Handball:26 Absteiger

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Der vielseitige Rückraumspieler Yannick Engelmann wird mangels Alternativen beim TuS Fürstenfeldbruck zum Spielmacher umgeschult, wie Trainer Martin Wild sagt. (Foto: Hartmut Boesener /Imago)

Die dritte Handball-Liga ist durch Corona aufgebläht wie nie und soll nun drastisch reduziert werden. Zweitliga-Absteiger TuS Fürstenfeldbruck muss zahlreiche Weggänge verkraften und sich im VfL Günzburg eines aufstrebenden Konkurrenten in der Nähe erwehren.

Von Heike A. Batzer

Jetzt ist er weg. Manuel Riemschneider, seit Jahren vom TuS Fürstenfeldbruck eher halbherzig in den Blick genommen, spielt jetzt für den VfL Günzburg. "Da waren wir zu spät", bekennt Martin Wild vom TuS Fürstenfeldbruck durchaus selbstkritisch. Dort hätte man den 24-Jährigen, der jahrelang einen Steinwurf entfernt im Nachbarort Eichenau gespielt hat, jetzt gut gebrauchen können. Als man der Lücke, die der bisherige Spiellenker Falk Kolodziej durch seinen Abschied hinterließ, gewahr wurde, war Riemschneider schon von Günzburg verpflichtet. Seit der dortige VfL, in den Achtzigerjahren mal eine Bundesliga-Größe, wieder in der dritten Liga angekommen ist, erwächst dem Zweitliga-Absteiger TuS Fürstenfeldbruck im Umkreis womöglich ein Konkurrent um die begehrten Talente.

Günzburg und Fürstenfeldbruck sind die einzigen beiden Handballklubs aus Südbayern in der dritten Liga, der Zwischenetage zwischen Profi- und Amateurbereich. Der Austragungsmodus ist neu, in sieben Gruppen wird die Saison 2021/22 gespielt, zwölf Teams tragen jeweils eine Vorrunde mit Hin- und Rückspielen aus. Danach steht für die jeweils Erst- und Zweitplatzierten der einzelnen Gruppen eine Aufstiegsrunde an, das kleine Mittelfeld darf sich um den Zugang zum DHB-Pokalwettbewerb bemühen und die Teams auf den Rängen sieben bis zwölf spielen eine Abstiegsrunde. Weil die abgebrochenen Corona-Spielzeiten zwar Auf-, aber keine Absteiger generierten, soll die aufgeblähte dritte Liga auf diese Weise wieder verkleinert werden: Von 82 Teams werden 26 absteigen.

Beim TuS fordert die enorm anstrengende Zweitligasaison immer noch Tribut

Die Vereine haben sich mit dem neuen Modus arrangiert. Eigentlich habe man unter diesen Bedingungen keine Chance, nicht abzusteigen, vermutet Günzburgs Rückraumspieler Michael Jahn: "Wir müssten ja die halbe Liga hinter uns lassen." Aber Corona sei "eine schwierige Zeit für alle". Auch in Fürstenfeldbruck können sie nach der kräftezehrenden Saison in der zweiten Bundesliga, die sie gleich wieder verlassen mussten, mit weniger Termindruck gut leben. Vermutlich werde man in zehn Jahren noch darüber reden, wie man während der Woche ein Spiel beim HSV Hamburg absolvierte, nachts mit dem Zug zurückfuhr und morgens wieder zur Arbeit ging, erzählt Trainer Martin Wild und lacht. In Wirklichkeit aber forderte eine überlange Zweitliga-Saison von Oktober bis Juni mit 36 Spieltagen ihren Tribut. Nur zweieinhalb Wochen nach deren Ende beorderte Wild sein Team schon wieder für die Vorbereitung auf die nächste Saison in die Halle und musste dabei feststellen, dass "noch nicht alle vollständig erholt waren, vor allem mental".

Mehr Zeit, dafür deutlich weniger Spielpraxis hatten die Handballer aus Günzburg, die ebenfalls 2020 einen Aufstieg feierten, jenen von der Bayernliga in Liga drei. Es ist ihr dritter Aufstieg, seit sie bis in die Bezirksoberliga abgerutscht waren. Doch nach wenigen Spielen war die Saison wieder beendet. Lockdown. Nun also ein Neustart für den Verein, der sich dank seiner Jugendarbeit langsam wieder nach oben gearbeitet hat. Diesen "Günzburger Weg", wie sie ihn nennen, bauten sie über zehn Jahre kontinuierlich mit dem eigenen Nachwuchs auf. Die A-Jugendlichen, die 2013 erstmals für den VfL in der Jugendbundesliga spielten, stützten fortan die Männermannschaft. Michael Jahn, Daniel Jäger und Nico Jensen sind immer noch an Bord. Gut die Hälfte des Teams besteht aus Günzburgern, ergänzt um Zugänge wie die Rechtsaußen Andre Alves und Sergi Alá Sánchez oder eben Mittelmann Manuel Riemschneider. A-Lizenz-Trainer Gábor Czakó geht in seine dritte Saison in Günzburg. "Er passt perfekt zu uns", sagt Michael Jahn, weil auch er die Verbindung zwischen erster Mannschaft und Jugendbereich im Blick behalte.

In Fürstenfeldbruck gibt es nur einen Neuzugang, der Wiederaufstieg sei nicht realistisch, sagt Trainer Martin Wild

In Fürstenfeldbruck sind fünf Spieler aus dem Zweitligakader nicht mehr dabei, darunter die wichtigen Rückraumspieler Kolodziej und Johannes Stumpf, und auch die vier Langzeitverletzten Alexander Leindl, Cedric Riesner, Felix Kerst und Benedikt Hack sind noch nicht wieder einsatzfähig. Das Loch auf der Rückraum-Mitte-Position soll nun Yannick Engelmann füllen, der bislang fast überall einsetzbar war und gerade "umgeschult wird", wie Trainer Wild sagt. In Philipp Hlawatsch gibt es nur einen einzigen Neuzugang, der kann zwar auch im Rückraum spielen, ist aber gerade erst der A-Jugend des TSV Allach entwachsen. Dort hatte er mit Stephan Seitz im Jugend-Bundesligateam gespielt. Seitz ist auch erst 19, hat aber per Doppelspielrecht die Zweitligasaison mit den Brucker Panthern absolviert und dabei das Interesse von Bundesligist Erlangen geweckt. Vor wenigen Tagen wurde Seitz U19-Europameister. In der neuen Saison gehört er zum vorerst überschaubar großen Kader von zehn Feldspielern.

Die Vorbereitungszeit stimmte dennoch zuversichtlich, mit Siegen über Bundesliga-Absteiger Ludwigshafen, über den Schweizer Erstligisten Sankt Gallen und einer knappen Niederlage gegen Mitabsteiger Konstanz. Das Saisonziel haben sie dennoch erst einmal niedrig gehängt. "Es ist kein realistisches Ziel, um den Wiederaufstieg zu spielen", sagt Martin Wild. Platz vier oder besser wollen sie sich vornehmen und "tunlichst vermeiden, in diese Abstiegsrunde zu rutschen". Immerhin können sie ohne weitere Verletzte in die neue Runde starten. In Günzburg lief das nicht so gut. Bei Abwehrmann Julian Ruckdäschel riss das vordere Kreuzband, noch ehe die Saison angefangen hat.

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