Dänemarks Handballtorwart Emi Nielsen:Das Format für die ganz große Bühne

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Klasse und Masse: Emil Nielsen wurde von den Teamkollegen eine historisch gute Leistung bescheinigt. (Foto: Joaquim Ferreira/HMB-Media/Imago)

Weltmeister und Titelfavorit Dänemark ist mit Siegen gegen Tschechien und Griechenland souverän in die EM gestartet. Dabei hat sich Torhüter Emil Nielsen als Nachfolger von Welthandballer Niklas Landin eindrucksvoll in Stellung gebracht.

Von Ralf Tögel, München

Es dauerte ein Weilchen, bis die Handball-Europameisterschaft für Emil Nielsen beginnen konnte. Zunächst saß der Torhüter der dänischen Handball-Nationalmannschaft auf der Bank, er ist die Nummer zwei in diesem erlesenen Kader. In der ersten Reihe steht einer, den man getrost schon zu Schaffenszeiten als Legende bezeichnen darf: Niklas Landin. Der 35-Jährige hat jeden bedeutenden Titel gewonnen, er war Europameister, Weltmeister und Olympiasieger, er hat die Champions League gewonnen, zudem Meistertitel in Dänemark und Deutschland. Nun beabsichtigt er, dieser Liste einen weiteren Titel hinzufügen.

Dass die Dänen zum engen Favoritenkreis zählen, ist nicht nur den drei Weltmeistertiteln geschuldet, die die Skandinavier hintereinander gewonnen haben. Trainer Nicolaj Jacobsen kann aus einem schier unerschöpflichen Pool an Spitzenspielern wählen, auch auf der bedeutenden Position des Torhüters. Nielsen kann es schon als Erfolg werten, dass er überhaupt nominiert wurde, denn Jacobsen ließ Weltklasseleute wie den Flensburger Kevin Möller oder Jannik Green (Paris St. Germain) zu Hause.

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Dann bekam Nielsen vom Trainer nach 25 Minuten Wartezeit im Eröffnungsspiel gegen engagierte Tschechen die Direktive, für Landin ins Tor zu gehen. Der hatte kaum einen Ball zu fassen bekommen, der Außenseiter führte kurz vor der Pause unerhörterweise mit 9:8 Toren. Und Nielsen tat, was Jacobsen von ihm sehen wollte: Er reihte eine Parade an die nächste.

Die Dänen steigerten sich erwartungsgemäß und holte einen 23:14-Erfolg, vor allem dank Nielsen: 15 der 18 auf ihn abgefeuerten Würfe parierte der 26-Jährige, eine Quote von 72 Prozent gehaltener Bälle ist auf der Weltbühne ein selten erreichter Wert. In zweiten Spiel gegen die Griechen durfte Nielsen beginnen, hielt erneut stark, wenngleich die Hellenen keine internationale Referenzgröße darstellen. Mit wie viel Demut der Außenseiter gegen den Weltmeister antrat, war vor dem Spiel gut zu beobachten. Weil Jacobsen seinem zweiten Welthandballer im Team eine Pause gönnte, saß Mikkel Hansen vor der Partie entspannt im Publikum, um ein bisschen Tschechien gegen Portugal anzusehen (Portugal siegte 30:27). Ein paar griechische Nationalspieler nutzten die Gelegenheit und baten den dreimaligen Welthandballer um ein Erinnerungsfoto.

Auch eine Meningitis-Erkrankung konnte Emil Nielsen nicht stoppen, er kam stärker denn je zurück

Auch ohne Mikkel Hansen gewann der Favorit 40:28, die Hauptrunde war vorzeitig gebucht. Unter anderem dank Nielsen, der sich bescheiden gab: Nervös sei er gewesen, bekannte er, was schon überraschte, schließlich glänzt er beim FC Barcelona regelmäßig in der Champions League. "Das ist mein erstes richtiges internationales Turnier", erklärte Nielsen, "ich war schon aufgeregt, aber auch glücklich, als ich aufs Feld durfte." Zwar stand er beim WM-Sieg 2021 im Kader, aber auch im Schatten des großen Niklas Landin. Weil er kaum gespielt habe, zähle dieser Titel nicht wirklich. Bei anderen Großturnieren hatte Trainer Jacobsen auf Möller oder Green gesetzt, nun also kann sich Nielsen erstmals auf großer Bühne präsentieren.

Kollege und Ansporn: Niklas Landin war zweimal Welthandballer, Emil Nielsen will den 35-Jährigen im dänischen Tor beerben. (Foto: Marco Wolf/dpa)

Dabei entspricht der in Aarhus geborene Profi nicht unbedingt dem Idealbild des Modellathleten, das ohnehin groß dimensionierte Torhütertrikot spannt gehörig um die Hüften. Was ihn nicht anficht: "Ich bin in guter Form", sagt der 1,95-Meter-Brocken, der zwar offiziell 120 Kilogramm aufs Spielfeld trägt, dennoch äußerst flink und beweglich ist. Und Nielsen versteht es, die Würfe der Gegner zu antizipieren. Die Konkurrenz zum zweimaligen Welthandballer Landin bereitet ihm auch keine Sorgen: "Ich bin an den Wettbewerb mit solchen Spielern gewöhnt, in Barcelona spiele ich mit Gonzalo Pérez de Vargas, das spornt mich an." Vargas ist der Weltklassemann im spanischen Tor, der in der kommenden Saison von Barcelona nach Kiel wechselt. Entscheidend für derart gute Leistungen sei die Harmonie mit der Abwehr, erklärt Nielsen, und da fühle er sich in der dänischen Mannschaft gut aufgehoben.

Schon zu Beginn seiner Karriere machte Nielsen schnell auf sich aufmerksam, war Jugendnationalspieler und debütierte mit 18 in der ersten dänischen Liga - wo er sofort zum besten Torhüter gewählt wurde. Doch es folgte ein Karriereknick, Nielsen erkrankte an Meningitis, eine Krankheit, die nicht nur Sportlerkarrieren zerstören kann. Nach einer langen Auszeit kämpfte er sich zurück, zog mit Skjern Handbold ins Viertelfinale in der Champions League ein und gewann 2018 die dänische Meisterschaft. Spätestens jetzt weckte er auch international Begehrlichkeiten und ging den Weg, den das Gros der dänische Toptalente geht: ins Ausland. 2019 wechselte er in die französische Liga nach Nantes und wurde hinter Paris Meisterschaftszweiter. Im Juli 2022 kam die Offerte von Barca, wo er mittlerweile sogar Pérez de Vargas den Rang abgelaufen hat.

Nun also will er seine erste Gelegenheit nutzen, sich auf der ganz großen Bühne zu präsentieren - mit Niklas Landin: "Ich versuche einfach mein Ding zu machen, wichtig ist nur, die Spiele zu gewinnen. Ob es dann Niklas macht oder ich, ist egal."

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