Hoeneß vs. Fifa:Nie mehr Swasiland

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Bei der Attacke von Uli Hoeneß gegen die Fifa geht es um die Frage, wer künftig die Macht im Fußball hat: die Verbände oder die großen Klubs.

Christof Kneer

Nicht auszudenken, wenn die Bayern Wesley Snejider verpflichtet hätten. Dann hätte Uli Hoeneß vor einer Woche einen Anruf erhalten, der im Tegernseer Land ein mittleres Erdbeben ausgelöst hätte. Wer am Samstag sah, wie sich Hoeneß über die Verletzungen der HSV-Profis Paolo Guerrero und Collin Benjamin echauffierte, der möchte sich lieber nicht vorstellen, wie Hoeneß auf die Länderspiel-Blessur eines Bayern-Profis reagiert hätte. Snejider hatte sich vor einer Woche eine schwere Knöchelverletzung zugezogen, und für Hoeneß sind Länderspiel-Verletzungen grundsätzlich schlimmer als Vereins-Verletzungen. Noch schlimmer als Länderspiel-Verletzungen sind Testländerspiel-Verletzungen; und am allerschlimmsten sind Verletzungen aus Testländerspielen gegen den FC Tegernsee - eine Hoeneß-Chiffre für Nationalteams von Weltranglistenplatz zehn abwärts. Snejider verletzte sich gegen Japan, den 40. der Weltrangliste.

Wünscht sich Solidarität unter den Klubs: Uli Hoeneß. (Foto: Foto: ddp)

Snejider kuriert die Verletzung nun im Dienste Inter Mailands aus, Hoeneß dagegen hat all seine Robbens, Ribérys und Lahms gesund zurückbekommen. Auf dieses Detail wollte er am Samstag aber keine Rücksicht nehmen, er nahm stellvertretend übel. "Wenn ich in der Hamburger Situation wäre, würde ich gegen die Wand springen", zürnte Hoeneß. Den HSV-Profis Guerrero und Benjamin waren im Heimatdienst die Kreuzbänder gerissen, wobei Benjamins Blessur laut Hoeneß' Definition den Super-GAU darstellt. Er erlitt sie im Testspiel - "gegen Swasiland!" Swasiland liegt in der Weltrangliste auf Rang 156, kurz vor dem FC Tegernsee.

Es ist keine neue Debatte, die Hoeneß entfacht, man kann sich darauf verlassen, dass sie in jeder Länderspielpause wiederkehrt. "Diese Länderspiele gegen Aserbaidschan und Südafrika, das ist langsam Kokolores", polterte er und fügte spitz an, der FC Tegernsee sei "nicht viel schlechter als Aserbaidschan". Gegen Aserbaidschan, sagte er zu Journalisten, "da schießen Sie auch ein Tor". Die Klubs müssten sich "alle miteinander dagegen wehren, dass die Bundesliga zum 98. Mal unterbrochen wird wegen dieser Länderspiele. Da muss sich was ändern, sonst geht die Bundesliga kaputt." Die Klubs hätten wieder "den Dreck auszubaden".

Poltern mit Kalkül

Uli Hoeneß sitzt ja auf der Tribüne neuerdings, und man kann schon verstehen, dass einen dort oben noch mehr die Ohnmacht packt als drunten am Rasenrand. Hoeneß hat etwa 75 Millionen für neue Spieler ausgegeben; im Preis inbegriffen waren allerlei fußballerische Extras, aber eben auch verletzliche Kreuzbänder. So müssen Manager ständig eine umfassende Kapitalvernichtung befürchten, was den Managern schon deshalb nicht gefällt, weil es sich um ein einseitiges Risiko handelt. "Wenn sich die Klubs endlich mal solidarisieren können, dann müssen sie den Verbänden mal die Stirn zeigen und ihnen sagen, was das Wichtigste ist: der Vereins-Fußball. Der bezahlt die ganze Sache", schimpfte Hoeneß.

Im Grunde geht es in dieser folkloristisch klingenden Debatte um nichts weniger als um alles - nämlich wieder mal um die Frage, wer künftig die Macht im Fußball für sich reklamieren darf: die Verbände oder die großen Klubs. Die spannende Frage ist demnach, wieviel Bauchgefühl hinter Hoeneß' Gepolter steckt und wieviel Kalkül. Im Januar 2008 haben die Klubs den Verbänden ja schon umfassende Zugeständnisse abgerungen; so wurde verabredet, dass Uefa und Fifa als Ausgleich für die Abstellung von Nationalspielern üppige Summen an die Klubs ausschütten.

Die Uefa zahlt für die EM-Turniere 2008/2012 etwa 100 Millionen Euro, die Fifa für 2010/2014 etwa 110 Millionen. Sollten Europas Topklubs Hoeneß' Attacke zur neuerlichen Verschärfung der Debatte nutzen, so hätten sie neben der üblichen Forderung nach einer WM-Vorqualifikation eine weitere Waffe parat, welche die Fifa fürchtet: Vor Jahren haben die Klubs schon prüfen lassen, auf welcher Rechtsgrundlage die Fifa operiert, wenn sie die Klubs verpflichtet, ihre Profis für Turniere abzustellen. Sollten die Großklubs diesen Abstellungs-Passus erneut ins Visier nehmen, könnte es für die Fifa wieder teuer werden.

© SZ vom 14.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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