Bayer 04 Leverkusen:Herrlich siegt und steht vor dem Aus

Lesezeit: 3 min

Heiko Herrlich. (Foto: dpa)
  • Bayer Leverkusen gewinnt gegen Hertha BSC mit 3:1 und holt den zweiten Sieg in Serie.
  • Trotzdem scheint die Ablösung von Trainer Heiko Herrlich beschlossene Sache zu sein. Von den Verantwortlichen wollte sich nach dem Spiel niemand dazu äußern.
  • Peter Bosz, vergangene Saison in Dortmund entlassen, könnte sein Nachfolger werden.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Kann man einen Trainer entlassen, der soeben sechs Punkte aus einer englischen Woche geholt hat? Das ist die Frage, die die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen bis zum Start der Rückrunde, vielleicht aber schon vor Weihnachten beantworten werden. Nach dem 3:1 (2:1)-Erfolg gegen Hertha BSC wollte kein Klub-Chef über die Zukunft von Heiko Herrlich sprechen, aber unter der Woche hatte Sportdirektor Rudi Völler eingeräumt: "Natürlich weiß auch Heiko, dass wir uns nach dem letzten Spiel zusammensetzen und ein Fazit ziehen." Der Trainer zählte seinerseits ein paar Fakten auf - 13 Punkte aus den vergangenen sechs Liga-Spielen, mit 24 Zählern nur drei weniger als zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres -, doch insgesamt bemühte er sich um Sachlichkeit: "Ich beschäftige mich mit solchen Themen nicht", sagte er. "Ich verstehe mich als Diener des Vereins, und solange ich das sein darf, werde ich meine Aufgabe mit Leidenschaft erfüllen."

Es ist nicht so, als gäbe es einen großen Herrlich-Chor unter den Leverkusener Bürgern oder eine Online-Petition, um ihn im Amt zu halten. Und auch die Spieler rührten nicht groß die Trommel für ihren Coach. "Ich habe hier schon einige Trainer erlebt", sagte Nationalspieler Julian Brandt, 22. "Es macht keinen Sinn, sich darüber einen Kopf zu machen. Die Verantwortlichen werden die richtige Entscheidung treffen. Mir ist relativ wurscht, ob sie sich jetzt noch zusammensetzen und analysieren." Sein erneut überragender Mittelfeld-Partner Kai Havertz sagte zwar, man habe durchaus gezeigt, "wie wir mit Heiko Herrlich erfolgreich sein können", aber er halte sich heraus. "Das können wir sowieso nicht beeinflussen."

Ein traumhafter Spielzug über sieben Stationen

Das freilich ist nicht ganz richtig, denn das Leverkusener Problem ist ja auch, dass die Mannschaft den Trainer oft schlecht aussehen lässt, indem sie in einigen Momenten zeigt, was sie kann - und damit gleichzeitig das Rätsel aufwirft, warum sie dies nicht häufiger tut. "Wir sind nicht immer an unsere Leistungsgrenze gegangen", gab der 19-jährige Havertz zu. Der Angriff, der früh zum 1:0 gegen Berlin führte (5. Minute), war ein Muster dafür, wie der Klub mit seinem spielstarken Kader agieren kann: Aus einer Verlegenheit in der eigenen Spielhälfte heraus entwickelte sich ein Bilderbuchkonter über sieben Stationen, inklusive zweier Flügelwechsel, feiner Kurzpässe und dem entschiedenen Abschluss von Kevin Volland aus sechs Metern, geschickt gegen den Lauf von Berlins Torwart Rune Jarstein.

Leverkusen bestimmte die Partie und profitierte bald danach von einem Tor, wie man es in Profiligen selten sieht: Bei einem Rückpass des Hertha-Verteidigers Torunarigha blickte Jarstein nicht immer auf den Ball und konnte nicht mehr reagieren, als dieser über einen Hubbel unkontrolliert zur Seite rollte. Dort lauerte Havertz, der sich die Kugel vom rechten Fuß gegen das linke Schienbein schoss, von wo sie zum 2:0 über die Torlinie kullerte (23.). "Das war nicht so einfach wie es aussah", sagte Havertz, der über die Szene herzlich lachen konnte, ganz im Gegensatz zum Gästetrainer: "Das zweite Gegentor kann man nicht akzeptieren", grantelte Pal Dardai.

Was danach folgte, war allerdings ein Beleg dafür, warum es in Leverkusen in beinahe keiner Partie reibungslos gelaufen ist, oder, wie es Heiko Herrlich ausdrückt: "warum wir keine Konstanz reinbekommen haben". Denn statt nun einen ruhigen Nachmittag zu verleben, kassierten die Leverkusener bei nächster Gelegenheit selbst ein kurioses Gegentor: Volland schien einen Eckball geklärt zu haben, doch vom schnell reagierenden Lustenberger kam der Ball per Kopf Richtung Fünfmeterraum, wo Torunarigha volley abschloss (26.). Das war der eine Moment, den es brauchte, um Leverkusen zu irritieren. Die Hertha entblößte bis zur Halbzeit immer wieder die Lücken auf der linken Abwehrseite des Gegners, wo oft ein Mann fehlte, weil die rochierenden Brandt und Bailey nicht diszipliniert genug nach hinten arbeiteten.

Den "richtigen" Moment zur Entlassung verpasst

Bayer rettete sich in die Pause und kehrte tatendurstig zurück - doppelt assistiert von den Gästen. Als Leckie verletzt behandelt wurde und Berlin minutenlang keinen Wechsel vornahm, durfte Leverkusens Aránguiz den Ball unbehelligt durch das Mittelfeld treiben und dann in aller Ruhe einen Pass in den Lauf von Havertz lupfen, der dann seinerseits den Ball in Seelenruhe mit dem linken Außenrist über Rune Jarstein lupfte (49.). Danach gab es noch ein paar Chancen - Herthas Lustenberger klärte auf der Torlinie (78.), Leverkusens Torwart Hradecky parierte glänzend gegen Selke (81.) -, doch es blieb beim 3:1 und der bohrenden Frage: Wie entledigt sich Bayer nun eines Trainers, bei dem man mindestens zweimal einen deutlich günstigeren Zeitpunkt der Entlassung verstreichen ließ. Als Herrlich Ende Oktober schwer angezählt war, wollten die Klub-Verantwortlichen zunächst das Spiel bei den damals überragenden Bremern abwarten. Das gewann der Werksklub dann freilich mit 6:2, und wenige Tage später zerlegten Havertz & Co. die Gladbacher Borussia im Pokal mit 5:0. Woraufhin Herrlich erst einmal unantastbar war.

Und jetzt soll der Schlussstrich gezogen werden nach zwei Siegen am Stück und einer beträchtlichen spielerischen Steigerung im Vergleich zum "beschissenen" (Brandt) 2:1-Erfolg unter der Woche bei Schalke 04? Laut Boulevard-Medien soll Peter Bosz bereits verpflichtet worden sein, obwohl dieser vor einem Jahr nach verheißungsvollem Auftakt bei Borussia Dortmund krachend gescheitert war. Wie auch immer: Man darf gespannt sein, ob die rhetorischen Kunststücke in Leverkusen mit den spielerischen Finessen von Kai Havertz standhalten können.

© SZ vom 23.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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