Frankreich bei der Handball-EM:Sie lassen die Gegner zappeln

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Der Franzose Kentin Mahé ist bereit, er will bei dieser Handball-EM Großes erreichen. (Foto: Tom Weller/dpa)

Mit ungeheurer Ruhe und extrem viel Routine ist Frankreich ins EM-Halbfinale eingezogen. Doch jetzt geht das Turnier richtig los - gegen den alten Widersacher Schweden.

Von Carsten Scheele, Köln

Da stand Kentin Mahé und grinste. Es war ein sehr breites Grinsen, das Grinsen eines Spielers, der sieht, dass es läuft. Und der gerade einfach nur genießt. "Das macht schon Spaß hier", sagte Mahé, 32, "wir sind hungrig, wir haben Bock." Es gibt wohl Schlechteres, als mit dieser französischen Mannschaft eine Handball-Europameisterschaft bestreiten zu dürfen.

An diesem Freitag stehen die Halbfinals an, wie immer ist Frankreich dabei - und endlich kommt jetzt mal ein Gegner, der es mit der Grande Nation aufnehmen kann. Frankreich gegen Schweden (Freitag, 17.45 Uhr, Dyn), das wird ein großes Ding. Bislang lief ja alles ungehörig glatt für den Olympiasieger, ein Punktverlust in der Vorrunde gegen die Schweiz, danach nur ungefährdete Siege. Als einziges Team hat Frankreich bislang nicht verloren; man hatte nie den Eindruck, dass die Spieler an ihre Leistungsgrenzen gehen mussten. "Wir machen einen richtig guten Job", sagte Rückraumspieler Dika Mem.

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Während andere Mannschaften das Ziel haben, ihre Spiele irgendwie zu gewinnen (und sei es mit einem Tor Vorsprung), halten sich die Franzosen mit derlei Kleinklein nicht auf. Auch sie finden zwar mal nicht gut rein in eine Partie, werfen daneben, kassieren einen Tempogegenstoß; aber irgendwann erwirtschaften sie eine Drei-Tore-Führung. Dann beginnt der Verwaltungsmodus. Der Vorsprung mag auf vier Tore anwachsen oder sich auf zwei reduzieren, dann stellen die Franzosen aber schnell wieder auf drei. Der Gegner zappelt und kommt nicht ran; so erging es den Isländern, den Kroaten, den Ungarn, den Slowenen, auch dem deutschen Nationalteam beim 30:33 in der Vorrunde in Berlin.

"Wir bewahren immer die Ruhe", sagt Mahé, "so was kann man nicht trainieren."

Die komplizierteste halbe Stunde hatten die Franzosen gegen Österreich zu überstehen, 15:16 zur Halbzeit, wobei: Es gab nicht einen Spieler, der zu diesem Zeitpunkt nervös geworden wäre. Kurzer Zwischenspurt zum 22:19, danach wurde es nicht mehr gefährlich. "Wir bewahren immer die Ruhe, so was kann man nicht trainieren", sagte Mahé, "wir haben alle ein paar Länderspiele auf dem Buckel." Wohl wahr, Mahé und Kreisläufer Luka Karabatic haben mehr als 150 Länderspiele gesammelt, jüngere Kräfte wie Mittelmann Nedim Remili oder Rückraumwerfer Mem mehr als 100.

Und Nikola Karabatic, der dreimalige Welthandballer, hat sogar schon die 350-Spiele-Marke passiert. Der 39-Jährige spielt gerade seine letzte Europameisterschaft; nach den Olympischen Spielen im Sommer in Paris beendet er seine Karriere. "Wir wollen für ihn zum Abschied die EM gewinnen", sagte Mem.

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Für die Zeit nach Karabatic muss den Franzosen nicht bange sein. Nationaltrainer Guillaume Gille hat einen Kader zur Verfügung, der andere Kollegen neidvoll dreinblicken lässt: überall Weltklasse, in der ersten und zweiten Reihe, in allen Altersgruppen. Am eindrücklichsten ist dies beim Blick auf die Mittelposition zu sehen. Da agiert einer der besten der Welt, Nedim Remili, und wenn dieser eine Pause braucht, kommt eben Mahé. Gille kann sogar Remili und Mahé auf die Bank setzen, dann dirigiert Melvyn Richardson, der Sohn des großen Jackson Richardson, ohne größere Qualitätseinbußen.

Zum Vergleich: Die Deutschen haben bei dieser EM nur Juri Knorr, der mehr oder weniger durchspielen muss. Und sogar auf der Position, die bei den Franzosen als problematisch angesehen wurde, bei den Torhütern Samir Bellahcene und Remi Desbonnet, flutscht es bislang. Die Abwehr packt schmerzhaft gut zu, alle feuern sich gegenseitig an. "Es macht so einen Spaß, dieses Team zu trainieren", sagte Trainer Gille.

Doch jetzt geht das Turnier richtig los. Halbfinale gegen Schweden, wie so oft bei den letzten wichtigen Turnieren. "Das wird ein großer Fight", sagte Gille. Es ist das vierte Halbfinal-Treffen beider Nationen seit 2021, einmal gewann Frankreich, zweimal jedoch Schweden, das schmerzt immer noch. "Wir sind bereit für ein bisschen Rache", sagte Kentin Mahé. Er wirkte dabei kein bisschen beunruhigt.

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