Es passiert jetzt alles zum ersten Mal ohne ihn. Die erste Trainingswoche ohne ihn. Die erste Busfahrt. Die erste Mannschaftsbesprechung, und dann, an diesem Samstag, das erste Bundesligaspiel von Hannover 96 nach dem Tod von Robert Enke. "Wir müssen die Faszination dieses Spiels wieder zulassen", hat Trainer Andreas Bergmann in dieser Woche gesagt. Aber noch stehen die Stadt Hannover und der Verein Hannover 96 unter dem Eindruck der Ereignisse.
Den Alltag wieder herzustellen bedeutet fürs erste, auch bisher Alltägliches zu überdenken. Die größte Zeitung der Stadt, die Hannoversche Allgemeine, wird ihr Erscheinungsbild im Sportteil am Montag verändern. Es wird keine Noten für die Mannschaft von Hannover 96 geben, die sich bei Schalke 04 unter Ausnahmebedingungen bewähren muss. Was sollte man auch benoten, Tapferkeit? "Leistungen in diesem Fall in Noten zu fassen, halten wir für unangemessen", hat die HAZ an die Leser geschrieben und sie gleichzeitig aufgefordert, die Benotung generell zu diskutieren. Die Anhänger des Klubs wiederum haben beschlossen, zwar zahlreich ins Ruhrgebiet zu fahren, aber auf einstudierte Choreographien in der Fankurve zu verzichten.
Das Länderspiel zwischen Deutschland und der Elfenbeinküste vom Mittwoch, auch wenn kein Hannoveraner daran mitgewirkt hat, war ja ein vielversprechender Anfang für die Rückkehr ins Tagesgeschäft. Es konnte Fußball gespielt werden, es konnte gejubelt werden, sogar gepfiffen. Es war schon fast wie immer.
In Hannover ist der Verlust der Nummer eins der Mannschaft und der Herzen allerdings noch immer allgegenwärtig. Die Fans fragen im Fanshop Enke-Devotionalien nach wie noch nie. Nachdem der Verein zunächst alle Artikel, die an den Torwart erinnerten, aus dem Programm genommen hatte, sortierte er sie jetzt wieder ein. Zwischenzeitlich blühte nämlich der Andenkenhandel im Internet, wo Enke-Originaltrikots Rekordpreise von mehreren hundert Euro erzielten. Nun verkauft 96, was noch da ist, will aber keine neuen Enke-Produkte produzieren, um dem Eindruck vorzubeugen, aus dem Todesfall Kapital schlagen zu wollen.
Um das Stadion herum verschwinden derweil langsam die niedergelegten Erinnerungsstücke; entweder holen sie die Leute selbst wieder ab, um die Andenken daheim zu horten, oder der Verein verwahrt sie, bis entschieden ist, was damit geschieht. Briefe, Trikots, Schals, Stofftiere, Torwarthandschuhe.
Noch nicht einmal eine Woche ist seit der großen Trauerfeier im Stadion vergangen, noch nicht einmal zwei Wochen seit dem Tod von Robert Enke. Aber der Betrieb muss weitergehen. Hannover 96 hat das Angebot von Schalke 04, die Partie zu verlegen, höflich abgelehnt. Auf 96-Trainer Bergmann macht seine Elf einen "gefestigten, stabilen Eindruck". Seit Montag ist die Mannschaft wieder im regulären Training, davor durfte jeder Spieler selbst entscheiden, ob er was tut und was er tut. Auf dem Weg zum Übungsplatz sind die Spieler jeden Tag an ihren Torwart erinnert worden, denn auch dort hatten Fans Blumen und Fotos abgelegt. Jeden Tag sprach ein anderer Spieler öffentlich über die Geschehnisse der vergangenen Tage.
Über das Geschehen dieses Samstags, dieses Bundesligaspiel bei Schalke 04, wurde wenig geredet. Trainer Bergmann sagt, es werde ohnehin ein besonderes Spiel. Er wolle es so normal wie immer vorbereiten. Es soll keine außergewöhnlichen Rituale geben, es wird kein Seelsorger mit nach Schalke fahren, "wir bereiten uns vor wie immer". Nur die Trikots werden andere sein, mit einer kleinen, schwarz umrandeten "1" auf der Brust.
Robert Enke war für Hannover 96 alles in einem, Sympathieträger, bester Spieler, Kapitän. Die Lücke, die er reißt, ist entsprechend groß. Die Faszination des Fußballs ist auch, dass es trotzdem weiter geht, immer weiter.