Kroatien bei der Handball-EM:Er sieht die Aktionen, bevor der Gegner sie startet

Handball EM: Kroatien - Österreich

Läuft bei ihm bei der EM: Domagoj Duvnjak jubelt

(Foto: dpa)

Von Saskia Aleythe, Wien

Handballfans sind nicht unbedingt dafür bekannt, sich nach Spielen singend in den Armen zu liegen - außer halt, sie tragen Trikots mit rot-weißem Schachbrettmuster und kommen aus Kroatien. Als am Donnerstagabend die erste Hauptrundenpartie der Kroaten mit einem Sieg gegen Österreich endete, verlagerte sich der Freudentaumel von den Rängen schnell in den Eingangsbereich der Wiener Stadthalle, wo die Anhänger einfach weiterfeierten. Wo Kroatien bei dieser EM auftaucht, ist Stimmung angesagt und eine Erklärung dafür liegt schon in dem, was im Veranstaltungsheft über dem Mannschaftsporträt steht: "Eine lange Suche nach Gold".

Es stimmt schon: Die Kroaten sind die Goldgräber des Handballgeschäfts, allerdings bei 13 Teilnahmen seit 1994 noch nicht fündig geworden; obwohl es sie in den vergangenen 16 Jahren stets in die Top Fünf getragen hat. Für kroatische Anhänger war das bisherige Turnier eine Wohltat: Vier Siege aus vier Partien; den unterlegenen Gegnern rangen sie Respekt ab. "Sie sind definitiv ein Kandidat, um dieses Turnier bis zum Ende mitzugehen", sagte Österreichs Trainer Ales Pajovic. So gilt die Mannschaft um Kapitän Domagoj Duvnjak als Titelanwärter, auch im Spiel gegen Deutschland als Favorit. Was auch an Duvnjak selber liegt.

Im selben Hotel wie die deutschen Spieler

In Wien haben die Kroaten dasselbe Hotel bezogen wie die deutsche Auswahl, zu großen Zusammenkünften ist es nach Aussage von Patrick Wiencek bisher aber nicht gekommen: Dabei gibt es kaum einen Konkurrenten, den der deutsche Kreisläufer öffentlich so sehr wertschätzt wie seinen Klubkollegen Duvnjak. Beim THW Kiel haben sie zusammen so manchen Kampf zusammen bestritten, nun gilt es für Wiencek, den 31-jährigen Kroaten beim weiteren Durchmarsch durchs Turnier aufzuhalten. "Dule kann man nie ausschalten, er ist einer der besten Spieler der Welt. Da bekommen wir eine Riesenaufgabe", meinte Wiencek. Und hatte die Vorfreude in seinen Augen. Großen Aufgaben stellt er sich gerne.

Wie man ihnen beikommen kann, hatte man im vergangenen Jahr bei der WM im eigenen Land ja erlebt, da scheiterten die Kroaten im Kampf ums Halbfinale eben an den Deutschen. Doch es war ein umstrittenes Ergebnis. "Wer immer noch an Ehrlichkeit auf diesem Spielniveau glaubt, der glaubt auch an die Zahnfee", wurde Duvnjak nach dem 21:22 von kroatischen Medien zitiert, der nationale Verband schrieb einen Beschwerdebrief an den Handballweltverband IHF, garniert mit einem minutenlangen Video, das alle falschen Pfiffe des damaligen Schiedsrichtergespanns dokumentieren sollte. Für eine Entscheidung auf ein kroatisches Stürmerfoul am Ende der Partie entschuldigte sich Schiedsrichter Martin Gjeding schließlich. Die Gier nach Gold hat die Aufregung von damals vielleicht noch gesteigert.

Seine Trefferquote liegt bei 83 Prozent

Ohnehin ist das kroatische Team derzeit als noch besser einzuschätzen als bei der WM vor einem Jahr. Es gab sichere Siege gegen Montenegro (27:21), Weißrussland (31:23) und Serbien (24:21) in der Vorrunde, im ersten Hauptrundenspiel ein 27:23 gegen Österreich. 2019 war Spielmacher Luka Cindric vom FC Barcelona verletzt, diesmal ist er als bisher bester Torschütze und Torvorbereiter eine Säule im Team. Wie auch Igor Karacic von Vive Kielce - wie Barcelona im vergangenen Jahr Final-Four-Teilnehmer in der Champions League - und Duvnjak.

So viele Kräftemessen hat es in den vergangenen Jahren gegeben, in denen der Mann vom THW Kiel sich von Begegnung zu Begegnung schleppen musste, dieses Jahr ist Duvnjak in einer Verfassung, die beim Zugucken Spaß macht statt Mitleid erzeugt: 15 Tore konnte er bisher schon beisteuern, sechs Treffer direkt vorbereiten. Seine Trefferquote liegt bei 83 Prozent - ein überragender Wert für einen Rückraumspieler. Doch noch gefürchteter als seine Angriffsqualitäten sind die langen Arme in der Abwehr: Im gerne zelebrierten 5:1-System agiert er oft als derjenige, der die Bälle klaut. Duvnjak sieht die Aktionen schon, bevor der Gegner sie startet. Auch ein Grund, warum er 2013 zum Welthandballer gekürt wurde.

Trainer Lino Cervar will nach dem Turnier aufhören, er wird im September ja auch schon 70 Jahre alt, es wäre also der perfekte Zeitpunkt, um die Suche nach Gold doch noch erfolgreich zu gestalten. "Es wird interessant gegen die Deutschen, weil auch sie viele Fans in Wien haben. Es wird ein Duell auf dem Spielfeld, aber auch auf den Rängen geben", sagte Rückraumspieler Igor Karacic. Eine besondere Partie also, mit oder ohne Gesang.

Zur SZ-Startseite
Handball EM: Weißrussland - Deutschland

Deutschland bei der Handball-EM
:Plötzlich wie ausgewechselt

Das deutsche Nationalteam zeigt beim 31:23 gegen Weißrussland seine erste überzeugende Leistung bei der EM - und schöpft Hoffnung für die vorentscheidende Partie gegen Kroatien.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: