Enttäuschung nach Halbfinal-Aus:"So eine Chance bekommst du vielleicht einmal im Leben"

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Enttäuschung nach der Halbfinal-Niederlage: Die DHB-Spieler Uwe Gensheimer (v.l.), Andreas Wolff, Silvio Heinevetter und Jannik Kohlbacher. (Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Bei den deutschen Handballern herrscht nach dem Halbfinal-Aus bei der WM große Enttäuschung.
  • Zum ersten Mal bei dieser WM war das Konzept der Mannschaft von Trainer Christian Prokop nicht ganz aufgegangen.
  • Die Gedanken der Spieler sind hinterher auch beim Publikum.

Von Carsten Scheele, Hamburg

Im Schmerz klatschte Silvio Heinevetter hämisch in Richtung der Norweger, Steffen Weinhold kniete tröstend neben Fabian Wiede, Paul Drux fand Zuspruch im Arm des Bundestrainers. Während der Gegner nebenan hüpfte und den Finaleinzug bei der Handball-WM bejubelte, trollten sich die deutschen Spieler zu einem Kreis zusammen. Kapitän Uwe Gensheimer richtete ein paar Worte an die Mannschaft - als er sich anschließend auf die Ehrenrunde begab, waren seine Augen gerötet.

Die Heim-Weltmeisterschaft ist für die deutsche Mannschaft noch nicht vorbei, am Sonntag geht es im Spiel um Platz drei gegen Frankreich um Bronze - doch der ganz große Traum ist eben doch zerplatzt. Das 25:31 (12:14) im Halbfinale gegen Norwegen bedeutete die erste Niederlage bei diesem Turnier - und das Ende einer zweiwöchigen Handball-Begeisterung, die kaum einer im Land für möglich gehalten hatte. Die Spieler waren euphorisiert durch diese WM geschwebt, hatten Handballhallen in Berlin und Köln in Tollhäuser verwandelt, bei ihren Spielen Millionen Zuschauer vor die Fernseher gelockt - 11,91 Millionen waren es am Freitagabend.

Doch nun aus der Traum vom Titel im eigenen Land. "So eine Chance", sagte Gensheimer, "bekommt du vielleicht einmal im Leben." Und ja, es gehe ihm "beschissen".

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Die Niederlage gegen eine starke norwegische Mannschaft war verdient, das wollte keiner im DHB-Lager bestreiten. Aber der Zeitpunkt war schon bitter. Zum ersten Mal bei dieser WM war das Konzept der Mannschaft von Trainer Christian Prokop nicht ganz aufgegangen: Die Abwehr konnte nicht zupacken wie gewohnt, sie wurde auch geschwächt durch die frühe rote Karte gegen Defensivchef Hendrik Pekeler, der Anfang der zweiten Halbzeit seine dritte Zweiminutenstrafe kassiert hatte. Im Rückraumspiel taten sich die Deutschen noch schwerer als in den anderen Partien. "Es gibt Spiele, in denen es einfach nicht läuft", sagte Patrick Wiencek, "bei uns leider im Halbfinale."

Schon während der Auszeit in der zweiten Halbzeit hatte Prokop gewarnt: "Wir sind nicht auf dem Level." Später hatte er die Gewissheit: "Wir haben heute mit Sicherheit nicht unsere beste Leistung geboten." Nach der enttäuschenden EM 2018 (Platz neun) hat Prokop sein erstes erfolgreiches Turnier als Bundestrainer gemeistert; das Halbfinale, das beim Deutschen Handball-Bund (DHB) als offizielles Ziel formuliert worden war, wurde erreicht. Am späten Freitagabend überwog aber die Enttäuschung: "Wenn man in einem Halbfinale steht", sagte Prokop, "will man das auch gewinnen."

Es tue ihm "einfach nur leid" für die Zuschauer, sagt Paul Drux

Lange schien es, als sei die Partie durchaus noch zu retten. Schon Mitte der ersten Halbzeit geriet das DHB-Team zwar in Rückstand, aber nie so weit, dass dieser nicht aufzuholen gewesen wäre. Die Deutschen mussten sich Tor um Tor erkämpfen, beim Gegner sah das leichter, ungezwungener aus. Der Flow aus den vorherigen Spielen wollte sich einfach nicht einstellen: Die Mannschaft fing sich sieben Zeitstrafen (der Gegner nur drei), die Torhüter packten nicht wie gewohnt zu, insbesondere Andreas Wolff, der ein starkes Turnier geliefert, aber im Halbfinale sein mäßigstes Spiel gezeigt hatte. Er habe "einige Sachen gesehen, die heute nicht gestimmt haben", sagte Wiencek. Ein schlechter Zeitpunkt, denn der bedeutet bei großen Turnieren meist das Aus.

So hat sich der Umzug der Handballer von Köln, wo es in der Hauptrunde drei Siege gegeben hatte, nach Hamburg am Ende nicht wirklich gelohnt. Die gute WM wollten sich die Verantwortlichen trotzdem nicht kaputt reden lassen. Niederlage hin oder her, es sei ein "sehr erfolgreiches Turnier" gewesen, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Mannschaft und Trainer hätten "sehr viel für den deutschen Handball getan". Das empfand auch Sportdirektor Axel Kromer so: "Dieses Ergebnis von heute macht uns nicht die WM kaputt."

Die Gedanken der Spieler waren auch beim Publikum. Vor 13.500 Zuschauer in der Arena im Volkspark war die Unterstützung wieder enorm gewesen. Es tue ihm "einfach nur leid" für die Zuschauer, sagte Paul Drux, "wir wollten uns mit einem Sieg verabschieden." In Richtung Herning, wo am Sonntag nun die Finalspiele stattfinden, nicht ganz in der erträumten Konstellation: am Abend das Endspiel Dänemark gegen Norwegen (17.30 Uhr), zuvor das Spiel um Platz drei zwischen Deutschland und Frankreich (14.30 Uhr).

Wie sehr man sich dafür motivieren kann, wenn das große Ziel verpasst ist, wird zu klären sein. "Die Enttäuschung ist jetzt normal und auch erlaubt", sagte Fabian Böhm, der mit sechs Treffern beste deutsche Rückraumschütze. Allerdings erklärten fast alle Spieler, dass sie es sich schuldig seien, nun zumindest Bronze zu holen. Noch am Freitagabend sind die Handballer Richtung Midtjylland aufgebrochen, es gilt nun, den Kopf frei zu kriegen, einmal zu trainieren und dann gegen "frustrierte Franzosen" (Drux) die Medaille klar zu machen. Wer die Enttäuschung schneller überwindet, wird Bronze gewinnen.

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