Es gibt Ergebnisse im Fußball, die stehen nicht für sich alleine. Immer schwingt auch der Name des Trainers mit, der dieses Ergebnis überhaupt erst erfand. Für das wenig Spektakel versprechende 1:0 bewerben sich gleich mehrere Fußballlehrer aus verschiedenen Generationen. In der Moderne ist Diego Simeone bei Atlético Madrid Vertreter des Minimalismus, wie es zuvor Giovanni Trapattoni war. Und Huub Stevens baute einst einen Großteil seine Reputation auf der Maxime auf: "Die Null muss stehen!"
In der englischen Premier League läuft Southamptons Trainer Ralph Hasenhüttl, einst in der Bundesliga in Ingolstadt und Leipzig erfolgreich, nun Gefahr, für immer mit einer Zahlenkombination in Verbindung gebracht zu werden, die jeden Fußballtrainer schmerzt: einem 0:9. Um an diese tragischen Ziffern gekettet zu werden, bedarf es freilich nicht eines einmaligen Ausrutschers, es muss schon eine Wiederholung geben. Im Fall von Hasenhüttl folgten die Nullneuns in einem Abstand von 15 Monaten aufeinander.
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Der Liverpool-Coach und einer seiner Spieler erleben eine witzige Szene. Tuchel holt seinen ersten Sieg in England. Man City tut sich schwer, Ödegaard debütiert bei Arsenal.
Im Oktober 2019 unterlag Southampton mit diesem niederschmetternden Ergebnis gegen Leicester City. Nun gab es für Hasenhüttls Team das gleiche Ergebnis gegen Meisterschaftsanwärter Manchester United. Abgestumpft ist der Österreicher nach der ersten Klatsche keinesfalls, er versicherte glaubhaft, es tue "mehr weh, nicht weniger".
Dabei gleichen die beiden Ergebnisse sich zumindest in der Entstehung. Nach einem frühen Platzverweis zerbröselte Hasenhüttls Elf jeweils. Gegen Leicester City spielte Southampton ab der zwölften Minute in Unterzahl. Im Old Trafford verabschiedete sich Alexandre Jankewitz nun bereits nach 76 Sekunden nach einem rüden Einsteigen gegen Scott McTominay. "Er hat die Jungs auf dem Feld bestraft", sagte Hasenhüttl: "Sie waren hilflos, nachdem er vom Platz geflogen war." Für den 19-jährigen Jankewitz, der erstmals in der Startelf stand, war es ein bitterer Einstand in die Premier League.
Hasenhüttl: "Das spiegelt nicht wider, was wir diese Saison geleistet haben"
Auch wenn es die Parallele der frühen roten Karte gibt, so ist die Gemengelage in Southampton eine andere als noch im Oktober 2019. Damals spielten die "Saints" gegen den Abstieg, das 0:9 schien die logische Konsequenz der Talfahrt zu sein. Aktuell hat sich Southampton dagegen im Tabellenmittelfeld festgesetzt, unter anderem gelang ein emotionaler Sieg gegen Meister Liverpool im Januar, nach dem Hasenhüttl geweint hatte. Nach der Niederlage gegen Manchester United belegen die "Saints" nun Platz zwölf. "Nichts hat darauf hingedeutet, dass wir so einen Abend erleben würden", sagte Hasenhüttl. "Das spiegelt nicht wider, was wir diese Saison geleistet haben. Es ist schwer zu erklären. Wir müssen damit jetzt schon wieder leben."
Stürmer Danny Ings, Mittelfeldspieler James Ward-Prowse und Verteidiger Jan Bednarek wissen am besten, wie es ist, ein Nullneun verarbeiten zu müssen. Sie standen schon gegen Leicester City in der Startelf. Für Bednarek könnte diese Erfahrung besonders hilfreich sein, denn er lud sich diesmal zusätzlich ein paar eigene tragische Momente auf. Erst traf er zum 0:3 (34.) ins eigene Tor, kurz vor Schluss sah er nach einem Zupfer an Anthony Martial auch noch Rot. Den fälligen Strafstoß verwandelte Bruno Fernandes (87.). Die weiteren Tore für ManUnited schossen Wan-Bissaka (18.), Rashford (25.), Cavani (39.), Martial (69./90.), McTominay (71.) und James (90.+3). Manchester stellte mit dem Kantersieg den Rekord seiner Vorgänger-Mannschaft von 1995 gegen Ipswich Town ein.
Hasenhüttl muss sich nun erneut die Frage stellen, wie seine Mannschaft von so einer Blamage zurückkommen kann. "Was soll ich sagen? Es ist schrecklich", klagte der Trainer, "aber wir sind nach dem ersten 0:9 wieder aufgestanden, und wir müssen das auch jetzt tun." Damals benötigte die Mannschaft zwei Partien, um sich aus der Schockstarre zu befreien. Am Saisonende hatte der Verein aber nicht mit dem Abstiegskampf zu tun. Hasenhüttl kann nur hoffen, dass er seine aktuelle Mannschaft ebenso schnell aufrichten kann, und dass auch andere seiner übrigen 91 Spiele als Southampton-Coach in Erinnerung bleiben werden - und nicht diese beiden vermaledeiten 0:9. Wer will schon als 0:9-Trainer in die Geschichte eingehen?