Handball:Fassungslose Franken

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Sportlich läuft es gar nicht schlecht für Kreisläufer Jonas Renz und die Wölfe Würzburg, finanziell droht hingegen Ungemach. (Foto: Heiko Becker/HMB-Media/Imago)

Die Würzburger Handballer ziehen gegen den Freistaat vor Gericht. Es geht um Corona-Hilfen, ohne die der Drittligist in eine ernste Finanzlage kommen könnte.

Von Sebastian Leisgang

Im ersten Moment hat Roland Sauer sogar das große Ganze infrage gestellt, er konnte gar nicht anders. "Wo leben wir denn?", sagt Sauer, "das war das Erste, was ich mir gedacht habe." Sauer schaut aus dem Fenster, es regnet. Irgendwie passt das alles gerade zusammen: das Wetter, Sauers Stimmung und die Lage, in der sich die Wölfe Würzburg in diesem Frühwinter befinden. Was den Handball angeht, läuft es eigentlich ja gar nicht so schlecht. Nach dem Abstieg aus der zweiten Liga hat der Klub einen Neuanfang ausgerufen, die Mannschaft kommt allmählich in Tritt, und die Zuschauer können sich wieder mit dem Team identifizieren. Es wächst also was zusammen bei den Wölfen, doch Sauer, der Geschäftsführer, sagt trotzdem Sätze wie: "Die aus der Politik machen sich gerade keine Freunde." Oder: "Es geht ganz schön rund momentan."

Quartale und Bezugszeiträume, variable Kosten und fixe Kosten: Sauer spricht jetzt über Betriebswirtschaftliches, er, ein Zahlenmensch, ist in seinem Element. Das Nüchtern-Sachliche, das ihn sonst auszeichnet, ist aber einer gewissen Fassungslosigkeit gewichen. "Es ist Wahnsinn, was da abgeht", sagt Sauer.

Im Kern geht es um staatliche Unterstützungsleistungen im Zuge der Corona-Pandemie. Die Wölfe sollen rund 50 000 Euro aus dem Jahr 2022 zurückzahlen, etwa 43 000 Euro haben sie gar nicht erst erhalten. "Es ist nicht gerechtfertigt, was da passiert", sagt Sauer und führt dann das Thema Hallenmiete aus: Weil die Wölfe in manchen Monaten nur ein Heimspiel haben, in anderen aber zwei oder unter Umständen sogar drei, variiert die Höhe der Hallenmiete. In den Augen des Staates sind die Kosten also variabel und deshalb - im Gegensatz zu Fixkosten - nicht förderfähig. Sauer hält jedoch dagegen: "Anscheinend verstehen die Entscheider nicht den Unterschied zwischen einem Unternehmen und einem Sportverein. Natürlich ist die monatliche Miete bei einem Unternehmen immer gleich und bei einem Sportverein eben nicht - auf die ganze Saison gesehen aber schon."

Begrenzte Ressourcen und die Gefahr von finanziellen Einbußen: Der Verein sieht keine andere Möglichkeit als eine Klage

Damit ist für Sauer klar: Die Hilfen stehen seinem Klub zu. Und das gelte auch im Falle der Einbußen bei Ticket- und Sponsoreneinnahmen. "Da heißt es, das habe nichts mehr mit Corona zu tun, weil es bei den Zahlungen vom Staat ums Jahr 2022 geht", sagt Sauer: "Wir haben unsere Dauerkarten für die Saison 2021/22 aber schon im Sommer 2021 verkauft und die Sponsorenverträge sogar noch früher abgeschlossen. Und weil da noch mit Corona-Beschränkungen zu rechnen war, waren unsere Zuschauer und Sponsoren zurückhaltend - das liegt doch auf der Hand."

Der Staat sieht das allerdings anders und lehnte den Antrag der Wölfe ab. Und weil der Klub keinen Einspruch einlegen konnte, geht die Angelegenheit nun vor das Würzburger Verwaltungsgericht. Mitte Dezember wird verhandelt. "Das ist alles mit viel Stress und Aufwand verbunden", sagt Sauer, "aber wir werden alles daran setzen, dass wir das meistern."

Sollte der Drittligist 50 000 Euro zurückzahlen müssen und den zweiten Posten über rund 43 000 Euro nicht mehr erhalten, finde er sich auf einen Schlag in einer ernsten Situation wieder, erklärt Sauer. Von Existenzsorgen will er zwar nicht sprechen, er sagt aber: "Dann müssen wir wieder Wege finden, wie wir das auffangen können. Und unsere Ressourcen sind jetzt schon sehr begrenzt."

Als Sauer das sagt, hat er etwas Kämpferisches in seiner Stimme. Wird schon werden, irgendwie. Die Mannschaft bereitet ja wieder Freude, und der Handball ist nun mal die Basis für alles, was abseits des Parketts passiert.

Eigentlich wollte Sauer die Wölfe unter den besten 25 Klubs im Land etablieren, doch dann stieg die Mannschaft in der vergangenen Saison nach zehn Jahren aus der zweiten Liga ab. Ein großer Rückschlag, der den Verein erst einmal ziemlich ernüchtert zurückgelassen hat. "Manchmal hatte man den Eindruck, dass die Spieler mit der zweiten Liga zufrieden waren", sagt Sauer, "wir haben auch Zuschauer verloren, weil sie die Bereitschaft auf dem Platz nicht mehr gespürt haben. Das ist jetzt wieder ganz anders."

In den nächsten zwei Jahren wollen die Wölfe den Aufstieg mit ihrer jungen Mannschaft in den Blick nehmen. Aktuell steht die Mannschaft auf dem fünften Platz, vier Punkte beträgt der Rückstand auf den Führenden. Die sportlichen Ziele für die nähere Zukunft bleiben also hoch. Und das, obwohl es in der Gegenwart genauso sehr um Zahlen und Zahlungen wie um Siege und Siebenmeter geht.

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