Handball-WM:"Wir sind äußerst besorgt über die Corona-Situation"

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In Ägypten dabei: Deutschlands Kapitän Uwe Gensheimer. (Foto: Soeren Stache/dpa)

DHB-Kapitän Uwe Gensheimer fordert mit anderen Weltklasse-Profis, die WM ohne Zuschauer auszurichten. Doch das dürfte dem Chef des Weltverbands extrem schwerfallen.

Von Carsten Scheele

Der offene Brief hat im Handball eine kleine Tradition. Zuletzt im April 2019, da schlossen sich Spitzenspieler aus aller Welt zusammen, um gegen die Überbelastung in ihrer Sportart zu protestieren. Nicht schriftlich, aber per Videobotschaft. "Don't play with the players", hieß es da, spielt nicht mit den Spielern. Bis zu 80 Partien pro Jahr könne kein Handballerkörper verkraften, diese Forderung unterstützten der deutsche Auswahlkapitän Uwe Gensheimer, die rumänische Welthandballerin Cristina Neagu, der Däne Mikkel Hansen, der Franzose Nikola Karabatić.

Jetzt haben sich die Besten der Welt wieder versammelt - und in einem offenen Brief den Handball-Weltverband (IHF) um Präsident Hassan Moustafa unter Druck gesetzt. 13 WM-Kapitäne haben unterzeichnet, Gensheimer ist wieder dabei, auch Hansen, dazu der Kroate Domagoi Duvnjak. Ihr Anliegen: Die Weltmeisterschaft, die am 13. Januar in Ägypten beginnt, soll bitte nicht vor Zuschauern ausgetragen werden. "Wir sind äußerst besorgt über die Corona-Situation und die Entscheidung, dass die Zuschauer an den Spielen teilnehmen dürfen", heißt es nun. Moustafa solle überdenken, ob dies "der sicherste Weg ist, die Meisterschaft zu organisieren".

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:"Sehr, sehr kritisch"

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Gensheimer und Co. positionieren sich damit in der dringlichsten Frage im Handballer-Kosmos. WM-Spiele vor Zuschauern, während auf der ganzen Welt eine Pandemie grassiert - das geht vielen gegen den Strich. Einige Spieler lassen die WM ganz aus, andere reisen nur widerwillig an; zuletzt hatte der Norweger Sander Sagosen den Entschluss, das Fassungsvermögen der Hallen zumindest zu 20 Prozent auszuschöpfen, energisch kritisiert. "Völlig peinlich", sagte Sagosen seien die Pläne, teilweise vor mehr als 1000 Fans zu spielen.

Ob Moustafa auf die Wünsche der Spieler eingehen wird, ist allerdings fraglich. Schon Forderungen nach einer Absage oder einer Verschiebung der WM hatte er abmoderiert, aus einfachem Grund: Moustafa, 76, stammt aus Ägypten, er hat die Weltmeisterschaft in sein Heimatland geholt, wo unter anderem in den Bau neuer Hallen investiert wurde. Die Fans von "seiner" WM auszuschließen, dürfte Moustafa extrem schwer fallen, Pandemie hin oder her. Immerhin will der Handball-Weltverband nach dem Protestbrief die Kritik an Zuschauern bei einem Spitzentreffen mit der Regierung noch einmal zur Sprache bringen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, hat die IHF auf Anfrage mitgeteilt, dass das Thema am Sonntag bei einem planmäßigen Treffen mit dem Premierminister und Vertretern des Gesundheitsministeriums diskutiert werde.

"Sowas stört die Vorbereitung", sagt Gislason über die Aussagen von Wolff

Die Zahl der Skeptiker wächst, am Donnerstag bestätigte Bundestrainer Alfred Gislason sein Verständnis für den offenen Brief. Dieser formuliere "eine große Sorge der Spieler", es sei ja außerdem gut, wenn die Topspieler "geschlossen ihre Meinung äußern". Reise man erst an und gucke vor Ort, wie es sich mit den Partien vor Zuschauern verhält, "könnte es zu spät sein".

Auch äußerte sich Gislason zu den Aussagen von Torhüter Andreas Wolff, der den WM-Verzicht seiner Kollegen vom THW Kiel angeprangert hatte. Er sei mit dieser Diskussion "nicht zufrieden", sagte Gislason, "sowas stört die Vorbereitung". Spieler wie Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek oder Steffen Weinhold hätten "in der Vergangenheit sehr viel Zeit für Deutschland geopfert. Sie sollten nicht ins Kreuzfeuer der Kritik geraten".

Einen Bruch innerhalb der Mannschaft befürchtet Gislason aber nicht. Jeder dürfe seine Ansicht vertreten, und Wolff sei eben Wolff: "Er ist dafür bekannt, dass er geradeaus seine Meinung raushaut." Am Sonntag in der EM-Qualifikation gegen Österreich (Sonntag, 18.10 Uhr, ARD), dem letzten Länderspiel vor der Abreise nach Ägypten, wird Wolff erneut zwischen den Pfosten stehen.

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