Doping-Jäger Günter Younger:"Es wurde sogar weiter gedopt, während wir dort waren"

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Dopingfahnder: der deutsche Polizist Günter Younger (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Der Münchner Polizist Günter Younger half mit, das russische Dopingsystem aufzudecken. Im Interview schildert er, warum die Beteiligten kaum Spuren verwischten.

Von Johannes Knuth

Mit illegalen Substanzen kennt sich Günter Younger aus. Der Polizist leitete jahrelang das Drogendezernat von Interpol, spürte Drogenbosse in Liberia auf, enttarnte Doping-Labore, die illegal Steroide produzierten. Seit knapp 30 Jahren ist er in verschiedenen Führungspositionen im bayerischen Landeskriminalamt in München tätig, seit einem Jahr baut er das Dezernat für Cyberkriminalität auf.

Younger kennt sich aus in der Welt des Betrugs, und da er bei seiner Zeit bei Interpol auch Richard Pound kennen lernte, damals Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, fand sich der 48 Jahre alte Münchner vor einem Jahr plötzlich als Ermittler in einem der spannendsten Fälle der Sportkriminalität wieder: mitten in einer Ermittlungskommission, die systematisches Doping in Russland untersuchte.

"Die Ausgangssituation war für uns Ermittler nicht einfach", erinnert sich Younger im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, in der er auf die Ermittlungen zurückblickt. Die Wada hatte die unabhängige Kommission im Dezember geformt, sie sollte prüfen, inwieweit Hinweise über weitflächiges Doping in Russlands Leichtathletik zutrafen, die eine ARD-Dokumentation zusammengetragen hatte. Was Younger und seine Kollegen vorfanden, überstieg ihre Vermutungen. "Manchmal hatte ich das Gefühl, die wollen sich selbst entlarven", sagt er, "vereinzelt wurde sogar weiter gedopt, während wir dort waren. An anderer Stelle hat uns ein Befragter ins Gesicht gesagt: Egal, was ihr hier macht, es wird sich eh nichts ändern. Die Verantwortlichen in Russland haben sich nicht wirklich Mühe gegeben, irgendetwas zu vertuschen."

Younger stieß auf eine Dopingkultur, die so tief wurzelte, dass sie keine Verfolgung fürchtete, in der Athleten, Betreuer und Ärzte systemisch manipulierten, abgeschirmt durch Kontrolllabore und staatliche Instanzen. Er sah ein System, das über Generationen gewachsen war, entsprechend folgert Younger jetzt: "Die Betrugskultur zu entwurzeln, wird Jahrzehnte dauern. Da muss man auch fair sein und dem Land Zeit geben."

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Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte den russischen Verband verbannt, nachdem Youngers Kommission ihren Bericht vor einem Monat in Genf präsentiert hatte. Sämtliche Athleten dürfen erst wieder an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, wenn das Land tiefgreifende Reformen einleitet. Ob die IAAF Russland vor den Sommerspielen 2016 wieder aufnimmt, ist ungewiss.

Younger fordert die Wada als Konsequenz seiner fünfmonatigen Ermittlungsarbeit auf, im Anti-Doping-Kampf mehr Geld für Ermittlungseinheiten und in den Informantenschutz zu investieren. "Der Faktor Mensch wird bislang fast komplett außen vor gelassen. Man stützt sich auf Technik und Wissenschaft, aber Menschen sind in der Lage, das auszuhebeln", sagt er. Bislang leiste sich die chronisch unterfinanzierte Wada einen hauptamtlichen Ermittler für den gesamten Sport. "Man bräuchte bei der Wada mehr Experten, die ausschließlich diese Hinweise entgegennehmen. Dann bräuchte man eine davon unabhängige Einheit, die darauf aufbauend Trainingskontrollen durchführt", sagt Younger.

Erstes Ziel einer künftigen Ermittlungskommission sollte in Youngers Augen die von Doping- und Korruptionsvorwürfen erschütterte kenianische Leichtathletik sein. Wada-Präsident Craig Reedie hatte vor einer Woche zwar gesagt, er wolle keine neue Kommission formen, auch aus Geldgründen. Younger glaubt aber, dass etwaige Investitionen sich auszahlen würden: "Ich sehe bei Kenia einige Hinweise, da würde ich als Wada sofort sagen: Das sollte unser nächstes großes Ziel sein. Es steht derzeit die Glaubwürdigkeit des gesamten Sports auf dem Spiel."

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