Hitze bei den Australian Open:Und, überlebt?

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Eisgekühlte Handtücher: Jelena Jankovic in Melbourne (Foto: Getty Images)

Bei den Australian Open schinden sich die Tennisspieler bei mehr als 40 Grad Celsius. Um für den schlimmsten Fall vorbereitet zu sein, hat die Turnierdirektion ihre alte "Extreme Heat Policy" wiederbelebt.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Der Kopf leuchtete knallrot, die Ohren glühten, das Shirt war durchgeschwitzt, das helle Grün in ein dunkles changiert. Drei Stunden und 41 Minuten hatte er ausgehalten auf Court 2 bei Temperaturen von fast 40 Grad, berichtete er erschöpft. Dann stöhnte er und plumpste wie ein nasser Sack auf einen Sitz.

Der freundliche Reporter aus Japan konnte einem leidtun. Aber was hätte er machen sollen? Aufstehen und das Match des in der Heimat als Superheld betrachteten Kei Nishikori sausen lassen? Wenigstens hat sich sein Einsatz gelohnt, er muss nicht aus dem wunderbaren Melbourne abreisen.

Der japanische Tennisprofi setzte sich in seinem Erstrundenspiel bei den Australian Open gegen den später aus Frust grandios maulenden Marinko Matosevic mit 6:3, 5:7, 6:2, 4:6, 6:2 durch - und doch war dieses Duell mit nationaler Beteiligung erst mal nicht "Talk of the Day". Der war ein verdammtes Hoch, das aus dem Outback Westaustraliens, begünstigt durch hinterhältige Nordwestwinde, mal eben vorbeischaute und die Metropole am Yarra River in einen Glutofen verwandelte.

Bei fast jeder der im 15-Minuten-Takt stattfindenden Pressekonferenzen lautete die Einstiegsfrage sinngemäß: Und, überlebt? Vor allem bei denjenigen Spielern, die ab dem Mittag eingriffen. Um drei Uhr nachts betrug die Temperatur im Melbourne Park schon 18,7 Grad, um halb zehn bereits 33,8, um 14 Uhr wurde die 40er-Grenze erreicht. Dann köchelte es mehrere Stunden vor sich hin, bis es dunkel wurde und alle gar waren. Wenigstens mussten die Erstrundenpartien am zweiten Turniertag nicht abgebrochen werden.

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Diese Maßnahme hatte sich ja die Turnierleitung besorgt überlegt und eine in früheren Jahren aufgesetzte "Extreme Heat Policy" wiederbelebt, um vorbereitet zu sein für den ganz schlimmen Fall.

"Es war sehr trocken, einfach heiß, eine stechende Sonne eben", schilderte Roger Federer, der indes befand, dass es eher "eine mentale Sache" gewesen sei, sich zu schinden. Die frühere langjährige Nummer eins tat es erfolgreich bei seinem Debüt mit dem als Trainer reaktivierten Stefan Edberg, 6:4, 6:4, 6:2 besiegte er den Australier James Duckworth. Nur einmal im zweiten Satz hätte er zu dem Schweden in die Box geguckt, "ich suche ohnehin nicht so oft Blickkontakt. Ich wollte nur sichergehen, dass er noch da ist", erzählte der Schweizer.

Auch Edberg, selbst Gewinner der Australian Open (1985 und 1987), hielt der Hitze stand, die aber keinen Rekord darstellte. Der stammt aus dem Jahr 1936; damals wurden 45,6 Grad gemessen.

Den Spielern halfen insbesondere mit Eiswürfeln gefüllte Beutel, die sie sich beim Seitenwechsel wie einen Schal um den Hals legten. Manche verwendeten auch stark gekühlte Handtücher, getrunken wurde kübelweise. "Man konnte sich ein kleines Omelette braten", berichtete etwa der Franzose Jo-Wilfried Tsonga, der dafür sicher auch die Zeit gehabt hätte bei seinem lockeren Sieg gegen Filippo Volandri, am Ende gewann er 7:5, 6:3, 6:3. Matosevic wiederum verbrauchte fünf Flaschen mit Elektrolyten, fünf Flaschen Wasser, schlürfte mehrere Energiegels, aß überdies viele Bananen. Aber auch er musste darauf achten, die Mengen zu begrenzen.

Turnierarzt Tim Wood hatte auf einer Pressekonferenz nur zu diesem Thema davor gewarnt, nicht zu viel zu sich zu nehmen. "Wir hatten noch nie Spieler hier, die wegen Dehydration gestorben wären. Aber wir hatten schon welche, die fast gestorben wären, weil sie zu viel getrunken haben." Er klang sehr ernst.

Alle Profis waren zum Turnierstart über die richtigen Verhaltensweisen beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres informiert worden. Infusionen etwa, erklärte Wood weiter, gebe es im Notfall nur im Krankenhaus und auf Eigeninitiative, wegen der Auflagen der Welt-Anti-Doping-Agentur sei es nicht gestattet, ausgelaugten Spielern direkt auf der Tennisanlage Kochsalzlösungen zu verabreichen.

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Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Nur sechs Spieler gaben letztlich an diesem Tag verletzt auf, keiner wegen der Temperaturen. Das spricht für die Vorbereitung aller auf diesen Tag. Die Einzige, die einen Schwindelanfall und Krämpfe erlitten hatte, war die Niederländerin Kiki Bertens - tags zuvor während ihrer Niederlage gegen Ana Ivanovic und bei 31 Grad.

In den Abendstunden gesellte sich zur Debatte um die Hitze dann doch noch eine besondere sportliche Geschichte, die ganz nach dem Geschmack der Australier war, wenngleich mit dem falschen Sieger. Lleyton Hewitt führte mal wieder eines dieser typischen Stücke auf, wofür ihn seine Landsleute schätzen.

Vier Stunden und 18 Minuten lang malträtierten sich der vielfach erprobte Marathonmann und Andreas Seppi, fast vier Stunden davon war es über 40 Grad warm, die letzte halbe Stunde kühlte es ab - auf 39,6 Grad. Der Südtiroler führte scheinbar sicher mit 7:6 (4), 6:3, dann erlitt er Krämpfe in den Händen. "Irgendwie bin ich im Match geblieben, dann ging es wieder", verriet er später beim Interview mit dem Stadionmoderator und früheren Profi Jim Courier.

Nachdem Hewitt die Sätze drei und vier mit 7:5, 7:5 gewonnen hatte, wehrte Seppi bei 4:5 im fünften Satz einen Matchball ab, schaffte das Break zum 6:5 - und servierte zum Sieg.

Ehe Rafael Nadal und Bernard Tomic auf den Platz schritten, um die Night Session zu eröffnen (Tomic gab beim Stand von 4:6 verletzt auf), gab es noch eine kurze Durchsage in der Rod Laver Arena: Die Zuschauer sollten bitte zu Fuß in die Stadt gehen. Wegen der Hitze würden leider gerade keine Züge mehr fahren.

© SZ vom 15.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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