Hertha BSC gegen die Eintracht:"Der Wille war da, die Punkte sind nicht da"

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Wieder da: Pal Dardai. (Foto: KAI PFAFFENBACH/REUTERS)

Pal Dardai setzt bei seinem Trainer-Comeback auf altbewährte Taktik - und tauscht den Torwart aus. Zum Erfolg führt das nicht, weshalb jetzt offenbar Sami Khedira nach Berlin wechseln soll.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Das mit dem großen Fußball haben sie in Berlin noch nicht geschafft, aber der selbst ernannte "Big City" Klub scheint zumindest beim Personal weiterhin Großes vorzuhaben. Am Samstag hatte sich gezeigt, dass die Hertha auch nach der Rückkehr von Pal Dardai ins Traineramt noch arge Probleme hat, Spiele zu gewinnen. So lässt sich erklären, dass schon an diesem Sonntag der Name Sami Khedira als Zugang kursiert. Was der Kicker berichtet, klingt sogar bereits ziemlich konkret.

Demnach steht noch am Sonntag der Medizincheck des 33-Jährigen in der Hauptstadt an. Für Khedira wäre es eine kleine Flucht aus seiner jetzigen Situation, denn bei Juventus Turin spielt er nach einigen gesundheitlichen Problemen seit Monaten keine sportliche Rolle mehr. In dieser Saison durfte er überhaupt noch nicht mitspielen - da passt es, dass sie in Berlin einen Mann mit Erfahrung suchen. Von der Hertha oder Khediras Berater gab es vorerst keine Stellungnahme zu dem möglichen Transfer, aber der Ex-Weltmeister hatte immer wieder angedeutet, dass er gerne weiter Fußball spielen würde.

Und Dardai ließ durchblicken, dass er sein Team nur zu gerne noch verstärken würde. Der Ungar hatte sich am Samstag dazu entschieden, als Schutz gegen den fiesen Schneeregen ein Winterjacke in Hertha-Farben und eine einfachen Kappe aufzutragen. Womit die äußeren Bedingungen für die Bundesliga-Rückkehr des alten und neuen Hoffnungsträgers zur tabellarischen Tristesse passte: Der um Selbstfindung bemühte Hauptstadtklub wirkte beim 1:3 gegen Frankfurt nämlich ziemlich angeschlagen - und nun kommt nächste Woche noch der FC Bayern ins Olympiastadion. "Der Wille war da, die Punkte sind nicht da", sagte Dardai, der beinahe trotzig im Presseraum der Frankfurter Arena gute Laune verbreitete, nachdem der Berliner Pragmatiker zuvor jeden einzelnen Berliner Akteur auf dem durchweichten Rasen aufgemuntert hatte.

Nach erst vier gemeinsamen Trainingseinheiten, erklärte Dardai, sei eigentlich alles okay gewesen, "nur das Ergebnis war nicht okay." Er habe "die letzte Konzentration, die letzte Gier" vermisst, das eigene Tor zu verteidigen. Speziell seinen Innenverteidigern Niklas Stark und Jordan Torunarigha, die in den entscheidenden Kopfballduellen nicht aufgepasst hatten, wollte der 44-Jährige indes "keinen Vorwurf machen." Sein Urteil: "Nach der Führung hat die Erfahrung gefehlt, wie man mit einem 1:0 umgeht."

Dardai wechselt auf gleich fünf Positionen

Jenes von Dardai gemeinsam mit dem zum Sportdirektor ernannten Arne Friedrich mit einem fast rührigen, in Zeiten des Virus aber doch auch befremdlich wirkende Tête-à-Tête gefeierte Führungstor erzielte der Pole Krzysztof Piatek im Stile eines Torjägers (66. Minute). Just, als sich die Hertha immer besser aus der Klammergriff eines vor Selbstbewusstsein strotzenden Gastgebers befreit hatte. Danach aber ließ sich Hertha doch übertölpeln, was der Berufsrealist auf der Trainerbank beinahe einkalkuliert hatte. Wie schon in seiner ersten Amtszeit zwischen Februar 2015 und Sommer 2019 hat der Ungar den Spielplan in Vierer-Blöcke unterteilt, für die es streng geheime Punktevorgaben gibt - in den ersten Block, verriet der Coach, "habe ich nicht so viele Punkte geschrieben". Neben den Bayern kommen auch noch die Partien beim VfB Stuttgart und gegen RB Leipzig dazu.

