Ito, Jairo, Narey) ohne Gegentor überstanden, hatten sie die Partie weitgehend unter Kontrolle und griffen ihrerseits an. Die erste Landung des HSV in Liga zwei war - zumindest in der ersten Tabelle - der letzte Tabellenplatz. Das dürfte mal wieder viel Spott entfachen. Denn außer dem 1. FC Köln hat kein Zweitligist auch nur annähernd eine so teure Mannschaft.

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Kommentar von Sebastian Fischer

34 Spiele mit Pokalcharakter hat HSV-Trainer Christian Titz für diese Saison vorausgesagt, an dessen Ende die Hamburger wieder aufsteigen wollen. "Jetzt wissen wir Bescheid, was in der Liga gefordert wird", sagte Titz nach der verdienten Niederlage mit Toren der Kieler Jonas Meffert (56. Minute), David Kinsombi (78.) und Mathias Honsak in der Nachspielzeit.

Titz hatte auch taktisch gegen seinen Kollegen Walter verloren, der die Abwehr weit nach vorne schob. Als der HSV-Coach zwei Fehler korrigieren wollte, nämlich den überforderten neuen Innenverteidiger David Bates vom Feld nehmen und mit Pierre-Michel Lasogga endlich eine echte Spitze auf den Rasen schicken, da war es zu spät. In seiner letzten Aktion wurde der Schotte Bates mal wieder ausgespielt, bevor Meffert in den Winkel traf. Und als Lasogga dann von der 57. Minute an eingreifen durfte, hatten die mit sechs neuen Profis in der Startelf angetretenen Kieler längst so viel Sicherheit, dass er kaum einmal ins HSV-Spiel einbezogen werden konnte.

"Du musst das Spiel lesen können. Das haben wir leider über große Strecken nicht hinbekommen", sagte Ersatz-Kapitän Lewis Holtby, "wir alle haben als Kollektiv versagt." Auch die Neuen, die auflaufen durften - nämlich neben Bates die Offensivkräfte Jairo (früher Mainz) und Narey (früher Fürth), der seine Chancen freigiebig verspielte. Die "Abstiegs-Euphorie" der Hamburger (so Kiels Abwehrspieler Johannes van den Bergh) hatte sich also nicht positiv ausgewirkt, sondern eher im Gegenteil. Das war auch an der Statistik abzulesen, denn die Gäste hatten mehr gewonnene Zweikämpfe, mehr Eckbälle und mehr Torschüsse.

Vor allem war die Innenverteidigung des HSV mit Bates und van Drongelen (Jung und Papadopoulos sind länger verletzt) wenig souverän. Und ob man in der zweiten Liga ohne echte Angriffsspitze agieren kann? Neben Lasogga saß der von der zweiten Mannschaft des FC Bayern gekommene Torjäger Manuel Wintzheimer auf der Bank, während Jann-Fiete Arp an dem Abend sogar mit der Regionalligaelf mit 0:4 bei Werder Bremen verlor.

Titz muss sich also viele Gedanken machen, während die Kieler nach dem Weggang ihres Erfolgstrainers Markus Anfang (zum 1. FC Köln) und dem Verlust von Torjäger Marvin Duksch (nach Düsseldorf), Stratege Dominick Drexler und Abwehrchef Rafael Czichos (beide Köln) offenbar ihr aggressives Angriffsspiel beibehalten haben.

Als großer Gewinn erwies sich der südkoreanische WM-Teilnehmer Jae-Sung Lee, der mit zwei Torvorlagen Drexlers Aufgabe übernahm. "Er ist eine andere Klasse", sagte Tim Walter. 900 000 Euro haben die Kieler an Jeonbuk Hyundai Motors bezahlt, die höchste Ablöse ihrer Klubgeschichte. Andererseits: nicht mal eine Million für einen WM-Spieler? Kaum zu glauben. "Der Trainer wollte mich unbedingt", ließ Lee über einen Dolmetscher wissen. Er habe gehört, dass Kiel im Mai nur knapp den Bundesliga-Aufstieg verpasst habe. Diesmal wolle er dazu beitragen, dass das nicht wieder passiere.

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