Handball-WM:"Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen"

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Uwe Gensheimer steht Islands Torwart Bjorkvin Pall Gustavsson gegenüber. (Foto: Martin Meissner/AP)
  • Nach ihrem ersten Spiel vor 19 000 euphorischen Zuschauern in Köln sind die deutschen Handballer sichtlich beeindruckt.
  • Beim letztlich ungefährdeten Sieg gegen Island zeigen sie aber einige Defizite, die gegen Kroatien gefährlich werden könnten.
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Von Carsten Scheele, Köln

Gänsehaut - der Begriff fiel oft. Ein "absolut geiles Gefühl" sei es gewesen, in diese Halle einzulaufen, berichtete Torwart Andreas Wolff mit glänzenden Augen. Und er bekomme eine "Gänsehaut, wenn ich jetzt noch drüber rede". Auch Kreisläufer Hendrik Pekeler verspürte gleich mehrmals dieses schaurig-wohlige Gefühl auf der Haut. "Beim Reinkommen, bei der Nationalhymne, nach dem Spiel auch, wie sie uns gefeiert haben", zählte Pekeler ergriffen auf. Überall Gänsehaut.

Es war das erste Hauptrundenspiel bei der Heim-WM, für das die Mannschaft von Berlin nach Köln umgezogen war - und an diesem Samstagabend zum ersten Mal traf die Euphorie der Menschen in dieser 19 000-Zuschauer-Arena, in der Deutschland 2007 Weltmeister geworden war, auf die Nationalspieler. Man habe nun eine Ahnung, wie das 2007 gewesen sein müsse, sagte Pekeler, auch Bundestrainer Christian Prokop zeigte sich ergriffen. Der Einlauf in die Halle, das Fahnenmeer, das sei alles "unbeschreiblich und Wahnsinn, wenn man weiß: Die sind alle wegen uns hier".

Zeitweise beflügelte der Lärm von den Tribünen die deutsche Mannschaft, nach dem 24:19 (14:10) gegen Island hat das Team auch weiterhin gute Aussichten, in den beiden verbleibenden Hauptrundenspielen gegen Kroatien und Spanien den Halbfinaleinzug klarzumachen. Doch es wurde auch klar, dass es eine kleine Bürde sein kann, vor dieser Kulisse Handball zu spielen.

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:Ein Lärm, als wären sie schon im Finale

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft gewinnt zum Auftakt der Hauptrunde gegen Island - und wirkt ergriffen von der Stimmung in Köln. Doch gegen Kroatien wird das Team noch stärker spielen müssen.

Von Carsten Scheele

Denn die Deutschen hatten ihre Probleme in diesem Spiel: fahrige Elemente im Offensivspiel und zahlreiche weitere unnötige Fehler, die es den Isländern ermöglichten, bis Mitte der zweiten Halbzeit dranzubleiben an den Deutschen. Der Druck von den Rängen sei für ihn "ein absolutes Novum" gewesen, sagte Torhüter Wolff. Die Stimmung in Köln sei "noch geiler" gewesen als in der Vorrunde in Berlin, wo allerdings auch 6000 Fans weniger in die Halle gepasst hatten. Am Ende sang die ganze Kölner Halle "Viva Colonia" und verabschiedete die Mannschaft auf einer ausgedehnten Ehrenrunde. Das ließ selbst die stärksten Handballer nicht kalt.

Einige Dinge haben auch gut funktioniert in dem Spiel. Die Abwehr etwa, sie wirkte felsenfest, zumindest nach einer Viertelstunde. Bis zum 8:8 habe man "nicht gut gestanden", gab Pekeler zu, einer der drei deutschen Abwehrchefs. Danach allerdings umso besser. Die Umstellung auf die offensivere 3-2-1-Formation wirkte, da sei den Isländern "nicht mehr viel eingefallen". Nur elf Gegentore in den verbleibenden 40 Minuten, weniger als 20 Gegentore insgesamt - das sind starke Werte. Allerdings gehört zur Geschichte des Spiels auch, dass die Isländer in der zweiten Halbzeit auf ihren besten Angreifer verzichten mussten: Aron Palmarsson vom FC Barcelona, der angeschlagen war und nur noch auf der Bank sitzen konnte. Mit Palmarsson hätte Island die Partie vermutlich stärker zu Ende gespielt.

In der Offensive vergaben die deutschen Angreifer drei- bis viermal die Chance, entscheidend davonzuziehen, weil irgendwer aussichtsreich vergab, sich mit einem Heber übernahm (wie Kapitän Uwe Gensheimer beim Siebenmeter), ein Stürmerfoul beging oder einen Ball im Tempogegenstoß über fünf Meter nicht zum Mann brachte (Patrick Wiencek an Pekeler). "Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen", mahnte Prokop in seiner Auszeit, doch das war leichter gesagt als getan. So hätten sich die Isländer "nie abschütteln lassen", erklärte Torwart Wolff. Er habe den Sieg auch nicht als sonderlich souverän empfunden.

Am Montag geht gegen Kroatien

Um die Isländer zu bezwingen, reichte es, das Problem ist nur, dass es schon am Montag (20.30 Uhr, Liveticker auf SZ.de) nicht erneut gegen Island geht, sondern gegen die starken Kroaten, die von all den Teams bei dieser WM den vielleicht stärksten Eindruck hinterlassen haben, mit ihrem Weltklasse-Rückraum um Domagoj Duvnjak. Eine zupackende Abwehr benötigt das DHB-Team dann erneut, aber auch eine Offensive, die noch mehr aus den Gelegenheiten macht. "Die Kroaten sind sehr abgezockt", warnte Gensheimer, mit fünf Toren diesmal zweitbester deutscher Werfer hinter Steffen Fäth, der sechs Tore erzielte.

Vielleicht hilft schon der Ruhetag am Sonntag, sich gedanklich mehr auf die Situation in der Kölner Arena einzustellen. Die Spieler wissen nun, wie laut es dort ist, wie frenetisch gebrüllt wird, wie die Kulisse augenblicklich aufkochen kann, wenn das Schiedsrichterteam gegen die deutsche Mannschaft pfeift. Der Kölner Lärmpegel soll schließlich dem Gegner zu schaffen machen - und nicht die eigenen Nerven ins Schlingern bringen.

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