Hertha BSC:Zehnkommafünf Prozent Zinsen

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Welche Sicherheiten gibt der neue US-Investor? Hertha-Präsident Kay Bernstein (links) mit Josh Wander, dem CEO von 777 Partners. (Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch / Imago)

Die Lizenz für die zweite Liga wurde erteilt, aber die finanziellen Sorgen bleiben: Um die Gläubiger von der Verlängerung einer 40-Millionen-Anleihe zu überzeugen, werfen sich die Berliner vor ihnen auf die Knie.

Von Javier Cáceres, Berlin

Aus der Geschichte diverser Staatsfinanzkrisen, etwa in Griechenland und Argentinien, weiß man: Wenn sich das gemeine Fußvolk über Zinssätze auf Staatsanleihen und Ratingagentur-Noten unterhält, dann wird's ernst. Hertha BSC ist zwar kein Staat, sondern ein Berliner Profifußballunternehmen, das gerade den Abstieg in die Zweitklassigkeit zu beklagen hat. Aber satt verschuldet ist Hertha auch. Und in den vergangenen Tagen sorgte unter den Anhängern des Klubs nun ein besonderer Wert für höchste Aufregung: Ein Zinssatz von 10,5 Prozent, den Hertha jetzt bietet, um seine Anleger von der Verlängerung einer sonst im November fälligen Anleihe über 40 Millionen Euro zu überzeugen. Zehnkommafünf Prozent: Das klingt eher nicht gesund, sondern mehr nach Pleitegriechen und Ramsch, um ein paar verwerfliche Wörter aus der Euro-Krise zu bemühen.

Zur Erinnerung: Hertha BSC hatte wenige Tage vor dem Ende der soeben abgelaufenen Saison seine Anleihegläubiger um den Aufschub der Rückzahlung jener 40 Millionen Euro angefleht. Seinerzeit wurde die Verlängerung der Anleihe bis November 2025 als "der wichtigste Baustein für Hertha" bezeichnet, um von der Deutschen Fußball-Liga DFL die Lizenz zu erhalten - sprich: um in der zweiten Liga weiter Profifußball betreiben zu können. Deshalb, so der Klub damals, biete man 8,5 Prozent statt der bisher geltenden 6,5 Prozent Zinsen pro Jahr.

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Hertha BSC will die Tilgung seiner 40 Millionen Euro schweren Anleihe auf 2025 verschieben - und entwirft ein Horrorszenario für die Anleger, sollten sie nicht zustimmen: Verlust der Zweitliga-Lizenz und Insolvenz.

Von Javier Cáceres

Die Lizenz, das steht seit einigen Tagen fest, ist nach Wochen und Monaten des Bangens erteilt worden. Interessant ist die Frage, wie der streng nicht-öffentliche Lizenzierungsprozess erfolgreich abgeschlossen werden konnte. In irgendeiner Form muss Hertha BSC der DFL dargelegt haben, wie diese 40 Millionen Euro bedient werden, sollten sie für den Verein doch schon im November 2023 fällig werden. Diese Gefahr besteht ja - und würde die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Hertha in der kommenden Saison berühren.

Ein schon länger zirkulierendes Gerücht ist, dass der Anfang des Jahres bei Hertha eingestiegene US-Investor 777 Partners eine Sicherheit hinterlegt hat, in welcher Form auch immer. Eine Anfrage dazu an 777 Partners blieb unbeantwortet, die DFL und der Verein wollten den Vorgang nicht kommentieren - unter Verweis auf die "strikte Vertraulichkeit des Lizenzierungsverfahrens", dem man "selbstverständlich Rechnung tragen" wolle.

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Offenkundig scheint zu sein: 777 Partners wollte die 40 Millionen Euro nicht einfach cash zur Verfügung stellen. Andernfalls hätte Hertha das - wohl am Ende teurere - Verlängerungsverfahren für die Anleihe gar nicht erst anstoßen und nun auch nicht aufpeppen müssen. Eine Möglichkeit wäre: 777 Partners zieht die etwaige Bereitstellung einer wie auch immer gearteten Sicherheit über 40 Millionen Euro von jenen 100 Millionen Euro ab, die der neue US-Investor der Hertha als Gesamtsumme und ligaunabhängig versprochen, bislang jedoch nur teilweise ausgezahlt hat.

So oder so bleibt die Verlängerung der Anleihe ein zentrales Anliegen des Klubs, beziehungsweise "ein "wesentlicher Baustein, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten", wie Hertha-Geschäftsführer Thomas E. Herrich unterstrich. Der Klub wirft sich in der Sache regelrecht auf die Knie: Man richte die "dringende" Bitte an die Gläubiger, "der vorgeschlagenen Anpassung der Anleihebedingungen in ihrer verbesserten Fassung bis zum 19. Juni 2023 zuzustimmen". Dies habe bereits "einer der größten Anleihegläubiger" versprochen, der nicht namentlich genannt wurde.

Mit diesem Unbekannten, heißt es weiter, herrsche "große Einigkeit" darüber, die Zinsprämie anzuheben. Frei übersetzt: Der Gläubiger habe bei 8,5 Prozent Zinsen noch abgewinkt, bei 10,5 Prozent aber eingewilligt, in Sachen Hertha ins Risiko zu gehen. Risiko? Nun ja: Die Anleihe ist unbesichert. Und wie Hertha binnen zwei Jahren 40 Millionen Euro plus eine rund zweistellige Millionensumme für fällige Zinsleistungen erwirtschaften will, das bleibt eine gute Frage.

Hertha zufolge liegt die Zustimmung zur Anleihe- Verlängerung zurzeit bei 22 Prozent. Das liest sich nicht gerade so, als herrsche am Markt größeres Vertrauen in die Führungskräfte des Klubs - wobei weitgehend unklar ist, in wessen Händen die Bonds sich befinden, wer also von den prächtigen Zinssätzen am Ende profitieren würde. Ein paar gewiefte Zocker werden unter den Anleihegläubigern schon sein, das nötige Quorum kann im Wege einer Zitterpartie vielleicht noch erreicht werden. Und wenn nicht? Dann wird die Möglichkeit eines weiteren Verfahrens in den Raum gestellt. Zu dann noch besseren Zinssätzen?

Gleichzeitig versucht Hertha, wie der Lokalpresse zu entnehmen war, ihre Verträge mit dem Sportrechtevermarkter Sportfive, mit dem Ausstatter Nike und mit dem Stadion-Caterer Aramark vorzeitig zu verlängern. Offenkundig mit dem Ziel, durch "Signing Fees", also Vertragsabschlussprämien, sofort an frisches Geld zu kommen, das man dann unter Umständen von den Einnahmen der Zukunft abziehen würde. Von Hertha gab es hierzu keinen Kommentar, man wolle sich an solchen Spekulationen nicht beteiligen.

Ein neuer Trikotsponsor wird derweil auch gesucht - unter anderem bei Instagram. So oder so zeichnet sich ab, dass Hertha mit der Last einer schweren Hypothek in die neue Saison geht. Der alte und neue Trainer Pal Dardai ist quasi dazu verdammt, sofort wieder aufzusteigen - mit einem Kader, der noch nicht mal in Umrissen zu erkennen ist.

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