Deutsches Aus bei der Handball-WM:Der Gegner war besser. Punkt aus

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Silvio Heinevetter lehnt nach der Niederlage am Pfosten. (Foto: John MacDougall/AFP)

Der Sieg der Norweger gegen Deutschland war hochverdient. Bundestrainer Prokop muss nun ein Team entwickeln, das auch ohne Heimvorteil mit der Weltspitze mithalten kann.

Kommentar von Carsten Scheele, Hamburg

Nur der Pfosten gab Silvio Heinevetter noch Halt. Der deutsche Torhüter war in seine Trainingsjacke geschlüpft, die Kapuze über den Kopf gezogen, bis tief in die Stirn, halb über die Augen. Am linken Pfosten des Tores, in dem er in der zweiten Halbzeit gestanden hatte, saß Heinevetter und versuchte, aus seiner Trauer zu entfliehen. Die Enttäuschung: grenzenlos.

Eine wichtige Voraussetzung, um eine noch größere Mannschaft zu werden, haben die deutschen Handballer am bitteren Freitagabend unter Beweis gestellt: Sie haben ihre Halbfinalniederlage bei der Heim-WM gegen Norwegen eingestanden. Der Gegner war besser, Punkt aus, das bestritt niemand - und das trotz des wie aufgedreht brüllenden Heimpublikums im Rücken, das in manch enger Partie der Hauptrunde noch unterstützend eingreifen konnte.

Enttäuschung nach Halbfinal-Aus
:"So eine Chance bekommst du vielleicht einmal im Leben"

Groß ist die Enttäuschung der deutschen Handballer nach der Niederlage im Halbfinale der Heim-WM gegen Norwegen. Die Gedanken der Spieler sind auch bei den Zuschauern.

Von Carsten Scheele

Diesmal nicht, bei allen Parametern, die im modernen Handball wichtig sind, hatten die Skandinavier die besseren Werte erzielt. Norwegen hatte die besseren Torhüter, war deutlich sicherer im Abschluss, zwingender am Kreis, kerniger in der Abwehr. Ein würdiger Finalist. Manchem deutschen Nationalspieler fiel es schwer, seine Gefühle in Worte zu fassen, doch eines brachten alle über die Lippen: dass die Niederlage verdient war.

Es ist allerdings auch so: Deutschland spielt nun um Platz drei, das hatten kurz vor der WM nur die größten Optimisten für möglich gehalten. Als die Stimmung schlecht, das Misstrauen groß war, auch gegen Christian Prokop, den jungen Bundestrainer, der bei seinem ersten Turnier, der EM 2018, mit Platz neun so untergegangen war. Doch Deutschland konnte tatsächlich mit all den großen Handball-Nationen mithalten, sie gar besiegen: Unentschieden gegen Weltmeister Frankreich, Siege gegen Island, Titelmitfavorit Kroatien und Europameister Spanien, nur eine Niederlage, eben jene im Halbfinale gegen starke Norweger. Platz drei wäre ein Erfolg, Platz vier übrigens auch, nach dieser Vorgeschichte.

Das WM-Halbfinale hat zudem aufgezeigt, woran es der Mannschaft fehlt, die - so nun das mittelfristige Ziel - bei den Olympischen Spielen 2020 um eine Medaille mitspielen will. Fast ein ganzes Turnier lang hatten es die Deutschen geschafft, mit ihrer beinharten Abwehr anderweitige Fehler zu kaschieren. Dass das Tempospiel lahmte; egal, die Abwehr stand ja. Dass im Rückraum ein echter Shooter fehlte: wurde hinten ausgebügelt.

Langfristig konnte das kaum gutgehen; das Halbfinale war die erste Partie, in der die Abwehr mehr Fehler machte als gedacht. Und prompt war kein Futter mehr da, um die vorhandenen Schwächen auszubügeln. Die Deutschen lebten bei dieser WM von ihrer Defensive, sie hatte sich sogar den Ruf erarbeitet als beste Abwehr der Welt, zeitweise sicherlich zurecht.

Doch hier liegt auch die Gefahr. Eine tolle Abwehr zu stellen, ist im Handball ein wichtiges Fundament. Wer Olympiasieger werden will, muss aber auch in den anderen Mannschaftsteilen zur Weltspitze aufschließen - dann ohne Heimpublikum im Rücken. Christian Prokop gilt als Trainer, der Spieler entwickeln kann. Jetzt kann er sich beweisen.

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