HSV in der Bundesliga:Er deckt ihn, er deckt ihn nicht

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Die Abstimmung bei Standards stimmte beim HSV am Samstagabend selten, um nicht zu sagen: so gut wie nie. (Foto: Selim Sudheimer/Bongarts/Getty Images)
  • Der Hamburger SV verliert 2:1 in Berlin und kassiert beide Gegentore nach Eckbällen.
  • Trainer Gisdol moniert, die Zuteilung bei Standards sei klar abgesprochen gewesen - und kündigt an, den "Druck zu erhöhen".
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Von David Joram, Berlin

Im windigen, grauen Berliner Olympiastadion hatten zunächst nur die Maskottchen ihren Spaß. Beim "Dance Contest", wie eine Marketingaktion des Berliner Bundesligisten Hertha BSC heißt, schwangen das Hertha-Maskottchen Herthinho und der Dino des Hamburger SV sambareif die Hüften. Von den Fußballern ihrer Teams erwartete wohl niemand der 52.131 Zuschauer einen flotten Tanz. "Die Fans machen sich Sorgen", hatte Hertha-Coach Pal Dardai vor dem Krisenduell seiner zurzeit schwächelnden Elf gegen den dauerkriselnden HSV mitgeteilt - und damit beschrieben, was ohnehin alle wussten: Drei Punkte, egal wie, sollten im Heimspiel gegen Hamburg her. Letztmals war dies den Berlinern am 23. September geglückt (2:1 gegen Leverkusen). Der letzte HSV-Sieg datiert gar vom 25. August, ein 3:1 in Köln. Das Banner mit der Aufschrift "Sturm erprobt", welches die mitgereisten Hamburger Anhänger vorm Anstoß hochhielten, passte also zu den Fans.

Als nicht wetterfest erwiesen sich jedoch die HSV-Profis, insbesondere nach Berliner Eckbällen. Die Information, dass die Nationalspieler Marvin Plattenhardt und Mitchell Weiser solche ganz ordentlich treten können, war wohl nicht bis nach Hamburg durchgedrungen, obschon HSV-Coach Markus Gisdol etwas anderes behauptete. "Für die Standards war klar besprochen, wer welchen Spieler zu decken hat und wer welche Räume besetzen muss", grantelte Gisdol. Von den kommunikativen Störungen auf Gästeseite profitierten die vorbildlichen Berliner Kopfarbeiter Niklas Stark (16. Minute, Ecke Plattenhardt) und Karim Rekik (50., Weiser). "Zwei aggressive, große Spieler mit gutem Timing. Wir sind froh, dass wir sie haben", klärte Plattenhardt später auf - für die Hamburger zu spät.

Auch zu spät kam deren Anschlusstreffer durch den eingewechselten Jungprofi Jann-Fiete Arp zum 2:1-Endstand (73.). Trainer Markus Gisdol darf in den kommenden Tagen nun zeigen, wie sturmerprobt er selbst ist. Einen ersten, deutlichen Hinweis, wie er seine Elf aus dem Dauertief heraus manövrieren will, gab der 48-Jährige schon nach Spielschluss: "Ich, als Trainer, werde den Druck auf die Mannschaft erhöhen, auf sonst niemanden", sagte Gisdol mit einer Miene, wie sie sonst nur alte, grimmige Seefahrer draufhaben. Von "strengeren Maßstäben", die er ansetzen wolle, sprach Gisdol noch, und von "anderen Wegen, die Dinge anzugehen". Vieles deutet darauf hin, dass sich neben Gisdol auch der eine oder andere HSV-Profi warm anziehen muss.

Auf Hertha-Seite dürfen die Protagonisten nach "einer Woche, die keinen Spaß gemacht hat" (Coach Pal Dardai) etwas befreiter ihrer Arbeit nachgehen. Trotzdem dürften nach dem 2:1-Sieg selbst bei Herthinho kaum Sambagefühle aufgekommen sein. Äußerst farblos wirkten ja alle Kicker in den ersten 45 Minuten. Die Hertha konnte nicht so recht Fußball spielen, wie sie vielleicht wollte, der HSV wollte gar nicht erst.

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Auf Berliner Seite schafften es Kapitän Vedad Ibisevic und Sturmpartner Salomon Kalou selten, die Bälle den nachrückenden Mitspielern zu servieren. Gefällige Kombinationen blieben so meist im Ansatz stecken. Und die offensive Dreier-Reihe der Hamburger mit Hahn, Wood und Kostic war nur auf dem Aufstellungsbogen eine solche. Lediglich Kostic kreierte mit Vorstößen über die linke Seite ansatzweise Momente, in denen Torgefahr für die Hertha hätte drohen können. Die beste HSV-Chance hatte aber bezeichnenderweise Douglas Santos in Folge einer kurz ausgeführten Ecke. Seinen feinen Schlenzer aus 22 Metern lenkte Hertha-Keeper Rune Jarstein gerade so um seinen rechten Torpfosten (29.). Der Rest war bieder, was - positiv formuliert - dann so klang: "Bis zum 2:0 ein total offenes Spiel" (Gisdol).

Gisdol wechselt Ito, Arp und Hunt ein - die Wende schaffen sie nicht

Nach Rekiks Kopfballtor in Minute 50 spielten die Herthaner besser auf, nach einem Fehlpass André Hahns bediente Plattenhardt den mitgelaufenen Lazaro. Dass dieser die Vorentscheidung verpasste, lag an HSV-Abwehrmann Papadopoulos, dem besten Gästespieler, der Lazaros Schuss zur Ecke grätschte (63.). Drei Minuten später beendete Papadopoulos auch ein beherztes Plattenhardt-Solo.

Hamburgs Fans waren da längst verstummt. Die eingewechselten Talente Tatsuya Ito, Fiete Arp und Altmeister Aaron Hunt sollten dies noch ändern. Während Ito über Außen fleißig und oft erfolgreich dribbelte, sorgte Hunt für mehr Struktur im Angriffsspiel. Arp wiederum besorgte mit seinem ersten Bundesligator den 1:2-Anschluss, Diekmeier und Papadopoulos hatten assistiert. Weil den insgesamt einfallslosen Hamburgern trotz einer zumindest leicht stürmischen Schlussoffensive das 2:2 versagt blieb, tanzten am Ende nur die Herthaner. Sehr zur Freude Pal Dardais, der ob der kritischen Heimatpresse befand: "Super, dass die Jungs dem Druck Stand gehalten haben." Ob die Hamburger das genauso schaffen, dürfte wohl erst gegen Ende der Saison beantwortet werden.

© SZ vom 29.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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