Handball-WM:Ab jetzt gegen die absolute Weltklasse

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"Da war schon sehr viel Beinarbeit gefragt": Julian Köster. (Foto: Mateusz Birecki/Imago)

Die deutschen Handballer besiegen die Niederlande, stehen verdient im Viertelfinale - und müssen sich doch nochmal deutlich steigern. Denn nun warten ganz andere Kaliber.

Von Ralf Tögel, Kattowitz

Ob er der deutschen Mannschaft eine Medaille zutraue? Staffan Olsson, schwedischer Trainer der Niederländer, verzog keine Miene, dann sagte er: "natürlich." Der 58-Jährige ist ein Freund der feinen Ironie, war als Spieler einer der ganz Großen im Welthandball, hat als Trainer im Duett mit Ola Lindgren 2012 mit Schweden Silber bei Olympia in Barcelona gewonnen, nun will er Oranje an die Weltspitze heranführen. Auf diesem Weg setzte es bei der Handball-WM im polnischen Kattowitz gegen die Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) eine empfindliche Niederlage, Holland hat keine Chance mehr auf das Weiterkommen. Was denn im Vergleich zu den Deutschen fehle? "Einige Kilos, etwas Größe und viel Erfahrung. Wir haben zu viele technische Fehler gemacht und dann war da ja noch dieser Wolff im Tor."

In der Tat, der deutsche Torhüter zeigte erneut eine Weltklasseleistung und brachte die Schützen in den schreckorangen Trikots ein ums andere Mal in Verlegenheit. Neben Würfen von allen Positionen parierte er auch drei Siebenmeter, die ersten im Turnier. Bestens assistiert wurde Wolff von einer erneut starken Abwehr, die den flinken Rückraum des Gegners nicht wie gewohnt zur Geltung kommen ließ. Der wird orchestriert von Luc Steins, Spielmacher beim Champions-League-Klub Paris Saint-Germain, nicht nur wegen seiner für einen Rückraumspieler bescheidenen Größe von 1,72 Metern ist er auffällig. "Das ist einer der weltbesten Spieler im Eins-gegen-eins-Spiel", befand Julian Köster. Der deutsche Abwehrspieler ist zwei Meter groß, hatte den wieselflinken Holländer aber meistens im Griff. "Die haben ein extremes Tempo gemacht, da war schon sehr viel Beinarbeit gefragt, aber wenn es so läuft, merkt man es nicht so sehr."

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Zusammen mit Kay Smits, 1,85 Meter, vom deutschen Meister Magdeburg und Dani Baijens, 1,82, vom HSV Hamburg, versuchen die pfeilschnellen aber nicht groß gewachsenen Niederländer die gegnerische Abwehr nach vorne zu locken, um dann im Zweikampf Räume für den Nebenmann zu schaffen. Darauf aber hatte Gislason sein Team bestens eingestellt: "Phänomenal" hätten Köster, Kapitän Johannes Golla und Christoph Steinert in der Defensive geackert. Die beiden Außenspieler Lukas Mertens und Patrick Groetzki waren zudem zur Stelle, um das Konterspiel, die zweite große Waffe im Spiel der Niederländer, zu unterbinden. Und wenn dies so funktioniere, "dann kommt so eine Leistung von Andi Wolff zustande". Denn der Torhüter ist bekanntlich in nicht unerheblichem Maße von der Abwehrreihe vor ihm abhängig.

Neun Treffer, Dreh- und Angelpunkt im deutschen Offensivspiel: Juri Knorr hat sich als Anführer etabliert

Auch Juri Knorr bekam vom Bundestrainer ein Lob für seine Defensivarbeit, im Angriff hat sich der 22-Jährige längst als Anführer der deutschen Auswahl etabliert. Neun Treffer erzielte der Spielmacher, war erneut Dreh- und Angelpunkt im deutschen Offensivspiel. Dennoch gestalteten die Niederländer dieses intensive Spiel lange offen, auch weil das DHB-Team einige Abspielfehler oder schlechte Würfe einstreute. Beim Gang in die Kabine und einem 12:15-Rückstand konnte Oranje noch hoffen.

Zurück auf dem Feld wurden diese Erwartungen vom deutschen Team im Eiltempo zerstört. Die Defensive mit dem Torhüter-Hünen Wolff dahinter erwies sich zunehmend als unüberwindliches Hindernis für die unermüdlich anflitzenden Holländer, die resultierenden Ballgewinne wurden umgehend durch Tempogegenstöße zu Toren veredelt. Durch fünf Treffer in Serie enteilte das deutsche Team auf sehenswerte Weise auf 20:12, zeigte dabei einen ähnlich rauschhaften Auftritt wie beim 39:19-Kantersieg gegen Argentinien. Davon erholten sich die Niederländer nicht mehr, auch weil den drei prägenden Rückraumspielern langsam die Kräfte ausgingen. Denn im Gegensatz zum deutschen Team wird es bei Oranje nach der ersten Sechs im Kader dünn, Gislason dagegen konnte frische Kräfte aufs Parkett schicken.

Ein Freund der feinen Ironie: Staffan Olsson traut dem deutschen Team eine Medaille zu. Oder hat er nur gescherzt? (Foto: Jan Woitas/dpa)

Was mittlerweile ruckelfrei vonstatten geht. Nun setzten Kai Häfner, der im ersten Durchgang nicht gewohnt zur Geltung kam, Luca Witzke und Philipp Weber wichtige Akzente. Unter dem Strich blieb ein souveräner Erfolg gegen einen stark eingeschätzten Gegner, es war der fünfte Sieg im fünften Spiel. Das Viertelfinale ist vorzeitig erreicht, nun geht es gegen Norwegen am Montag (20.30 Uhr) um den Gruppensieg. Gegner im Viertelfinale wird dann entweder Olympiasieger Frankreich sein - oder Spanien, ebenfalls einer der Turnierfavoriten. Wer gegen wen spielt, steht noch nicht fest. Denn wie Deutschland und Norwegen haben auch Spanien und Frankreich bisher alle Spiele gewonnen und machen im letzten Hauptrundenspiel im direkten Duell den Gruppensieger aus.

Egal gegen wen es geht, in Norwegen, Spanien und Frankreich bekommt es die deutsche Mannschaft mit Teams der absoluten Weltklasse zu tun.

Ob er das mit der Medaille angesichts solcher Gegner denn wirklich ernst gemeint habe, wurde Olsson noch gefragt. Er blickte sehr streng, dann grinste er und sagte: "Ich scherze nie."

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