Färöer bei der Handball-EM:Eine eigene Partyzone in Berlin

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Die Fans aus Färöer prägen diese Handball-EM - zumindest am Spielort Berlin, wo eine ganze Kurve in der Halle voller Unterstützer für Lärm sorgte. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Etwa ein Zehntel aller Bewohner der Färöer sind nach Deutschland gereist, um ihr Handball-Nationalteam zu unterstützen. Trotz des Vorrundenaus haben sie mächtig gute Laune.

Von Ralf Tögel, Berlin

Am Montagabend um 19.28 Uhr war der offizielle Teil der Veranstaltung für die Handball-Nationalmannschaft der Färöer vorbei. Da ertönte die Schlusssirene der Vorrundenpartie der Gruppe D in Berlin zwischen den Färöer und Polen. Und die 28:32-Niederlage hatte alle Hoffnungen des EM-Neulings auf die Fortsetzung in der Hauptrunde beendet. Nach dem 29:32 gegen Slowenien und einem viel beachteten 26:26-Unentschieden gegen Norwegen war das erste große Turnier für die Mannschaft von der Inselgruppe im Nordatlantik zwischen Island, Norwegen und Schottland also vorzeitig vorbei.

Der Abend noch lange nicht.

"Ich bin natürlich enttäuscht", sagte Elias Ellefsen a Skipagotu, der bekannteste Handballer der Färöer, obwohl er gerade mal 21 Jahre alt ist. Aber seit dieser Saison steht der Spielgestalter beim deutschen Meister THW Kiel unter Vertrag und gilt als eines der größten Talente - international. Die abschließende Niederlage gegen Polen fand er ebenso unnötig wie jene im ersten Spiel gegen Slowenien, schließlich habe man nicht nur beim Remis gegen einen der Mitfavoriten gezeigt, dass man mithalten kann.

Die Norweger waren offenbar von dem unerwarteten Punktverlust derart erschrocken, dass sie ihr letztes Vorrundenspiel gegen die Slowenen 27:28 verloren und nun ohne Punkte in der Hauptrunde dastehen. Angesichts von Konkurrenten wie Schweden und Dänemark keine gute Aussicht.

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13 321 Zuschauer waren Zeuge des letzten Auftritts der Färöer in der Arena am Ostbahnhof, eine gewaltige Zahl für ein EM-Vorrundenspiel im Handball zwischen zwei nicht gerade schillernden Namen im Welthandball. Allerdings waren davon mehr als 5000 Fans aus dem Nordatlantik angereist, und das ist eine schier unglaubliche Zahl, bedenkt man, dass die Gesamtbevölkerung der 18 Inseln gerade mal das Zehnfache beträgt. Und ganz offenbar ist der Färinger ein geselliger Zeitgenosse, der historische erste Punktgewinn bei einem EM-Turnier - auch noch gegen das große Nachbarland Norwegen - war der Auftakt zu einer nie gesehen Feiernacht bei so einem Turnier.

Der Verband hatte ein riesiges Partyareal in Hallennähe gemietet und sich so praktisch eine eigene Fanzone mitgebracht. Etwa 1000 Menschen feierten bei eisigen Temperaturen, was für die Färöer angesichts einer Durchschnittstemperatur von 12 Grad Celsius im Sommer kein Problem darstellt. Es gab Fanartikel, es wurde gesungen, gelacht und getrunken, es waren Hardcorefans und Familien da, es war ein ausgelassenes und friedliches Fest. Auch für den letzten Abend im fernen Deutschland war Party angesagt, wie a Skipagotu verriet: "Wir werden noch in das Fanhotel fahren und uns heute Nacht für die Unterstützung bedanken."

Die Färöer haben nur sieben Mannschaften im heimischen Spielbetrieb

Aber nicht nur die Fangemeinde ist bemerkenswert, es ist auch das Handball-Projekt der Färöer. Der Spielbetrieb beschränkt sich auf sieben Mannschaften, deshalb werden die größten Talente schon im Jugendalter nach Schweden, Island oder Dänemark geschickt, um sich dort ausbilden zu lassen. Wie a Skipagotu, der vom schwedischen Erstligisten Sävehof nach Kiel wechselte. Oder Hakun West av Teigum. Der 21-Jährige reifte beim dänischen Erstligisten Skanderborg Aarhus zum Toptalent, was ihm einen Vertrag bei den Füchsen Berlin einbrachte. Trainer ist der Däne Peter Bredsdorff-Larsen, der Vereinstrainer drei Meisterschaften feierte und als Assistenzcoach mit der dänischen Mannschaft zweimal Europameister war. Nun führte er die Färöer erstmals auf die ganz große internationale Bühne.

Mit beachtenswertem Erfolg, vor allem der Kieler Mittelmann a Skipagotu ließ die polnischen Abwehrspieler mit seinen Finten und überraschenden Würfen reichlich hölzern aussehen. Er erzielte neun Tore, war oft nur siebenmeterreif zu bremsen und setzte die Mitspieler sehenswert in Szene, wovon vor allem Rechtsaußen av Teigum mit zehn Treffern profitierte. Noch hängt zu viel im Spiel der Färöer von diesen beiden Jungprofis ab, aber fünf weitere Talente spielen in der dänischen und norwegischen Eliteliga. Die Färöer stellten die jüngste Mannschaft des gesamten Turniers, ähnliches lässt sich auch über den Verband sagen. Der wurde 1980 gegründet, Präsidentin ist die Mutter von Toptalent a Skipagotu. Dessen jüngerer Bruder Roi Ellefsen spielt ebenfalls im Nationalteam, zudem stehen in Oli Mittun und dessen Bruder Pauli zwei Cousins zum Kader.

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Trotz des Ausscheidens darf dieser Familienbetrieb das Abschneiden als großen Erfolg werten, wie Topscorer av Teigum bestätigte: "Das war für uns ein fantastisches Erlebnis, man darf nicht vergessen, wir stehen am Anfang und Norwegen ist einer der Favoriten. Es war unser erstes Turnier auf diesem Niveau, es sollen noch viele in Zukunft kommen. Wir befinden uns in einem Lernprozess."

Der die Färöer noch weit bringen kann: "Wir haben eine junge Mannschaft und werden besser und besser. Jetzt werden wir den Fokus darauf legen, uns für die WM im nächsten Jahr zu qualifizieren, dafür werden wir hart arbeiten", sagt a Skipagotu. Das Ziel der Färöer ist, sich im internationalen Handball zu etablieren, den Einstieg darf der Außenseiter als erfolgreich verbuchen.

Handball boomt auf den Färöern, erzählt a Skipagotu, die Hallen sind immer auf, schon wegen des unwirtlichen Wetters wird dies von den Kindern genutzt. Die EM-Teilnahme wird diesen Trend nicht nur seiner Ansicht nach befeuern. Und die Trauer um das vorzeitige Ende wurde dem Vernehmen nach zusammen mit den Fans erfolgreich bewältigt.

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