Holland-Coach Louis van Gaal:"Sie lieben einen Trainer, der so direkt ist"

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Die EM-Qualifikation verläuft unfallfrei, die Spieler verehren ihn: Nach seiner Trennung vom FC Bayern prägt Louis van Gaal den Neuaufbau der niederländischen Auswahl. Doch längst nicht alle halten ihn für einen super Typen.

Ulrich Hartmann

Das jüngste Rendezvous fand am Dienstag im "Haus zur Düne" statt. Das klingt romantisch, dabei entspricht das Verhältnis zwischen Louis van Gaal und den niederländischen Journalisten eigentlich nicht der Atmosphäre bei einem Candlelight-Dinner. Doch dieser Tage wirkt es harmonischer als sonst. Im Mannschaftshotel "Huis ter Duin" in Noordwijk an der Nordseeküste gab der 61-jährige Bondscoach den Fragestellern beim finalen Pressegespräch vor dem Länderspiel gegen Deutschland gut gelaunt Auskunft.

Mit Louis van Gaal wird es selten langweilig, und wenn man dem jungen Nationalspieler Eljero Elia glauben darf, sind derzeit alle begeistert vom Nationaltrainer. "Die Journalisten lieben ihn", behauptet Elia - zumindest provozieren sie ihn gern. "Wenn du gegen van Gaal reingehst, kommt van Gaal heraus", sagt Elia grinsend: "Er ist sehr direkt, alle wissen, was sie an ihm haben." Wenn man als Fußballer bereit sei, seinen Weg mitzugehen, "ist er ein super Typ", findet Elia.

Unter van Gaals Vorgänger Bert van Marwijk war das ein bisschen anders. "Nicht, dass er ein schlechter Trainer ist", schickt der für Werder Bremen aktive Elia vorweg, "aber viele Spieler haben unter van Marwijk nicht auf ihren eigentlichen Positionen gespielt; sie haben auf dem Platz gestanden, weil sie einen großen Namen hatten. Das ist jetzt anders: Wenn du Rechtsaußen bist, spielst du rechts außen, wenn du Linksaußen bist, spielst du links außen - van Gaal guckt nicht auf Namen, er guckt nur, wer gut drauf ist."

Gut drauf sind sie fast alle: die Altgedienten mit den großen Namen und die Talente aus der niederländischen Eredivisie, die van Gaal seit Amtsantritt im August in Scharen nominiert hat. Nach vier Siegen in vier Spielen (2:0 gegen die Türkei, 4:1 in Ungarn, 3:0 gegen Andorra, 4:1 in Rumänien) führen die Niederlande die WM-Qualifikationsgruppe D souverän an. Die Qualifikation zur WM (2014 in Brasilien) wird diesmal sicher kein Problem für van Gaal. Er könnte damit jenen Ruf als Bondscoach sanieren, den er vor elf Jahren ruiniert hatte.

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Am 1. September 2001 hatten die Niederlande unter van Gaal mit 0:1 gegen Irland verloren und die WM 2002 in Japan/Südkorea verpasst. Die Niederlage besiegelte das Ende der ersten Amtszeit van Gaals. Nach den seither verantwortlichen Trainern Dick Advocaat, Marco van Basten und Bert van Marwijk ist van Gaal nun zum zweiten Mal Trainer der Niederlande. Es ist sein erster Trainerjob seit der Entlassung beim FC Bayern im April 2011. Ein Engagement als Generaldirektor bei Ajax in seiner Geburtsstadt Amsterdam war zuvor von Johan Cruyff verhindert worden. Der mächtigste Strippenzieher des niederländischen Fußballs hält van Gaal mitnichten für einen super Typen.

Und da ist er nicht der Einzige. Nachdem van Gaal den FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß in einem Interview kürzlich für dessen übermächtige Position im Münchener Klub gegeißelt und ihm übertriebene Einflussnahme in mannschaftliche Belange vorgeworfen hatte, sprach Hoeneß dem Niederländer Defizite im Bereich der sozialen Kompetenz ab und behauptete: "Er ist, vielleicht mit Felix Magath der einzige Trainer, der nach seinem Job bei uns ein schlechtes Verhältnis zum Verein hat." Auch für van Gaal ist der Disput nicht ausgestanden. Über eine jüngst in deutschen Zeitungen erschienene Karikatur, in der Hoeneß als Krake an jedem Arm einen Bayern-Funktionär im Würgegriff hält, sagt van Gaal: "Ein sehr guter Comic!"

Nun hat Louis van Gaal noch nie erkennbar unter Selbstzweifeln gelitten, er hält sich grundsätzlich für einen der besten Trainer der Welt. Und er sieht sich bestätigt durch die Fortsetzung einer Serie: Die Niederlande haben über drei Turnierzyklen hinweg in 26 WM-Qualifikationsspielen nicht verloren. Seit jenem 0:1 in Dublin am 1. September 2001.

Die aktuellen Nationalspieler der Niederlande waren damals in der Pubertät. Sie lassen keine Vorbehalte erkennen. "Er legt großen Wert auf Disziplin und gibt den jungen Spielern viel Vertrauen, ich halte ihn für einen der besten Coaches überhaupt", sagt Schalkes Niederländer Ibrahim Affelay und fügt hinzu: "Man muss unter ihm allerdings auch hart arbeiten."

Klaas-Jan Huntelaar, ebenfalls beim FC Schalke 04 angestellt, hält van Gaals stetes Interesse an der Erneuerung einer Mannschaft durch junge Spieler für eine seiner wichtigsten Kompetenzen. "Er hat viele neue Spieler mit viel Potenzial in die Mannschaft geholt, und bis jetzt läuft es damit super für uns."

Doch erst nach dem Test gegen Deutschland, so sagt van Gaal selbst, "wissen wir, wo wir wirklich stehen". Vor allem die jungen Spieler müssen sich immer wieder bewiesen. Bruno Martins Indi, 20, Jordy Clasie, 21, und Daryl Janmaat, 23, von Feyenoord Rotterdam; Jetro Willems, 18, Luciano Narsingh, 21, und Kevin Strootman, 22, vom PSV Eindhoven; Ricardo van Rhijn, 21, von Ajax Amsterdam; Leroy Fer, 22, von Twente Enschede oder auch Marco van Ginkel, 19, von Vitesse Arnheim. Sie alle sind Talente, die in niederländischen Klubs spielen und bei van Gaal mehr Dankbarkeit als Ansprüche zeigen.

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Dass er mit solchen Burschen umgehen kann, hat van Gaal auch in München bewiesen, wo er etwa Holger Badstuber und Thomas Müller im Kader etablierte. "Die Jungs in Holland lieben einen Trainer, der so direkt ist", behauptet Eljero Elia: "Van Gaal sagt genau, was du machen musst, und wenn du das nicht machst, wirst du ausgewechselt."

© SZ vom 14.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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