Verletzung von Handballer Strobel:Die schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich

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Martin Strobel liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Hallenboden in Köln. Die WM ist für den Spielmacher vorbei. (Foto: dpa)
  • Die deutschen Handballer stehen nach einem Krimi gegen Kroatien im Halbfinale, müssen aber den Ausfall von Martin Strobel verkraften.
  • Der Spielmacher fällt mit einem Kreuz- und Innenbandriss im Knie aus.
  • Bundestrainer Christian Prokop nominiert den jungen Mittelmann Tim Suton nach.

Von Carsten Scheele, Köln

Die rote Trage war das Signal, dass es schlimm stand um Martin Strobel. Mit bedrückten Mienen hatten sich deutsche und kroatische Handballer um den Mittelmann versammelt, der wand sich auf dem Kölner Hallenboden, weit waren seine Schmerzensschreie zu hören. Ohne direkte Einwirkung eines Gegners hatte sich Strobel in der neunten Minute des zweiten WM-Hauptrundenspiels das Knie verdreht. Der 32-Jährige wurde liegend aus der Halle getragen, er würde nicht wiederkommen, das war klar.

So haben die deutschen Handballer am Montagabend in einem begeisternden Kampfspiel zwar 22:21 (11:11) gegen Kroatien gewonnen und den Einzug ins Halbfinale der Heim-WM klargemacht, ihren bislang tadellosen Mittelmann allerdings verloren. Noch spät in der Nacht verschickte der Deutsche Handballbund (DHB) die Mitteilung, in der sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigten: Innenbandriss, dazu ein Riss des vorderen Kreuzbandes. Die WM ist für ihn gelaufen, die nächsten Monate als Sportler auch; statt mit der Mannschaft um die WM-Medaille zu kämpfen, wird Strobel in den kommenden Tagen operiert. "Es hat mich leider hart erwischt", ließ Strobel mitteilen.

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In den verbleibenden 50 Spielminuten nach der Verletzung schaffte es das DHB-Team nicht immer gut, den Verlust von Strobel aufzufangen. Da war zwar insbesondere Fabian Wiede, der die Strippenzieherposition in der Mitte übernahm, wichtige Entscheidungen fällte und Tore erzielte, das Team mitriss. Manchmal fehlte aber auch ein besonnener Lenker, der das Team in wilden Phasen an die Hand hätte nehmen können.

Im Anschluss an die wilden Jubelszenen nach dem Schlusspfiff waren die Gedanken der Mitspieler deshalb schnell wieder bei Strobel. "Das war ein Schock", sagte Wiede über das Unglück seines Kollegen. Torwart Andreas Wolff bemerkte sehr ernst: "Wir verlieren einen hervorragenden Mittelmann, aber auch einen hervorragenden Menschen."

Bundestrainer Christian Prokop war vom Ausfall seines Chefregisseurs ebenfalls hart getroffen. "Es war ganz schlimm, als man ihn auf die Trage gehoben hat, weil er vor Schmerzen geschrien hat", berichtete Prokop - und lobte die Mannschaft, die sich nach dem Schock nur noch mehr reingehängt hätte, um das Spiel ohne Strobel nicht zu verlieren. Als sei sie dies ihrem Mitspieler schuldig.

Strobel hatte die deutsche Mannschaft bei der WM bis zu diesem Spiel aus einer Notlage befreit. Eigentlich hatte sich der Balinger schon auf eine WM vor dem Fernseher eingestellt; doch dann kam der überraschende Anruf von Prokop, der für seine WM-Mission und seine nach der verpatzten Europameisterschaft verunsicherte Truppe noch einen erfahrenen Mittelmann benötigte. Strobel hat schon mehr als 130 Länderspiele absolviert, spielt aber mittlerweile bloß noch in der zweiten Liga - in den ersten WM-Spielen zeigte sich aber, wie wichtig seine Nominierung war. Strobel leitete nicht nur das Angriffsspiel an, sondern warf auch wichtige Tore, was sonst gar nicht seine liebste Disziplin ist.

In den kommenden Spielen dürfte zuvorderst Wiede die Regisseursaufgabe übernehmen. Prokop musste sich trotzdem entscheiden, wen er nachnominiert: Er wählte einen klassischen Mittelmann, den 22-jährigen Tim Suton (TBV Lemgo Lippe). Es ist eine logische und wenig kontroverse Entscheidung, mit der die Kaderstatik erhalten bleibt, weil Mittelmann für Mittelmann kommt. Eine Alternative zu Suton wäre Niclas Pieczkowski (SC DHfK Leipzig) gewesen. Prokop hätte auch den zur Hauptrunde aus dem Team beorderten Franz Semper zurückholen können, um Wiede auf Halbrechts zu entlasten. Keine Option war indes, Rechtsaußen Tobias Reichmann zurückzuholen, der es vor dem WM-Start knapp nicht in den endgültigen Kader geschafft und sich mit kecken Sprüchen in den Kurzurlaub verabschiedet hatte.

Strobel ist indes kein Einzelfall bei dieser WM: Alle Teams, die noch in der Hauptrunde vertreten sind, haben prominente Ausfälle zu verkraften. Das gesundheitsfeindliche Pensum von sieben Spielen in zwölf Tagen fordert seinen Tribut, die Dänen haben schon Weltklassekreisläufer René Toft Hansen (Leistenverletzung) und Hans Lindberg nach Hause geschickt, bei den Franzosen verletzte sich Kapitän Cédric Sorhaindo (Wade), was Trainer Didier Dinart dazu veranlasste, den keineswegs fitten Welthandballer Nikola Karabatic nachzunominieren. Die Kroaten mussten gegen Deutschland ohne Mittelmann Luka Cindrić (Beinverletzung) auskommen, die Schweden spielen ohne Jim Gottfridsson (Muskelfaserriss).

Die Deutschen fortan ohne Martin Strobel. Bundestrainer Prokop kündigte an: "Wir wollen für ihn fighten und spielen jetzt auch für ihn."

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