Halbfinale der BBL:Bayern siegt im höllischen Drama von Berlin

Lesezeit: 3 min

30 Punkte, tolles Spiel, ein bisschen Provokation dazu: Nihad Đedović vom FC Bayern. (Foto: imago/Eibner)
  • Als es im fünften Halbfinalspiel um alles geht, zeigen Alba Berlin und der FC Bayern die beste und spannendste Partie, die viele je erlebt haben.
  • Dass die Münchner am Ende siegen, liegt auch an einem Ausraster ihres Trainers. Nach der Hinausstellung von Svetislav Pešić drehen sie das Spiel.
  • Hier geht's zu den Ergebnissen der BBL

Von Jonas Beckenkamp, Berlin

Als der ganze Wahnsinn dieses Abends sich langsam in den Köpfen und Herzen der Beteiligten setzte, als in der Halle am Berliner Ostbahnhof das Gebrüll ein wenig nachließ, da steckte auch Dennis Schröder sein Telefon die Tasche. Fast hätte der deutsche NBA-Profi den Ausgang dieses unfassbaren Basketballspiels gar nicht mitbekommen, so eifrig hatte er in vorderster Reihe auf seinem Mobilgerät herumgetippt. Zwischen Alba Berlin und dem FC Bayern war ein solcher Kampf über die Bühne gegangen, dass selbst der Ehrengast von den Atlanta Hawks nur eine Nebenfigur darstellte.

Schröder machte sich auf Richtung Spielerbank der Bayern, dort krallte er sich Heiko Schaffartzik und umarmte seinen Kollegen aus dem Nationalteam. Es war nur eines von zahlreichen Bildern, das hängen blieb nach diesem höllischen Drama in Spiel fünf der Halbfinalserie. Die Münchner entschieden es mit 101:96 (41:44) nach Verlängerung für sich, sie stehen damit erneut im Endspiel um die BBL-Meisterschaft. Eine solch monumentale Basketballschlacht hatte auch Bayern-Coach Svetislav Pešić in Deutschland noch nicht erlebt. Wenige Minuten nach dem finalen Schlusshorn rang der serbische Trainer-Guru nach Worten: "Das war außergewöhnlich. Wir sollten alle froh sein, hier dabei gewesen zu sein."

Wurfquote weit über 50 Prozent

Dass es so ein aufreibender Showdown wurde, lag freilich an beiden Teams, die sich nichts, aber auch gar nichts umsonst überließen. Es war ein Geballer der feinsten Sorte, eine Vorführung an Klasse, Einsatzwillen und Können. "Dieses fünfte Halbfinale war das dritte intensive Spiel in sieben Tagen, und dass beide Mannschaften solche Wurfquoten hinlegen, das habe ich noch nicht erlebt", stammelte Pešić, "ein exzellentes Spiel von beiden Mannschaften, das war ein Festival des Basketballs." Auf beiden Seiten fielen weit über die Hälfte aller Würfe durch die Reuse - dass die Bayern am Ende jubelten lag unter anderem daran, dass sie sagenhafte 14 Dreipunktewürfe verwandelten.

Allein sechs davon erzielte Nihad Đedović, der seine 30 Punkte mit fünf Assists, drei Rebounds und vier geklauten Bällen garnierte. Ein solch monströs gutes Spiel hat es in der BBL lange nicht mehr von einem Akteur gegeben. Bayerns Bosnier erwischte einen dieser Tage, an dem der Korb einem Basketballer groß wie ein Swimmingpool erscheint: Er musste die Bälle einfach nur irgendwo hinschmeißen und es sprangen Treffer heraus. Später stand Đedović in den Katakomben der stickigen Berliner Halle am Ostbahnhof, er zitterte noch beim Vortrag. "Ein normaler Zuschauer, der oben sitzt und eine Cola trinkt, kann das gar nicht nachempfinden, wie es auf dem Feld in so einem Spiel ist", sagte er, "das ist pures Adrenalin."

Die Zuschauer schrien und buhten sich so die Seele aus dem Leib, dass selbst der nahegelegene Techno-Tempel Berghain dagegen wie eine Konfirmandenparty mit Küchenradio geklungen hätte. Lange Zeit waren die Berliner in Führung und es sah so aus, als könnten sie den Rivalen aus dem Süden in diesem Alles-oder-nichts-Moment endlich niederringen. Dann kam es Mitte des dritten Viertels zum Knackpunkt: Pešić regte sich über einen ausgebliebenen Pfiff so dermaßen auf, dass er mit zwei technischen Fouls der Halle verwiesen wurde. Weil er partout nicht gehen wollte, brüllte ihn seine alte Heimat (er besitzt in Berlin sogar noch eine Wohnung) wütend von dannen.

Bryce Taylor in Slapstick-Manier

Aber der Psychoeffekt saß, Pešić hatte sein Team angestachelt: Plötzlich spielten die Bayern Basketball der abgezocktesten Sorte. Schaffartzik traf, Duško Savanović verwertete wilde Geschosse und kurz vor Schluss purzelte Bryce Taylor seitlich ins Aus - jedoch nicht ohne einen Wurf loszulassen, der in Slapstick-Manier in den Korb rasselte. Er besorgte die Führung zum 88:85, die die Berliner ausgleichen konnten. "Wir haben uns als Mannschaft zusammengerauft, als unser Coach aus der Halle musste. Nach dem Motto jetzt erst recht", meinte Schaffartzik - ein gebürtiger Berliner übrigens, der bei jeder Ballberührung die ganze Pfeifkunst der Hauptstadtfans zu spüren bekam. Es ging in die Verlängerung, weil auf der Gegenseite der famos agierende Liga-MVP Jamel McLean (29 Punkte, zehn Rebounds) den letzten Wurf danebensetzte.

Als es drauf ankam, bewiesen die Münchner eine Widerspenstigkeit, die man so die ganze Saison noch nicht von ihnen gesehen hatte. Đedović, der die Dinge fast alleine regelte, brachte es auf den Punkt: "Nicht nur, dass wir gewonnen haben, sondern auch wie, macht diesen Sieg besonders." Er ließ den alten Spruch von NBA-Trainerlegende Rudy Tomjanovich folgen, der einst die Houston Rockets zu zwei aufeinanderfolgenden Meisterschaften coachte: "Unterschätze nie das Herz eines Champions. Meister sind immer noch wir." Bumm. Das saß wie zuvor fast alle seine Wurfversuche.

Mit diesem Spirit ist den Münchnern auch zuzutrauen, im Finale die Brose Baskets Bamberg zu schlagen und erneut Meister zu werden. Die gehen zwar im Gegensatz zu den Bayern ausgeruht in die am Sonntag (15 Uhr) startende Serie, aber der erlebte Wahnsinn wird Pešićs Männer nun beflügeln. Vielleicht hätte Dennis Schröder wirklich öfter aufs Feld schauen sollen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: