Abschied von Fußballer Eden Hazard:Das traurige Ende des letzten Stegreif-Poeten

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Zeitweise einer der Besten seiner Generation: Im Trikot des FC Chelsea hatte Eden Hazard seine stärksten und größten Momente. (Foto: Avalon.red./Xinhua/Imago)

Mit nur 32 Jahren macht der belgische Improvisationskünstler Eden Hazard mit dem Fußball Schluss. Wegen zahlreicher Verletzungen konnte er bei Real Madrid nicht mehr sein, was er bei Chelsea mal war: einer der Besten der Welt.

Von Javier Cáceres

Der Belgier Eden Hazard erklärte seinen Rücktritt, und die Fußballblase füllte sich mit Melancholie. Denn nur selten drängen sich Gedanken darüber, was gewesen sein könnte und dann doch nicht wurde, so sehr auf wie bei dem einstigen 100-Millionen-Euro-Mann, der bei Real Madrid nie wiederholen konnte, was er beim FC Chelsea einst gezeigt hatte: einer der besten Fußballer der Welt zu sein. 32 Jahre alt ist Hazard, das ist für alle möglichen Dinge ein Alter - nicht aber, um dem Fußball Adieu zu sagen. Eigentlich.

Doch nun wirft er hin, sieht den Zeitpunkt gekommen, Basta zu sagen. "Heel erg jammer", weinte die belgische Zeitung De Standaard am Mittwoch, und ja, es ist wirklich schade: Dem Fußball geht in Zeiten der kollektiven Gegenpressing-Tyrannei mit ihrem Positionierungsdrill einer der letzten Stegreif-Dichter verloren, ein Improvisationstalent vor dem Herrn. "Das Ende eines Cracks, der von Pläsier geleitet wurde", trauert die L'Équipe.

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Von Javier Cáceres

Hazard entstammt einer mit Fußballern gespickten Familie (sein Bruder Thorgan spielte jahrelang in der Bundesliga) und war im Sommer 2019 zum spanischen Rekordmeister Real gewechselt. Auch wenn seine Verpflichtung damals eine dreistellige Millionenablösesumme verschlang, so galt doch grenzübergreifend als gesichert, dass es in Zeiten des Finanzirrsinns im Fußball bestens angelegtes Geld war.

Denn betrachtet man die Bilder seiner Auftritte in der belgischen Nationalelf, für die er 126 Mal auflief, und vor allem beim FC Chelsea, sieht man elektrische Dribblings, die berühren. Allein sein Solo gegen den FC Arsenal aus der Saison 2016/17 war eine Ode an die Fantasie, die grundlegend für seinen zweiten Titelgewinn mit dem FC Chelsea werden sollte. Nur: Wenn man sich die tragisch verlaufenen letzten Jahre vor Augen führt, so meint man, jene Bilder in Sepia zu sehen. Denn es ist so lange her, dass Hazard glänzte.

Es ist so lange her, dass Eden Hazard auf dem Fußballplatz glänzte

Niemand hatte Eden Hazard je für einen Trainingsweltmeister gehalten. Er war ein Wettkampftier, einer, der seine Schuhe nicht zum Aufwärmen schnürte, sondern erst, wenn der Schiedsrichter in Begriff war, eine Partie anzupfeifen. In Madrid staunte man dennoch, als er sich seinerzeit zum Dienst präsentierte. Sein neues, weißes Trikot spannte, wie es Jahrzehnte zuvor bei einem gewissen Ferenc Puskás der Fall gewesen war.

Der legendäre Stürmer aus Budapest freilich hatte eine Ausrede: Er war monatelang aus dem Verkehr gezogen worden, weil er nach seiner Flucht aus Ungarn 1956 für zwei Jahre gesperrt worden war. Hazard hingegen? War bloß im Urlaub gewesen. Und hatte sich nicht nur nicht fit gehalten, sondern sich vorzugsweise von Pommes, Hamburgern und Milchshakes ernährt.

Beim FC Chelsea war Eden Hazards Kunst noch gewinnbringend. Wie 2018 beim Triumph im FA Cup. (Foto: Tim Ireland/AP)

In Madrid bemerkte man das damals mit gewölbten Augenbrauen, aber es wurde nicht als Drama empfunden. Ein Drama wurde, perspektivisch, eine Verletzung, die Hazard im März 2020 erlitt, in einem Champions-League-Spiel gegen Paris Saint-Germain. Sein belgischer Landsmann Thomas Meunier trat ihm den Knöchel kaputt.

Die Ärzte setzen ihm eine Platte ein, die ihn störte, Fehlbelastungen führten immer wieder zu Folgeverletzungen. Differenzen mit den Trainern, zuletzt mit Carlo Ancelotti, taten ihr Übriges. Die Folge, in Zahlen zusammengefasst: Hazard absolvierte in vier Jahren bei Real Madrid nur 76 Spiele, gerade einmal fünf davon über die volle Distanz. Er schoss sieben Tore. Was für ein Vergleich zu seiner Zeit bei Chelsea, wo er 110 Treffer selbst erzielt und 92 vorbereitet hatte.

Ein armer Poet, immerhin, wurde er nicht: Er kassierte als Gehalt 30 Millionen Euro brutto pro Spielzeit. Er war auch immer wieder auf Fotos mit tollen Trophäen zu sehen: Er gewann zwei spanische Meisterschaften, zwei spanische Supercups, eine Champions League, einen europäischen Supercup, einen Weltpokal für Klubs. "Aber er wird nie damit angeben können", schrieb die spanische Sportzeitung As am Mittwoch. Und traf damit den bitteren Unterton, der ganz gut wiedergab, was für eine Stimmung im Bernabéu-Stadion herrschte, als Hazard sich zum Ende der vergangenen Saison auf eine Auflösung des bis 2024 laufenden Vertrags einigte. Auf den Tribünen hielt man ihn für einen dreisten Abzocker.

Schon im Juni galt als wahrscheinlich, dass Hazard seinen Rücktritt vollziehen würde. Aber er soll noch einige Angebote erhalten - und dann verworfen haben. Von Botafogo in Brasilien war die Rede, von der Major League Soccer in den USA, von dem einen oder anderen Verein in Spanien. Aber es war dann doch genug. Für Belgiens Nationalelf, die am Freitag in Wien mit Österreich um Punkte für die Qualifikation zur EM 2024 kämpft, spielte er schon lange keine tragende Rolle mehr, nachdem er ihr jahrelang als Symbolfigur einer "Goldenen Generation" galt. "Wir sehen uns bald abseits des Spielfelds", schrieb Hazard nun zum Abschied, und die traurige Wahrheit ist, dass sich damit im Vergleich zu den vergangenen Jahren nichts ändern wird.

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