Handball-WM:Die Regime setzen sich in Szene

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Ägyptens Nationalspieler Seif Mohamed Elderaa (links) und Yehia Elderaa bejubeln das Erreichen des WM-Viertelfinales. (Foto: Mohamed Abd El Ghany/AFP)

Fußball in Katar, Handball in Ägypten und Radsport in Turkmenistan: Internationale Großwettkämpfe verlangen zwingend, dass sich der Blick auf den Kontext richtet, in dem diese Ereignisse stehen.

Kommentar von Barbara Klimke

Die Pharaonen feiern: Einzug ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft unter den Pyramiden, während ein ehemaliger Champion wie Germany die Rückflugtickets bucht; ein Duell auf Augenhöhe (25:25) gegen Slowenien; dazu das erhebende Gefühl des aus Portugal verpflichteten Nationaltrainers Roberto Parrondo, Ägypten erneut "unter den besten acht Handballteams des Globus" zu wissen. Zufall also, dass just an jenem Tag auch bei Al Jazeera Egypt unter der Überschrift "Absolut beklagenswert" eine Dokumentation von Amnesty International über Folter und unmenschliche Haftbedingungen politscher Gefangener in Ägypten nachzulesen ist?

Die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun hat, Handballstatistiken mit Haftberichten, stellt sich nicht. Sport findet niemals ohne gesellschaftliche Anbindung statt: Er ist stets der Appendix wirtschaftlicher oder politischer Interessen eines Landes. Das gilt selbstverständlich auch für das Championat in dem bevölkerungsreichten Staat der arabischen Welt, in dem Handball eine Traditionssportart ist und in dem seit zwanzig Jahren der Chef des Handball-Weltverbandes residiert, Hassan Moustafa. 32 Mannschaften wurden eingeladen, so viele wie nie zuvor, und für sein Rekordturnier ließ das Land allein drei prächtige neue Hallen bauen, die allem Anschein nach mit mehr Liebe ausgestattet sind als die staatlichen Haftanstalten.

Der Radsportverband vergibt ein Championat nach Turkmenistan - und übersieht dabei einiges

Von "Misshandlungen und gezielter Unterversorgung" ist in dem Amnesty-Bericht die Rede, der nun veröffentlicht wurde, pünktlich zum Jahrestag der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz am 25. Januar 2011. Human Rights Watch schätzt, dass seitdem rund 60 000 Menschen hinter Gitter mussten; auch das Auswärtige Amt verweist auf eine zunehmende Kontrolle des Militärs über das zivile Leben und stuft die Lage der Menschenrechte als "besorgniserregend" ein.

Internationale Großwettkämpfe verlangen zwingend, dass sich der Blick auf den Kontext richtet, in dem diese Ereignisse stehen. Denn ihr erwünschter Nebeneffekt kann mal ökonomisch sein, etwa zur Förderung des Landestourismus, und mal politisch, indem er zum Beispiel autokratische Systeme stabilisiert.

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Letzteres war die Staatsräson in Belarus, wo der Diktator Alexander Lukaschenko nach manipulierten Präsidentschaftswahlen das Volk niederknüppeln und verhaften lässt und auf die Image-Weißwaschung durch eine Eishockey-WM setzte. Erst auf weltweiten Druck von Athleten und Sponsoren hat der Weltverband dem Gewaltherrscher vor einer Woche die Selbstdarstellungsshow entrissen. Im kommenden Jahr können sich China (Olympische Winterspiele) und Katar (Fußball-WM) als Gastgeber in Szene setzen: Die weltweit größten Sportveranstaltungen wurden an Regimes vergeben, deren Umgang mit Menschenrechten problematisch ist.

Bereits 2021 darf Turkmenistan übrigens die Bahnradfahrer zum Championat begrüßen. Der politische Rahmen hat den Weltverband UCI und seinen Präsidenten David Lappartient nicht interessiert. "Sport ist Sport", sagte er und verwies auf ein "wunderschönes Velodrom, eines der schönsten der Welt". Übersehen hat er dabei geflissentlich, dass Turkmenistan auf dem Index der Pressefreiheit den 180. und letzten Rang belegt, noch hinter Nordkorea. Auch von den Radfahrern ist zu erwarten, dass sie wissen, wen sie unterstützen.

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