FC Bayern:Wieder komplett in der Spur

FC Bayern: Thomas Müller (li.) und Serge Gnabry feiern Gnabrys Tor zum 4:1.

Thomas Müller (li.) und Serge Gnabry feiern Gnabrys Tor zum 4:1.

(Foto: Andreas Gebert/AFP)

Der FC Bayern gewinnt gegen Hoffenheim das vierte Bundesligaspiel in Serie und lässt der Liga erstmal keine Chance. Anteil daran hat der neue Maschinenraum aus Joshua Kimmich und Marc Roca.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Marc Roca blickte zur Seitenlinie, er drehte den Kopf in Richtung des Leuchtschilds. Eine kurze Bewegung im Nacken nur, mit der er zuvor auch das Geschehen auf dem Platz fachmännisch sondiert hatte. Draußen erstrahlte seine Rückennummer, die 22, in rotem Licht; er wusste, er musste raus. Roca trabte los in dieser 70. Minute, aber er ahnte bereits, dass er einen sehr ordentlichen Job gemacht hatte bei seinem Bundesliga-Debüt in der Startelf. Es stand in diesem Moment 4:1 gegen die TSG Hoffenheim, jenen Gegner, der im Hinspiel noch 4:1 gewonnen hatte gegen den FC Bayern. Damals spielte Roca noch in Spanien.

Und, nanu? Was war das? Tatsächlich! Da stand sein Trainer Hansi Flick im äußersten Eck seiner Coaching-Zone und klatschte ihm Beifall. Flick klatschte, als wollte er sagen: Roca, mein Junge, das war nicht dein letzter Einsatz in der Startelf. Flick klatschte, dann tat sich die Erde auf in der Arena und Roca verschwand im Untergrund.

Nach der Partie klang Flick eher sachlich als euphorisch: "Es war wichtig, dass er gespielt hat. Dass er im Ballbesitz gefallen hat", sagte er über Roca. "Er kann zufrieden sein mit dem, was er auf dem Platz gezeigt hat."

Die Bayern haben sich am Samstag nicht nur revanchiert für die Niederlage in der Hinrunde. Als sie, ermattet vom dicht getakteten Spielprogramm, überrannt worden waren von ausgeschlafenen Hoffenheimern. Sie haben sogar ein kleines bisschen Rache genommen, indem sie ihre Gästen bis weit in die zweite Halbzeit im trügerischen Gefühl ließen, sie könnten abermals bestehen gegen die Übermacht des Triple-Siegers. "Wir haben jetzt vier Spiele hintereinander gewonnen. Es war nicht alles top, aber insgesamt bin ich zufrieden. Was die Ergebnisse anbelangt, sind wir wieder in der Spur", meinte Flick nüchtern.

Tolisso bekommt eine "empfindliche Geldstrafe"

Der Linksfuß Marc Roca Junqué, 24, aus Vilafranca del Penedès in Katalonien, den Sportvorstand Hasan Salihamidzic im Oktober als Last-Minute-Transfer beim Zweitligisten Espanyol Barcelona erstand, hatte seinen Anteil an diesem letztlich verdienten Sieg. Roca oblag ja zweierlei: Er musste einerseits versuchen, das Spiel an der Seite von Joshua Kimmich zu justieren im Maschinenraum des FC Bayern. Und zweitens dabei den Beweis antreten, dass Salihamidzic im Spätherbst einen Fußballer erworben hatte, den Flick auch auf dem Rasen und nicht nur zum Auffüllen der Rubrik "Einwechselspieler" auf dem Spielberichtsbogen gebrauchen kann.

Dass Roca auflaufen durfte, hatte er dennoch hauptsächlich dem Coronavirus zu verdanken. Dieses hatte sich bei den Bayern ausgerechnet in zwei Wirten eingenistet, die große Expertise darin besitzen, das Mittelfeld des FC Bayern zu bestellen. Javi Martínez und Leon Goretzka befinden sich in häuslicher Quarantäne. Nicht positiv getestet auf das Virus, dafür aber auf wenig intelligentes Verhalten, wurde zusätzlich ihr Mannschaftskamerad Corentin Tolisso. Er ließ sich trotz der für alle Profis geltenden Corona-Auflagen ein Tattoo stechen. Man weiß das, weil er noch bei der eigenen Überführung mithalf, indem er sich beim Stechen ohne Mund-Nasen-Schutz filmen ließ. Für die illegale Hautpinselei brummten ihm die Bayern eine "empfindliche Geldstrafe" auf, die gespendet werden soll, wie der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge kundtat.

