Handball-WM:Absagen müssen respektiert werden

Lesezeit: 2 min

Wooooaaaah! Handball-Nationaltorwart Andreas Wolff deutet an, wie groß sein Ehrgeiz ist. (Foto: Eibner/Imago)

Handball-Nationaltorwart Andreas Wolff kritisiert Nationalspieler, die wegen Corona nicht zur WM fahren. Doch im Moment gibt es kein absolutes Richtig oder Falsch.

Von Joachim Mölter

Der Handball-Torwart Andreas Wolff ist eine mächtige Erscheinung, fast zwei Meter groß, mehr als hundert Kilogramm schwer, und trotzdem scheint dieser Körper manchmal nicht voluminös genug zu sein, um all den Ehrgeiz zu fassen, der in ihm brodelt. Mitunter quillt dieser Ehrgeiz über, im besten Fall mit erfreulichen Folgen.

Als 2016 eine wegen allerlei Verletzungen sehr ersatzgeschwächte Nationalmannschaft zur Europameisterschaft nach Polen aufbrach und niemand von mehr zu sprechen wagte als dem Überstehen der Vorrunde, da redete Wolff vom Titelgewinn. Tatsächlich gab er dem Team dann den nötigen Rückhalt für den EM-Triumph, ebenso wie er es ein halbes Jahr später zum Gewinn von Olympia-Bronze mitriss.

In der nächsten Woche reist erneut eine deutsche Auswahl ersatzgeschwächt zu einem internationalen Turnier, zur WM nach Ägypten. Und wieder spricht der Ehrgeiz aus Wolff. Demnächst wird er 30, er will noch mal Weltmeister werden, ehe seine Karriere vorüber ist; das lässt ihn auch nicht während der Corona-Pandemie ruhen. Doch diesmal scheint er mit seinen Äußerungen wenig hilfreich zu sein.

Handball-WM
:"Sehr, sehr kritisch"

Nationaltorwart Andreas Wolff äußert sich zum WM-Verzicht seiner Handball-Kollegen. Seine Worte dürften einige Unruhe auslösen.

Von Carsten Scheele

Die Diskussionen in der Branche nehmen zu

Neben einigen verletzten haben auch vier gesunde Nationalspieler ihre Teilnahme abgesagt, weil sie ihre Familien während des Corona-Lockdowns nicht allein lassen wollen oder weil sie das Infektionsrisiko im Ausland scheuen. Das hat Andreas Wolff nicht gefallen, aus sportlicher Sicht ist das verständlich: Vor allem das Fehlen der Verteidigungsexperten Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Finn Lemke schmälert die Chancen, außerdem sieht ein Torwart hinter einer eingespielten Abwehrachse immer besser aus.

Man kann den WM-Verzicht von Pekeler und Co. also durchaus schade finden, aber so wie Wolff sich in einem Podcast dazu geäußert hat, war es nicht als Bedauern formuliert, sondern als Kritik. Damit befeuert er eine schon erloschen geglaubte Debatte in der hiesigen Handball-Szene. Und das wiederum hat dem Bundestrainer Alfred Gislason und anderen Vertretern des Deutschen Handballbundes (DHB) nicht gefallen. Aber sie haben ihm seine Meinungsfreiheit gelassen.

Der Verband hatte es den Spielern ja ausdrücklich freigestellt, ob sie mit nach Ägypten fliegen oder nicht. Und der Bundestrainer Gislason hatte mit denen gesprochen, die nicht mitwollen, er hat ihre Argumente akzeptiert und versichert, dass sie auch künftig zum Kader gehören. Den pragmatischen Isländer nerven die ganzen Unruhen, die ihn in seiner Vorbereitung stören.

Die Diskussionen in der Branche nehmen zu, je näher das Turnier rückt, und sie drehen sich längst nicht mehr um die hierzulande bevorzugte Frage: WM-Teilnahme ja oder nein? International geht es mittlerweile schwerpunktmäßig eher um das Thema: Zuschauer in den WM-Hallen oder nicht?

Es gibt kein absolutes Richtig und Falsch

Man kann, man muss vielleicht sogar in diesen Corona-Zeiten Verständnis für vieles aufbringen: für diejenigen, die lieber daheim bleiben, und für diejenigen, die es nach draußen drängt. Man kann, man muss über alles reden dürfen, aber irgendwann muss man Entscheidungen treffen und weitermachen; dann sind die individuellen Entscheidungen zu respektieren und zu akzeptieren. Auch von einem ehrgeizigen Menschen wie Andreas Wolff.

Es gibt momentan jedenfalls kein absolutes Richtig und kein absolutes Falsch; so wie diese Pandemie verläuft, weiß man immer erst nachher, was besser gewesen wäre. Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, im Sport wie im allgemeinen Leben, dass man sich zu Hause ebenso anstecken kann wie auf Reisen. Die deutschen Handballer können aus Ägypten mit WM-Medaillen heimkommen oder mit Corona-Infektionen. Ob sich das Risiko lohnt, muss jeder für sich entscheiden. Man sollte nur niemanden für seinen Entschluss verurteilen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Handball-WM
:"Wir sind äußerst besorgt über die Corona-Situation"

DHB-Kapitän Uwe Gensheimer fordert mit anderen Weltklasse-Profis, die WM ohne Zuschauer auszurichten. Doch das dürfte dem Chef des Weltverbands extrem schwerfallen.

Von Carsten Scheele

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: