Marina Hegering:"Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben"

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Unter Druck: Verteidigerin Marina Hegering (links) gegen Spaniens Stürmerin Nahikari Garcia. (Foto: Philippe Huguen/AFP)
  • Sechs Jahre lang konnte DFB-Spielerin Marina Hegering wegen einer Verletzung an der Ferse so gut wie keinen Fußball spielen.
  • Während ihrer langen Pause dachte sie auch ans Aufhören.
  • Seit 2017 steht sie bei der SGS Essen unter Vertrag. Im April nun gab sie mit 28 Jahren ihr Länderspiel-Debüt und ist fester Bestandteil des Kaders.

Von Anna Dreher, Montpellier

Marina Hegering hatte den Ball schon am Fuß, wo sie ihn haben wollte. Aber aus einer Annahme, wie sich die Innenverteidigerin das gedacht hatte, wurde blöderweise eine Vorlage für Spaniens Nahikari Garcia, die neben Hegering aufs deutsche Tor sprintete - es dann aber bei ihrem Schuss zu Beginn dieses Spiels verfehlte. Hegering atmete tief durch, es wäre ja deutlich sichtbar ihr Fehler gewesen, wenn die deutsche Nationalelf gleich in Rückstand geraten wäre. Es blieb nicht bei dieser gefährlichen Strafraumszene im zweiten Gruppenspiel bei der Weltmeisterschaft. Hegering hatte gut zu tun am Mittwoch in Valenciennes. Ein Tor konnte Spanien nicht schießen, für Hegering war das ein guter Arbeitstag. Aber das sind diese Tage ohnehin, auch wenn ihr Fehler unterlaufen.

Sechs Jahre. So lange konnte Marina Hegering, 29, keinen Fußball spielen. Und es ist wohl eine der außergewöhnlichsten Geschichten dieser WM in Frankreich, dass sie es in den Kader von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg geschafft hat - und beim 1:0 gegen China und beim 1:0 gegen Spanien in der Innenverteidigung neben Sara Doorsoun durchgespielt hat. "Gerade in meiner Situation ist so eine WM etwas Besonderes", sagt Hegering. "Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, nochmal auf so einem Level Fußball zu spielen, und ans Aufhören gedacht."

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Von Anna Dreher

Sie galt als einer der kommenden Stars unter Deutschlands Fußballerinnen. Mit 16 Jahren wechselte sie zum FCR 2001 Duisburg, mit Voss-Tecklenburg als Trainerin gewann sie 2009 den Uefa Women's Cup und zwei Mal den DFB-Pokal. Hegering spielte für die U15, U17, U19 und U20 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). In der U20 ist sie mit 18 Einsätzen Rekordspielerin und führte die Auswahl bei der WM 2010 in Deutschland zum Titel. Sie war Leistungsträgerin jener Mannschaft, zu der in Almuth Schult, Laura Benkarth, Turid Knaak, Svenja Huth, Dzsenifer Marozsán und Alexandra Popp einige Spielerinnen des aktuellen WM-Kaders gehörten. Dann verletzte sich Hegering an der Ferse. Eigentlich keine Riesensache, wie sie selbst sagt. Aber nach der ersten Operation verheilte die Wunde nicht gut, und mit dem Fußball war erstmal Schluss.

"Ihre Lebensgeschichte ist etwas Besonderes"

Statt der nächsten Trainingseinheit folgten mehrere Operationen. Zur Saison 2011/2012 unterschrieb sie einen Vertrag bei Bayer 04 Leverkusen, spielte aber immer noch nicht, sondern arbeitete an ihrer Rückkehr, immer begleitet von der Frage: Wird das überhaupt noch was? 2013 folgte ein kurzes Intermezzo, aber der Fuß war noch nicht bereit für die Bundesliga, das vermeintliche Comeback war ein Rückschlag, eine Enttäuschung. Hegering hatte das Gefühl, nicht weiter zu kommen. Zwischenzeitlich hörte sie sogar mit der Reha auf, für sie ergab das alles keinen Sinn mehr. Sich mit der Universität abzulenken funktionierte auch nicht: Hegering studierte Sport. Also fing sie eine kaufmännische Ausbildung an und arbeitete danach in einem Bauunternehmen, bis heute. Aus dem hoffnungsvollen Talent war eine Fußballerin in der Übergangsphase zur Frührente geworden.

Aber Hegering, die sie bei der Nationalmannschaft "Maschina" nennen, machte weiter. Und sie kehrte in die Bundesliga zurück. Seit 2017 steht sie bei der SGS Essen unter Vertrag, wie auch Doorsoun, Knaak, Lena Oberdorf, Lea Schüller und Linda Dallmann. Voss-Tecklenburg beobachtete den Weg ihrer früheren Spielerin offenbar sehr genau. Im April verhalf sie ihr zum längst abgeschriebenen Debüt in der Nationalmannschaft, beim Länderspiel gegen Schweden - mit 28 Jahren. Seitdem ist Hegering fester Bestandteil des Kaders, weil die Bundestrainerin vor allem ihr Aufbauspiel schätzt. "Ihre Lebensgeschichte ist etwas Besonderes. Ich glaube, dass sie mit ihrer Erfahrung ganz wichtig fürs Team werden kann", sagt Voss-Tecklenburg. "Sie kommt in einen Raum und ist sofort präsent." Nicht nur in der Kabine: Doorsoun erzählte nun in Montpellier, dass ihre Zimmerkollegin hervorragend Gitarre spiele. Und Hegering erklärte, das habe sie sich in sechs Jahren Verletzungspause selbst beigebracht.

Es ist müßig, sich zu fragen, was wohl aus Hegering geworden wäre, wenn sie die Verletzung nicht so viele, für die fußballerische Entwicklung so wichtige Jahre gekostet hätte. Vielleicht hätte sie Meisterschaften und Pokale gewonnen. Vielleicht wäre sie 2013 wie ihre Mitspielerinnen Europameisterin geworden. Vielleicht hätte sie 2016 auch die olympische Goldmedaille um den Hals gehangen bekommen. Marina Hegering sieht das so: Sie hat die Chance bekommen, in diesem Sommer Weltmeisterin zu werden.

© SZ vom 16.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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