Island bei der Handball-EM:Die Hörner sind abgestoßen

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Wieder ausgebremst: Aaron Palmarsson (rechts) und die Isländer scheitern vorzeitig, hier wird der Wikinger im Spiel gegen Deutschland von Julian Köster gebremst. (Foto: Martin Meissner/AP)

Die isländische Nationalmannschaft ist wieder als Geheimfavorit in ein großes Turnier gegangen - und verpasst das Halbfinale mehr als deutlich. Trainer und Spieler suchen nach Erklärungen.

Von Ralf Tögel, Köln

Es war fast immer dasselbe Bild: Mit finsteren Mienen schritten die Isländer vom Feld, angemessen schlecht gelaunt, möchte man sagen, für Hünen, die den Vornamen Thor oder Odinn tragen. Beklatscht von einigen Unentwegten auf den Tribünen, mit blau-weiß-rot bemalten Gesichtern und Helmen mit großen Hörnern an den Seiten. Was ja geschichtlich unsauber ist, denn die Wikinger hatten sogenannte Brillenhelme, die neben dem Haupt auch die Augen schützten. Hörner wären im Kampf nur im Weg gewesen, ein historischer Irrtum, der zum Teil dem deutschen Komponisten Richard Wagner geschuldet ist: Der ließ in seinem "Ring der Nibelungen" gehörnte Germanen auftreten. Sieht halt gefährlicher aus. Daher trägt wohl auch der isländische Handball-Fan Horn am Helm.

Zudem reisten die isländischen Handballer mit wilden Helden-Geschichten an: Gisli Thorgeir Kristjansson etwa, Rückraumspieler vom SC Magdeburg, hatte die Champions League mit ausgekugelter Schulter gewonnen. Kein Witz, im Halbfinale der kontinentalen Königsklasse gegen Barcelona wurde der Rückraumwerfer rüde gestoppt. Trotz dieser Verletzung wurde er im Finale am folgenden Tag zum besten Spieler gewählt. So etwas schafft nur ein Wikinger.

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Dieses EM-Turnier aber taugt nicht zum isländischen Heldenepos, im Gegenteil, die in der Hauptrunde gescheiterte Mannschaft blieb deutlich unter den Erwartungen. Dabei galten die Nordmänner als Geheimfavorit: Neben Kristjansson, der nach fälliger Schulter-OP rechtzeitig fit wurde, steht in Omar Ingi Magnusson und Janus Smarason praktisch der gesamte Magdeburger Rückraum auf dem Feld.

Ergänzt durch Aron Palmarsson; der 33-Jährige zählt nicht nur wegen seiner drei Champions-League-Titel zu den großen Namen im Welthandball. Mittlerweile spielt er zwar wieder bei seinem Heimatverein Hafnarfjördur, verbrachte aber seine gesamte Karriere bei europäischen Topadressen wie Kiel oder Barcelona. Neun Profis verdienen ihr Geld in der Bundesliga, das Gros der übrigen bei anderen europäischen Spitzenklubs. Mit Palmarsson kommen nur drei Spieler aus der isländischen Liga. Jahrelang musste der die größte Last im Nationalteam allein schultern, führte Island 2010 auf EM-Platz drei.

Vor dem Turnier wurde in Snorri Gudjonsson ein neuer Trainer installiert - ohne Erfolg

Doch trotz besserer Unterstützung will es weiterhin nicht klappen, neben Olympia-Silber 2008 in Peking blieb dieses EM-Bronze der einzige internationale Erfolg. Bei der vergangenen EM war Magnusson mit 58 Treffern bester Torschütze, Viktor Gisli Hallgrimsson wurde zum besten Torhüter gewählt: Island wurde Sechster.

Zwar gab der Verband nun das Ticket für ein Olympia-Qualifikationsturnier als Ziel aus, doch selbst das war zu hoch. Die Erwartungen in der Heimat waren ohnehin andere: endlich wieder eine Medaille. 5000 angereiste isländische Fans verwandelten die Münchner Olympiahalle in der Vorrunde in eine bunte Partyzone, nicht nur dort sind die stets friedlichen Fans aus dem hohen Norden gern gesehene Gäste. Aber dann gab es ein mehr als glückliches Remis gegen Serbien, einen Zittersieg gegen Montenegro und zum Abschluss eine gehörige 25:33-Abreibung gegen Ungarn. In der Hauptrunde ging es so weiter, eine Niederlage gegen Deutschland und die nächste Klatsche gegen die Franzosen - das Ende aller Hoffnungen.

Immerhin hinterlegte das Team mit den Siegen gegen Kroatien und dem abschließenden 26:24 gegen Österreich einen Nachweis seiner Qualität. Es bleibt dennoch ein großes Rätsel, wieso die Isländer ihre "Möglichkeiten nicht auf die Platte bringen", wie Palmarsson fand. Dabei wurde im Sommer in Snorri Gudjonsson ein neuer Trainer installiert, der langjährige Spielmacher der isländischen Nationalmannschaft sollte die Wende bringen. Seine Vision: endlich aus vielen Extrakönnern eine Erfolgsmannschaft zu formen. Nun suchte auch Gudjonsson nach Erklärungen für die vielen vergebenen Chancen, die unerklärlichen Anfängerfehler, das nicht funktionierende Tempospiel.

Daran lag es nicht: Bjarki Mar Elisson bedankt sich bei den vielen angereisten Fans. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Was fehlt also? "Gute Frage, ich habe keine Antwort", sagt Palmarsson nachdenklich, und wirkt gar nicht mehr wie ein stolzer Wikinger-Nachfahre. "Wir haben eigentlich alles, was wir brauchen, einen guten Trainer, gute Spieler, einen guten Teamspirit, Unterstützung von den Fans. Aber es klappt einfach nicht."

Teamkollege Kristjansson wird deutlicher: "Wir machen so viele einfache Fehler, dumme Fehler, technische Fehler, die zweite Welle ist schlecht. Dann fehlen Paraden im Tor, wir zeigen nie unser bestes Gesicht."

So reisen sie wieder geschlagen ab von einem großen Turnier, die Isländer mit den ernsten Gesichtern, ohne eine neue Helden-Geschichte. Aber sie werden wiederkommen, versichert Palmarsson: "Ich hoffe, wir lernen aus diesem Turnier, wir werden es wieder versuchen."

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