Handball-EM:Wieder eine ärgerliche Schwächephase

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Torwart Johannes Bitter begann sehr stark, dann wurde er immer häufiger von den Norwegern überwurden (Foto: Radovan Stoklasa/Reuters)

Die deutschen Handballer verlieren auch ihr zweites Hauptrundenspiel 23:28 gegen Norwegen - damit wird es noch schwerer, das Halbfinale zu erreichen.

Von Carsten Scheele

In der Hauptrunde einer EM geht es gnadenlos zu, diese Erfahrung machen derzeit auch die deutschen Handballer. In der Vorrunde, als die Gegner Belarus, Österreich und Polen hießen, konnten sie ihre vielen coronabedingten Ausfälle noch kompensieren, jetzt aber kommen die harten Kaliber, die definitiv jede Unsicherheit ausnutzen. Und so hat es die bereits zweite Niederlage gesetzt, nach der Pleite gegen Titelverteidiger Spanien (23:29) verloren die deutschen Handballer auch am Freitagabend gegen Norwegen mit 23:28 (12:14).

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"Wir wussten, dass heute alles klappen musste, um eine Chance zu haben", sagte Bundestrainer Alfred Gislason im ZDF: "Aber es hat nicht alles geklappt." Mittelmann Philipp Weber erklärte, die von elf Corona-Fällen durchrüttelte Mannschaft habe wieder alles gegeben: "Es ist schade, aber wir können uns keinen Vorwurf machen."

Für einen möglichen Halbfinaleinzug muss Gislasons Team, das nun bei 2:4 Punkten steht, die verbleibenden beiden Hauptrundenspiele am Sonntag gegen Schweden und am Dienstag gegen Russland gewinnen und zudem auf passende Ergebnisse der direkten Konkurrenz hoffen.

Alle PCR-Tests der deutschen Spieler blieben diesmal negativ - Bundestrainer Gislason tauschte trotzdem kräftig durch

Wie so oft in diesem Turnier entschied sich Gislason für eine Startformation, die so noch nie zusammen gespielt hatte. Diesmal war dies keine unmittelbare Corona-Folge; alle PCR-Tests der Spieler am Donnerstag und Freitag waren negativ geblieben. Gislason tauschte trotzdem kräftig durch, im Mittelblock in der Abwehr bekam Simon Ernst anfangs viel Spielzeit, auf Linksaußen begann Patrick Zieker, auf Rechtsaußen Lukas Zerbe. Das klappte zunächst hervorragend: Das deutsche Team führte 5:3 (11. Minute), weil Torwart Jogi Bitter sehr gut ins Spiel fand, einige Bälle parierte und der Tempogegenstoß ebenfalls gut lief.

Den norwegischen Weltklassemann Sander Sagosen hatte die deutsche Abwehr ziemlich gut im Griff. (Foto: Radovan Stoklasa/Reuters)

Doch die Norweger zeigten bald, dass sie über eine Weltklasseformation verfügen, die auch mal ein schwächeres Spiel von Sander Sagosen verkraften kann. Es ist zuletzt etwas ruhiger geworden um den vermutlich besten Handballer der Welt, der mit seinem angekündigten Wechsel vom THW Kiel in die Heimat zu seinem Jugendklub Kolstad viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Doch jetzt ist EM, und Sagosen leistete sich einen schwächeren Tag, auch wenn er die Norweger mit seinem Treffer zum 7:6 erstmals in Führung brachte (19.).

Es war eine Phase, in der die Deutschen fast neun Minuten nicht ins Tor trafen. Eine ähnlich ärgerliche Schwächeperiode hatte das Team bereits am Vortag gegen Spanien in Schwierigkeiten gebracht. "Unser Problem ist im Angriff", sagte Bundestrainer Gislason unmissverständlich in der Auszeit. Häufig waren die deutschen Würfe einfach zu ungenau, so parierte Norwegens Torwart Torbjörn Bergerud sehr viele Bälle in dieser Phase, erst David Schmidt schaffte es, den Torhüter wieder zu überwinden.

Dass die Deutschen im Spiel blieben, lag vor allem an ihrem ebenfalls starken Torwart. Bitter hielt gegen die norwegischen Werfer aus nahezu allen Lagen, aus dem Rückraum, von Außen, im Tempogegenstoß. Zwischenzeitlich steuerte der 39-Jährige auf eine Quote gehaltener Bälle von 50 Prozent zu, ehe die Norweger kurz vor der Pause doch einige Male einen Weg an Bitter vorbei fanden. Mit einem Zwei-Tore-Rückstand ging das DHB-Team in die Halbzeit (12:14) - alles noch drin.

Nach der Pause schien die Deutschen das Turnierglück aber endgültig zu verlassen. Bitter parierte sehenswert gegen Petter Overby - doch der Ball prallte ihm im Fallen gegen die eigene Fußhacke und von dort ins Tor. Die Norweger zogen davon, erwirtschafteten sich zum ersten Mal eine Vier-Tore-Führung, wieder zeigte sich: Eine Mannschaft, die während der EM noch keine coronabedingten Ausfälle zu verkraften hat, kann das Tempo deutlich länger hochhalten als das heftig getroffene deutsche Team. Nun soll es am Sonntag gegen Schweden wieder mit einem Sieg klappen. Torwart Bitter versprach: "Wir werden uns nicht beschweren und weiterarbeiten."

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