Hamilton und Vettel:"Es war falsch, in ihn reinzufahren"

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Wieder versöhnt? Opfer Lewis Hamilton (links), Täter Sebastian Vettel (r.) und die symbolische Trennwand Kevin Magnussen. (Foto: Getty Images)
  • Viele erwarten beim ersten gemeinsamen Auftritt nach dem Baku-Crash eine Konfrontation zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel.
  • Doch der Auftritt verläuft verblüffend harmonisch. Vettel entschuldigt sich noch einmal öffentlich, Hamilton nimmt an.
  • Die beiden sollen bereits einen Tag nach dem Unfall in Baku miteinander telefoniert haben.

Von Philipp Schneider, Spielberg

Als Lewis Hamilton am Donnerstag den Raum für die Pressekonferenzen betritt, da hat er tatsächlich etwas zwischen den Zähnen. Allerdings entpuppt sich dieser Gegenstand bei genauerem Hinsehen nicht als Messer. Es ist nur ein Zahnstocher. Und damit ist der Ablauf dieser ersten öffentlichen Begegnung zwischen Hamilton und Sebastian Vettel bereits vorgezeichnet: Die beiden Formel-1-Piloten würden sich schön brav an ein Skript mit vielen versöhnlichen Worten halten.

Das lag vor allem daran, dass Vettel ganz fürchterlich einsichtig war: "Ich hatte aus dem Auto einen anderen Blick auf die Szene als später von außen", sagte er. "Ich dachte, dass Lewis gebremst hätte. Und dann habe ich in diesem Moment überreagiert." Und Hamilton, der Vettel vor 14 Tagen noch Prügel angedroht hatte, erteilte ihm nun die Absolution: "Ich habe seine Entschuldigung angenommen. Ich spüre überhaupt keine Spannung zwischen uns, auch wenn andere das vielleicht tun", sagte er. Alles wieder gut. Alles vergessen.

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Und zu der versöhnlichen Szene passte auch die Kulisse: Beim Grand Prix in Spielberg drängt ja an jedem Fenster das Alpenpanorama durch den Rahmen. Die Welt sieht ein bisschen so aus wie in einem illustrierten Band von "Heidis Lehr- und Wanderjahre" der Schweizerin Johanna Spyri. Nur gab es hier nicht ein Treffen zwischen Heidi und dem Lausbub Ziegenpeter. Hier gab es ja eigentlich die Konfrontation zwischen Hamilton und dem Wutpiloten Vettel. Nur fiel sie halt aus.

Vor zwei Wochen ist Vettel dem Briten während einer Neutralisationsphase zweimal ins Auto gerumpelt. Einmal von hinten (als er einen Bremstest Hamiltons witterte, zu Unrecht, was die Daten belegen), kurz darauf auch noch in die linke Seite (vor Zorn, weil er zu Unrecht einen Bremstest gewittert hatte).

An diesem Montag hatte Vettel dann zu seinem 30. Geburtstags ein Geschenk erhalten, das nicht wenige Beobachter als so überzogen empfunden hatten wie einen Porsche zum Geburtstag der achtzehnjährigen Tochter: Jean Todt, der Präsident des Automobilweltverbandes Fia, ließ Vettel trotz seines Rammstoßes keine weitere Strafe zukommen. Vettel verlor keine Punkte. Er wurde auch nicht gesperrt. Es blieb bei der zehnsekündigen Parkstrafe, die der WM-Führende schon während des Rennens gebüßt hatte - und die ihn, zugegeben, wohl den Sieg und 13 WM-Punkte gekostet hatte. Dieses Geschenk war ein Gnadenakt. Und weil Todt von 1993 bis 2007 Teamchef bei Ferrari gewesen war, hatte dieser Gnadenakt noch das Geschmäckle einer Kumpanei.

Ihm sei es ja lediglich ein großes Anliegen gewesen, sagte Hamilton am Donnerstag in Spielberg, dass Vettel öffentlich einräumen würde, dass er eben nicht gebremst habe, kurz vor dem Moment, als ihm Vettel in Aserbaidschan ins Heck fuhr. "Ich habe viele Nachrichten von Leuten bekommen, die meinten: Wie konntest du da nur bremsen?", erzählte Hamilton. Diesen Fehler hatte Vettel schon am Montag bei seiner Anhörung bei der Fia in Paris eingestanden. Und nun halt noch mal. "Ich wurde überrascht und habe überreagiert", gab Vettel zu: "Es war falsch, in ihn reinzufahren, das Manöver war falsch. Ich hatte aber nie die Absicht, ihn zu verletzen. Viel mehr gibt es nicht zu sagen."

Dafür gab es aber einiges zu sehen. Es ging bei dieser Pressekonferenz nämlich ein bisschen zu wie bei Herzblatt. Zwei Menschen saßen nebeneinander. Allerdings redeten sie nicht miteinander, sondern nur übereinander. Sie sahen sich auch nicht in die Augen. Nur gab es halt zwischen ihnen nicht eine Spanische Wand wie in der guten, alten Fernsehsendung für traurige Singles. Es gab zwischen Vettel und Hamilton dafür den armen Kevin Magnussen vom Team Haas. Dem wurden hin und wieder zwar ein paar Höflichkeitsfragen gestellt ("Na, denkst du, dein Auto ist gut genug für die dritte und letzte Phase des Qualifyings?"), in Wahrheit versuchten die Journalisten unaufhörlich, Vettel oder Hamilton aus der Reserve zu locken. Das allerdings gelang niemandem.

Und nun kam auch noch heraus, dass Vettel und Hamilton den Unfall von Baku bereits am Tag nach dem Rennen persönlich am Telefon besprochen hätten. "Ich bin froh zu hören, dass es keinen großen Einfluss auf unser Verhältnis hat. Ich habe einen Fehler gemacht, also könnte ich verstehen, wenn er sauer ist", sagte Vettel: "Unser Respekt füreinander hilft uns in dieser Situation." Dass es diese Unterredung gegeben hatte, konnte ja niemand ahnen. Hamilton hatte geschwiegen in den vergangenen Tagen. Auf Twitter schickte er zwar eine Menge Bilder in die Welt. Aber keine Versöhnung. Es gab Hamilton beim Kickboxen. Hamilton beim Gesichteincremen (ja, beim Gesichteincremen). Hamilton beim Motorradfahren. Aber sonst? Kein Wort darüber, dass er Vettel verziehen hatte.

Nun also ist diese Causa für den Fahrer genauso beendet wie für seinen Chef bei Mercedes. "Dieses Kapitel ist jetzt geschlossen", hatte Toto Wolff gesagt: "Jede große Formel-1-Saison wird von einer großen Rivalität geprägt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Rivalität härter und umstrittener werden würde." So soll es sein.

Erst ganz am Schluss der Pressekonferenz gab es doch noch einen kleinen Fehler im Skript. Er finde es ein bisschen schade, sagte Hamilton, dass Jean Todt nicht da sei. "Jean sollte neben uns sitzen und ein paar Fragen beantworten", sagte er. "Die Botschaft, die ausgesendet wurde, bleibt die gleiche." Die Botschaft, dass ein viermaliger Weltmeister absichtlich einen Unfall verursachen darf.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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