Hannover 96:Immer zündelt einer

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Steht er in der Kritik, oder doch nicht? Hannovers Trainer Stefan Leitl. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Klublegende Dieter Schatzschneider greift Trainer Stefan Leitl an, Boss Martin Kind spricht sogar von "Krieg": Es geht schon wieder gut los bei Zweitligist Hannover 96.

Von Carsten Scheele, Hannover

In dieser Woche hat Martin Kind, der Mehrheitsgesellschafter von Hannover 96, eine Trainerdiskussion beendet, die es angeblich gar nicht gegeben hat. Überflüssig, befand Kind, dass er dem Übungsleiter Stefan Leitl das Vertrauen aussprechen müsse. Schließlich gebe es einen Dreijahresplan mit dem Trainer, an dessen Ende für den traditionsreichen Zweitligisten 96 die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga stehen soll. Und diesen Plan zu hinterfragen, "macht keinen Sinn", sagte Kind, 79, der Neuen Presse.

Das ist soweit stimmig. Wären da zuvor nicht ein paar andere Aussagen von Martin Kind gewesen, die - kurz zusammengefasst - in die völlig andere Richtung gingen.

So zum Saisonauftakt, nach Hannovers magerem 2:2 gegen Aufsteiger Elversberg, als sich Kind nicht besonders viel Mühe gab, seinen Ärger über zwei verlorene Punkte zu verbergen. Der streitbare Klubboss motzte, er könne keine Weiterentwicklung unter Leitl erkennen. Erst die vergeigte Rückrunde, als sich Kind Gerüchten zufolge bereits auf die Suche nach einem neuen Trainer machte, nun der verpatzte Saisonstart. Kind erklärte, wenn er alles sagen würde, was er denke, "dann hätten wir Krieg".

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Das war selbst für Kinds Verhältnisse, der verbal ja gerne mal auf die Expertise eines PR-Beraters verzichtet, eine mittelschwere Entgleisung. Auf die reagierte Leitl, seit Sommer 2022 Chefcoach in Hannover, ziemlich kühl. Die Kritik sei zwar "ungerechtfertigt", mit ihm persönlich mache sie aber "gar nichts", versicherte Leitl. Er habe zudem seit mehreren Wochen gar nicht mit Kind gesprochen: "Warum sollten wir großartig reden?"

Als gerade wieder etwas Ruhe einkehrt, gibt Klublegende Schatzschneider ein Interview

Sofern Leitl die Jobbeschreibung in Hannover genau studiert hat, wird er geahnt haben, dass bei Hannover 96 (zuletzt zwölf Trainer in zehn Jahren) das Aushalten von so manchem Zwist dazugehört. Und dass eine Vertrauensverlautbarung nicht zwangsläufig bedeutet, dass man zwei Wochen später noch im Amt ist. Dabei ging es relativ gut los für den Oberbayern Leitl in der niedersächsischen Hauptstadt: In der Vorsaison Platz fünf nach der Hinrunde in Wurfweite zu den Aufstiegsplätzen, auf die allerdings in der Rückrunde der Absturz auf Rang zehn folgte. Als dann auch noch der Saisonstart gegen Elversberg daneben ging, gefolgt vom Pokal-Aus beim Drittligisten Sandhausen, war Martin Kind auf Betriebstemperatur.

Echte Lust auf "Krieg" verspürt Kind aber offenbar doch nicht. Seitdem versucht er mal hier, mal da die Kritik an Leitl abzufedern. Etwa durch ein Lob für Leitls direkte Art, dieser sei schließlich jemand, mit dem man reden könne. Seine eigene Kriegsrhetorik bezeichnete Kind sogar als "nicht ganz okay". Die jüngste Leistung gegen den Hamburger SV, beim 0:1 am Samstagabend, sei zudem "ein Riesenschritt nach vorne gewesen".

Zu diesem Zeitpunkt allerdings hatte längst einer das Brennholz im Kamin nachgelegt, der sich ebenfalls selten mit PR-Beratern abstimmt: Hannovers Klublegende Dieter Schatzschneider.

Der 65-Jährige war früher Zweitliga-Rekordtorschütze und ist nun als 96-Nachwuchsscout angestellt. Und er gehört, muss man wissen, in diesem seit langem in Lager gespaltenen Klub eindeutig der Kind-Fraktion an. Bei Sport1 erklärte "Schatz" nun also wortstark seine Unzufriedenheit über Leitl: "Mir passt seine Art nicht. Der Disput mit Herrn Kind gefällt mir gar nicht", sagte Schatzschneider, er selbst stamme aus einer Zeit, in der noch gemacht wurde, was der Boss sage. "Dass Leitl nicht mal mit Kind sprechen will, ist unerhört. Ich bin schockiert", so Schatzschneider weiter, ehe er das HSV-Spiel, wie beobachtet wurde, in Kinds Loge verfolgte.

Während Leitl erneut kühl reagierte ("werde weder mit Schatzschneider sprechen noch über ihn"), erklärte sich zumindest Sportchef Marcus Mann: "Ein solches Interview kurz vor einem Spiel zu geben, sodass es wenige Stunden vor dem Anpfiff erscheint, spricht für sich", sagte Mann über Schatzschneider. Alles weitere werde intern besprochen. Eine Abmahnung gilt als möglich, wobei, was soll die bringen? Was Schatzschneider sagen wollte, hat er gesagt. Und Leitl steht beschädigt da.

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