Liverpool gegen City in der Premier League:Pep der Maurermeister

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Pep Guardiola gegen Jürgen Klopp: Dieses Duell steigt am Sonntag in Liverpool. (Foto: Pool via REUTERS)

ManCity hat sich mit einem für Trainer Guardiola untypischem Fußball an die Tabellenspitze vorgearbeitet. Der Kontrast zum kommenden Gegner Liverpool könnte kaum größer sein.

Von Sven Haist, London

Ein paar mehr Tore hätten es für Pep Guardiola schon sein dürfen zu seinem 500. Sieg als Trainer im Profifußball. Schickte doch der Spielplan zum Jubiläum den Tabellenletzten, Sheffield United, vorbei. Eigentlich eine dankbare Ansetzung, um dem Chef mit einer Trefferserie zu gratulieren; vielleicht sogar erstmals zweistellig, seit Guardiola im Sommer 2016 bei Manchester City anheuerte. Den höchsten Erfolg schaffte City unter Guardiola beim 8:0 über Absteiger Watford in der Vorsaison. Doch statt eines Feuerwerks ließ Sheffield nur einen Kracher zu. Der spärliche 1:0-Sieg, besiegelt durch den Brasilianer Gabriel Jesus, hatte Guardiola aber keinesfalls die Laune vermiest - im Gegenteil, der einstige Prophet des Offensivspektakels erfreute sich an den vermeintlich destruktiven Dingen: am gegentorlosen Spiel seiner Mannschaft.

Bereits zum fünften Mal in dieser Premier-League-Saison entschied ManCity eine Partie mit dem knappsten aller Ergebnisse. So oft war Guardiola zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nie als Minimalist unterwegs. Durch das folgende 2:0 über den FC Burnley wurde die Statistik gefestigt: In den jüngsten zwölf Ligaspielen kassierte City lediglich zwei Treffer, bei zwölf der 14 Saisonsiege stand hinten die Null. Mit der besten Abwehr der Liga und einem Zwischensprint mit neun Pflichtspielerfolgen im Januar (den meisten Siegen eines Klubs in einem Monat seit Gründung der Football League 1888) hat sich City glanzlos, aber effektiv an die Tabellenspitze vorgearbeitet, vorbei am Stadtrivalen United und dem schwächelnden Meister FC Liverpool.

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Nun ist der Januar vorbei, im Februar erfährt die neue Standfestigkeit ihren Qualitätstest, denn die verbliebenen Titelrivalen stehen Schlange. Vornedran der FC Liverpool, bei dem Guardiola bereits am Sonntag um 17.30 Uhr seine Aufwartung macht. Bei einem Rückstand von sieben Punkten und einem Spiel weniger als City steht Liverpool an der heimischen Anfield Road gewaltig unter Druck. Trainer Jürgen Klopp sehnt einen inspirierenden Erfolg herbei, seine letzten Erlebnisse waren ernüchternd: nur zwei Siege aus den letzten acht Partien, davon drei torlose Heimspiele, so einen Negativlauf hatte Liverpool seit Ewigkeiten nicht. Aber dreieinhalb Monate vor Saisonende soll die Titelverteidigung noch nicht aufgegeben werden.

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Liverpool fahndet nach einer stabilen Defensive, ManCity hat sie derzeit. Klopp vermisst die langfristig verletzten Verteidiger Virgil van Dijk, Joe Gomez und Joel Matip, auch Torwart Alisson Becker fehlte zuletzt - derweil wird Guardiola plötzlich als Maurermeister gefeiert. Das war lange nicht sein Handwerk, auch bei City nicht, wo Zukäufe für eine halbe Milliarde Euro zunächst keine absolute Sicherheit brachten. Der Strukturwandel wurde quasi aus der Not geboren, nachdem die Offensivkräfte Leroy Sané (25 Jahre/FC Bayern) und David Silva (34/Real Sociedad) im Sommer 2020 den Klub verließen und auf die Verletzungsanfälligkeit des momentan an Corona erkrankten Torjägers Sergio Agüero, 32, verwiesen wurde. Im Herbst war plötzlich Großalarm im Klub, ein 2:5 gegen Leicester City hatte alle Blößen betont. Guardiola hatte noch einen Joker und zog ihn: Er überarbeitete seine Spielidee.

Einst beim FC Barcelona, später beim FC Bayern und jetzt in Manchester war seine Strategie eigentlich auf maximale Feldüberlegenheit getrimmt. Der erste Befehl lautete: Empfangt den Gegner schon an dessen Strafraum! Die Risiken sind bekannt, wer vorne attackiert, sollte den Ball erobern, sonst gerät die eigene Abwehr in Not. Citys Mittelfeldspieler wie zum Beispiel der deutsche Nationalspieler Ilkay Gündogan sind eher Kreativgeister, greift der Gegner überfallartig an, kam das gesamte Fundament ins Schwimmen. Zwar beorderte Guardiola nicht alle Mann nach hinten, aber eine Parole lautete: Im Zweifel lieber einen Schritt zurück als zwei nach vorne. Die Folge ist ein für Guardiola-Mannschaften ungewohntes Bild, wenn alle elf Akteure sich solidarisch in der eigenen Hälfte versammeln.

Natürlich musste auch im Personaltableau neu gemischt werden. Der Portugiese Rúben Dias war schon im Sommer für knapp 70 Millionen Euro von Benfica Lissabon gekommen und erhielt einen Langstreckenvertrag bis 2026. Er soll endlich die vakante Nachfolge von Abwehrchef Vincent Kompany antreten, der sich bereits im Jahr zuvor als Trainer zu seinem Heimatklub RSC Anderlecht verabschiedet hatte. An der Seite von Dias blühen jetzt auch die zuvor schon abgeschriebenen John Stones und João Cancelo in der Viererkette auf. Die neue Stabilität in seinem Rücken tut besonders Gündogan gut: Sieben Tore in den letzten zehn Ligaspielen sind der Beleg. Er füllt damit auch die Lücke, die vor dem anstehenden Champions-League-Achtelfinale gegen Borussia Mönchengladbach durch den längeren Ausfall von Spielmacher Kevin De Bruyne entstanden ist.

Inzwischen ist es so, dass Guardiola an seinem neuen Stil Gefallen gefunden hat. Er coacht ja quasi wider dem eigenen Naturell. Mit dem FC Barcelona etablierte Guardiola einst das "Tiki-Taka", die Lehre vom ewigen Ballbesitz. Jetzt orientiert er sich offenbar auch an der altitalienischen Verteidigungskunst des "Catenaccio". Für diesen Hybrid haben die Spanier einen Namen: Takanaccio. Der Stil gefällt auf der Insel längst nicht allen. Jüngst merkte Guardiola dazu an, die Leute würden nach einem 5:0 doch gleich das nächste 5:0 erwarten, aber die Premier League sei nun mal "eine reale Welt und kein Märchen". Es war seine Reaktion auf das Grummeln in England, dass das Publikum die nahezu immer gleichen Spielfilme ertragen müsse. Für Guardiola ist dies momentan nachrangig. Er steht vorne, da darf die große Unterhaltung schon mal auf der Strecke bleiben.

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