Neuer rettet gegen Bebou

Die psychologischen Folgen des Hinrunden-Schocks, den die Bayern in Hoffenheim davongetragen hatten, sah man zu Beginn. Flick ließ seine für ihre Angriffe gefürchteten Außenverteidiger auffallend wenig weit ins Feindesland vorrücken. Die Hoffenheimer - aufgestellt von Sebastian Hoeneß, Neffe des Münchner Vereinsheiligen Uli, Sohn von Dieter - traten wie erwartet respektlos auf an der alten Wirkungsstätte ihres Trainers. Hoeneß hatte im ersten und wohl leider nicht letzten Corona-Sommer der Menschheitsgeschichte die zweite Mannschaft der Bayern zur Drittliga-Meisterschaft gecoacht. Danach war er abgeworben worden. An guten Tagen lässt Hoeneß sein Team einen aggressiven, ungemein körperlichen Fußball spielen. Und der Samstag war kein schlechter Tag für Hoffenheim.

Acht Minuten waren gespielt, da tauchte der Stürmer Ihlas Bebou vor Torhüter Manuel Neuer auf, der die Chance nutzte, seine exzellente Fußabwehr unter Beweis zu stellen. Hoffenheim drückte und drängte, die Bayern antworteten mit bewährten Maßnahmen: Sie zogen ihr gefürchtetes Kurzpassspiel auf. Weit vor drangen sie damit zunächst zwar nicht. Die anfängliche Nervosität der Münchner trat hörbar zu Tage, als Kimmich Schiedsrichter Benjamin Cortus nach einem ganz gewöhnlichen Foul verbal zusammenstauchte: "Hey Schiri! Was war das bitte für ein Foul?! Ein gewöhnliches?!"

Hoffenheim spielt stark mit

Wenn die Münchner zu Beginn glänzten, dann mit kreativen Einzelaktionen, die bei den Bayern in das Ressort von Thomas Müller fallen - er lupfte den Ball an die Latte (15.). Danach ging es munter hin und her. Die Münchner trieben das Spiel mit Vorliebe durch das Zentrum, die Hoffenheimer ihres über die Flügel. Dass die Bayern die Mitte okkupiert hielten, war das Verdienst des Wellenbrechers Roca, der Kimmich die Offensivarbeit überließ. Vom linken Flügel schickte Torjäger Andrej Kramaric den Ball in die Mitte, er sauste knapp vor dem Tor wie ein Tiefflieger über Bebous Kopf hinweg, dass sich dessen Haare in der Zugluft bogen.

Die Gäste waren mutig, frech, ja, man durfte sagen: sogar näher an der Führung. Aber wenn ein Gegner so aufmüpfig und ineffizient spielt wie am Samstag Hoffenheim, oder eine Woche vorher die Schalker bei ihrem 0:4, dann antworten die Münchner gerne auf humorlos, prosaische Weise: Kimmich servierte eine Ecke, Jérôme Boateng drückte sie mit der Stirn ins Netz (32.). Und nachdem Müller elf Minuten später nach Doppelpass mit Lewandowski von der Strafraumgrenze erhöhte, hätten die Bayern mit etwas mehr Konzentration eine Zwei-Tore-Führung in die Pause retten können. Doch diesmal tauschten Bebou und Kramaric die Rollen: Bebou flankte von rechts, Kramaric traf per Linksschuss (44.). Und die Partie war wieder offen.

Lewandowski und Gnabry mit der Entscheidung

Wild entschlossen, sich ihrem Schicksal entgegen zu stemmen, kehrten die Hoffenheimer auf den Rasen zurück. Christoph Baumgartner drosch den Ball aus zentraler Position direkt in die Arme von Neuer (46.) und mit jeder vergebenen Chance wuchs die Verzweiflung der TSG. Die Bayern ernähren sich von der Verzweiflung ihrer Gegner. Sie streichen noch süßen Senf drauf. Und so kam es, wie es (fast) immer kommt: Der unersättliche Robert Lewandowski bekam nach einer Hereingabe von Kimmich den Fuß in einen verpatzten Rettungsversuch von Stefan Posch - das 3:1 (57.). Und Serge Gnabry durfte sechs Minuten danach sogar noch den ansonsten tadellosen Torwart Oliver Baumann tunneln.

"Oioioioi!" rief der Stadionsprecher, der ja seit Ausbruch der Pandemie für ein überschaubares Publikum moderiert, als er glaubte, Benjamin Pavard habe sogar noch das 5:1 erzielt. Der eingewechselte Leroy Sané stand nach Videobeweis allerdings im Abseits. Oioioioi, das sollte wohl heißen: Es wäre garantiert das eine Tor zu viel gewesen für die Bayern.

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