ManCity-Pleite in der Premier League:Pep Guardiola ringt um Fassung

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Er konnte es nicht glauben: Pep Guardiola verlor mit ManCity 2:5 gegen Leicester. (Foto: Catherine Ivill/Reuters)

Das gab's noch nie: Beim verheerenden 2:5 gegen Leicester erlebt der Coach von Manchester City erstmals in seiner Trainerkarriere fünf Gegentore - auch Guardiola selbst macht Fehler.

Von Sven Haist, London

Dieses Ergebnis hatte Pep Guardiola in seiner Trainerkarriere bislang nicht erlebt. Und deshalb war man geneigt, die fünf Treffer für Leicester City sicherheitshalber einzeln nachzuzählen, um zu garantieren, dass Manchester City wirklich eins, zwei, drei, vier, fünf Gegentore in einem Spiel kassiert hat. Die Reihenfolge: eins kurz vor der Halbzeit, eins kurz nach der Halbzeit, nur vier Minuten später wieder eins und nochmal zwei in der Schlussphase.

Nach dem fünften Gegentreffer wendete sich der sonst zurückhaltende Kevin De Bruyne wütend von seinen Mitspielern ab; am eigenen Strafraum sanken Raheem Sterling und Rodrigo jeweils mit den Händen überm Kopf auf den Rasen - und das bereits im zweiten Saisonspiel des Vizemeisters in der Premier League. An der Seitenlinie rang Guardiola um Fassung. Eine solche Niederlage hätte er sich wohl nicht träumen lassen, nicht in der nationalen Liga, und schon gar nicht im Duell mit Leicester.

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Nach 686 Pflichtspielen als Trainer des FC Barcelona, von Bayern München und nun Manchester City hat Guardiola, 49, am Sonntagabend beim ernüchternden 2:5 gegen Leicester erstmals fünf Gegentreffer hinnehmen müssen. In vier Jahren in Manchester hat sein Team zwar in 16 Partien mindestens drei Tore abgekriegt, in elf Fällen landete der Ball dabei drei Mal innerhalb von 35 Minuten im eigenen Netz. Aber fünf Gegentore in 52 Minuten? Drei davon per Elfmeter?

Dieses Gefühl der eigenen Verwundbarkeit kannten bis hierhin eigentlich nur die Konkurrenten von ManCity. Nach jedem Gegentreffer sah es aus, als geriete immer ein Spieler mehr ins Wackeln - wie bei einem Jenga-Turm, aus dem ein Baustein nach dem anderen gezogen wird, bis er in sich zusammenfällt. Bei City passierte das augenscheinlich, als Jamie Vardy als erstem Spieler überhaupt drei Tore in einem Auswärtsspiel bei einem von Guardiola gecoachten Team gelangen. Schon im Dezember 2016 brachte er dieses Kunststück in einem Heimspiel fertig, was sonst nur die Ausnahmekönner Lionel Messi und Sergio Agüero vorzuweisen haben.

Für seinen Dreierpack, bestehend aus zwei Elfmetern (37./58.) und einem sehenswerten Hackentrick (54.), benötigte Vardy gerade mal 21 Minuten - vermutlich hätte der beste Ligaschütze der Vorsaison sogar noch den von Youri Tielemans verwandelten Strafstoß versenkt (89.), wenn er nicht vorsichtshalber wegen Adduktorenbeschwerden ausgewechselt worden wäre. Mit seinen explosiven Antritten jagte er den City-Abwehrspielern stets einen Schreck ein und zog deren Aufmerksamkeit auf sich, was Mitspieler James Maddison mitunter den nötigen Freiraum verschaffte, um den Ball kunstvoll in den Torwinkel zu setzen (77.).

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Angesichts 72 Prozent Ballbesitz lag die Vermutung nahe, dass sich City im Verlauf des Duells mit Leicester um den Verstand spielte. "Die Niederlage ist sehr schmerzhaft, aber wir müssen neu anfangen", bilanzierte Guardiola: "Wir haben uns selbst zu sehr unter Druck gesetzt, waren ängstlich im Angriff und sind nervös geworden." Im Pressegespräch vermied er jede Art von Schuldzuweisung, ihm selbst war ja auch ein Fauxpas unterlaufen. In der 51. Minute wechselte Guardiola ohne Not seinen defensiven Anker Fernandinho aus - zugunsten eines 17-jährigen Angreifers namens Liam Delap. Mit dieser Maßnahme öffnete er Leicester buchstäblich Tür und Tor. Sofern im Montagabendspiel zwischen dem FC Liverpool und dem FC Arsenal keiner einen Kantersieg landet, bleibt Leicester mit neun Punkten und 12:4 Toren an der Tabellenspitze.

Entgegen der üblich forschen Spielweise verstopfte Leicester mit allen Spielern fast jeden denkbaren Pass- und Laufweg ums eigene Tor herum. Der Plan ging auf: City brachte in Abwesenheit der verletzten Angreifer Agüero und Gabriel Jesus nur fünf Schüsse aufs Tor zustande, die Treffer durch Riyad Mahrez (4.) und Nathan Aké (84.) fielen nach Ecken. Für die Missstände in der Defensive wollte Guardiola die Mauertaktik des Gegners verantwortlich machen, allerdings resultierte keines der Tore aus einem Konter.

Stattdessen durfte Leicester vier Mal fast ungehindert aus dem Mittelfeld einen Pass in die Schnittstellen der Abwehrkette spielen: stets zwischen Außen- und Innenverteidiger, zweimal halblinks, zweimal halbrechts, als wären die City-Spieler bloß als Orientierungshilfen dagestanden. Im Strafraum foulten dann Rechtsverteidiger Kyle Walker, Zentralverteidiger Eric García und Linksverteidiger Benjamin Mendy jeweils ungelenk, einmal traf Vardy nach einer Flanke.

Die gravierende Qualitätslücke in der Hintermannschaft soll mit dem fast 70 Millionen Euro teuren Rúben Dias von Benfica Lissabon geschlossen werden. Den Transfer bestätigte Benfica bereits. Der 23-jährige Portugiese ist somit der vierte Innenverteidiger in vier Jahren, die bisherigen Neuzugänge auf dieser Position brachten jedoch eher nicht die erhofften Verstärkungen ein. Was auch daran liegt, dass City unter Guardiola für seine Verpflichtungen meist einen übertrieben hohen Preis bezahlt, aber anscheinend nicht bereit ist, die eigenen Transferprinzipien über Bord zu werfen: zum einen die Rekordablöse für Kevin De Bruyne in Höhe von 76 Millionen Euro und zum anderen die Altersgrenze, nach der Walker mit 27 Jahren bislang der erfahrenste Neuzugang gewesen ist.

Die Entblößung gegen Leicester hat die bereits vorhandenen Probleme noch sichtbarer zum Vorschein gebracht. Dazu gehören die fehlende Absicherung im Mittelfeld, die mangelnde Durchschlagskraft im Angriff, der Engpass im Kader sowie der hohe Verschleiß an Spielern durch die Anstrengungen der vergangenen Monate. Mit Manchester City, dem Stadtnachbarn United, Chelsea und Wolverhampton straucheln momentan vor allem die Spitzenklubs in England, die für die Finalturniere im Europapokal qualifiziert waren. Auf eine zeitnahe Lücke im Terminkalender zu hoffen, erübrigt sich fast: Am Mittwoch tritt Manchester City beim FC Burnley zum Achtelfinale des Ligapokals an.

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