Auch die taktische Herangehensweise scheint sich nicht sonderlich vom Vorgehen in Dardais erster Amtszeit zu unterscheiden. Das erste Augenmerk galt einer geordneten Defensive, die dem Gegner deutlich weniger Räume anbot als noch unter Bruno Labbadia. Dardai wechselte auf gleich fünf Positionen: Er besetzte die Mittelfeld-Zentrale mit Störenfried Santiago Ascacibar und tauschte in letzter Instanz gleich noch den Torwart aus. Rune Jarstein stand für Alexander Schwolow zwischen den Pfosten. Er habe mit dem vor Saisonbeginn vom SC Freiburg geholten Schlussmann gesprochen, sagte der Hertha-Trainer zur Begründung für diese überraschende Rochade: "Alex ist ein guter Torwart, aber er kein Torwartglück gehabt. Jetzt macht er ein bisschen Pause."

Die könnte aber länger dauern, weil der routinierte Jarstein, 36, beim Saisondebüt nicht nur ein sicherer Ruhepol war, sondern mit starken Paraden gegen Daichi Kamada (28.) und vor allem André Silva (43.) überhaupt das torlose Remis in die Pause rettete.

Die Eintracht zieht selbst die umkämpften Partien noch auf ihre Seite

Dass die Eintracht dennoch den siebten Bundesliga-Sieg im achten Spiel feierte, dafür konnte der norwegische Keeper am wenigsten. Just nach dem Rückstand schlugen die Hessen mit eiskalter Effizienz und individueller Klasse zurück. Erst bugsierte Silva den Ball gekonnt mit dem Kopf nach einer Flanke von Filip Kostic zum 1:1 über die Linie (67.), dann köpfte der aufgerückte Martin Hinteregger entschlossen zum 2:1 (85.) nach Flanke des eingewechselten Almamy Touré über die Linie. "Der postwendende Ausgleich war sicherlich der Knackpunkt", sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter. Der Österreicher bejahte die Feststellung ausdrücklich, dass sein Ensemble derzeit im Stile einer Spitzenmannschaft auftritt.

Die Eintracht zieht selbst die umkämpften Partien in diesem Jahr noch auf ihre Seite. "In der Vorrunde hätten wir vielleicht unentschieden gespielt", sagte Hütter, der mit der Einwechslung von Luka Jovic nach einer Stunde einen entscheidenden Schachzug einbrachte. Zwar wirkte der serbische Wunderstürmer ausgesprochen blass, aber allein seine Anwesenheit schien die Hertha-Deckung zu verwirren. Silva verwandelte am Ende noch einen Foulelfmeter zum 3:1 (90.+5) und steht nun bei stolzen 16 Saisontreffern.

Der in jungen Jahren von Cristiano Ronaldo als sein legitimer Nachfolger geadelte Portugiese hat seit dem Re-Start im Mai 2020 saisonübergreifend 24 Mal getroffen - eine Quote aus Robert-Lewandowski-Sphären. "Man muss den Spieler auch mal Zeit geben, den Fußball in Deutschland, das Umfeld und die Sprache kennenzulernen", sagte Hütter über einen Angreifer, der laut Sportvorstand Fredi Bobic längst noch nicht am Limit angelangt ist. Wer wollte, konnte daraus einen forschen Frankfurter Anspruch beim sich zuspitzenden Kampf um die Champions-League-Plätze ableiten.

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