Pep Guardiola:Das Genie scheitert an der Realität - schon wieder

Pep Guardiola: Kennt bitteres Scheitern so gut wie die größten Erfolge: Pep Guardiola.

Kennt bitteres Scheitern so gut wie die größten Erfolge: Pep Guardiola.

(Foto: AFP)

Pep Guardiola erschuf einst das Besondere und wurde zu einem Trainer, der über den Dingen steht. Nun hat er wieder in der Champions League verloren. Einmal zu oft, um diesen Mythos aufrechtzuerhalten.

Kommentar von Martin Schneider

Es muss irgendwann auf dem Trainingsplatz des FC Bayern gewesen sein, als sich Pep Guardiola und Hermann Gerland zum ersten Mal trafen. Guardiola und Gerland sind auf den ersten Blick zwei sehr unterschiedliche Menschen. Der eine ist ein Schöngeist aus Katalonien, der andere ein Knurrer aus Bochum. Auf den zweiten Blick sind sie sich sehr ähnlich: Beide haben einen besonderen Blick auf den Fußball und Hermann Gerland hat zudem das Talent, die oft verwirrenden Gesetze dieses Sports hart und präzise auf den Punkt zu bringen. Einer seiner schönsten Sätze handelt vom langfristigen Erfolg. Gerland sagt: "Immer Glück ist Können." Pep Guardiola hat in der Champions League gerade immer Pech.

Am Mittwoch ist Guardiola aus der Champions League ausgeschieden - schon wieder. Zum insgesamt siebten Mal hintereinander muss der Trainer den wichtigsten Wettbewerb vor dem Finale verlassen. Einmal mit Barcelona, dreimal mit Bayern, nun zum dritten Mal mit Manchester City. Das jüngste Ausscheiden gegen Tottenham am Mittwoch war dramatisch: Es fielen vier Tore in den ersten elf Minuten und in der Nachspielzeit erkannte der Videoschiedsrichter die paar Zentimeter Abseits von Stürmer Sergio Agüero, sonst wäre Guardiola gerettet gewesen. Aber es war eben auch: ein Ausscheiden.

Die große Frage, die vor allem in Deutschland immer an Pep Guardiola klebt wie seine eng geschnittenen Anzüge, lautet: Ist dieser Trainer wirklich so besonders? Ist das ganze Brimborium um diesen Fußball-Philosophen nicht genau das: Brimborium? Geht die Heiligenverehrung großer Teile der Fußball-Welt nicht zu weit? Schafft es nicht auch ein bodenständiger Schäferhundbesitzer vom Niederrhein, alle Titel der Welt zu gewinnen? Vorbehalte dieser Art gibt es viele. Oft kommen sie aus der tiefen Klischee-Kiste, in der hinterlegt ist, wie ein Fußballtrainer zu sein hat, was er predigen soll und dass er sich gefälligst nicht für Gedichte zu interessieren hat.

Wer Guardiola kritisieren will, der kann die Kiste stehen lassen. Er muss einfach nur sagen: Auf höchstem Niveau hat Guardiola über einen sehr langen Zeitraum keinen Erfolg. Der Mann, von dem viele sagen, er sei ein Genie, ist an der Realität gescheitert. Schon wieder.

Dass Guardiola ein Genie genannt wird, liegt übrigens daran, dass er unbestreitbar Geniales geschaffen hat. Beim FC Barcelona ließ er einen Fußball spielen, den es zuvor nicht gab, der schön war, der erfolgreich war und an dem sich Trainer bis heute orientieren. Guardiola schuf aber auch einen Mythos, oder, wenn man es weniger pathetisch ausdrücken will, einen Maßstab, an dem er bis heute gemessen wird und den er nicht mehr erreicht.

Ein Argument, das quasi nur für den Trainer Guardiola gilt

Guardiolas Champions-League-Niederlagen, seit er Barcelona verlassen hat, in chronologischer Reihenfolge: In seinem ersten Jahr in München verlor er spektakulär mit 0:4 zu Hause gegen Carlo Ancelottis Real Madrid. Er nahm danach alle Schuld auf sich, sprach von einer falschen Taktik, ohne dass jemand genauer nachfragte, was zwei Kopfballtore von Sergio Ramos zum 1:0 und 2:0 eigentlich mit Taktik zu tun haben. Im zweiten Jahr verlor er mit einer ersatzgeschwächten Bayern-Elf 0:3 in Barcelona. Sein Rumpf-Team hielt lange mit, fing sich gegen Ende in 13 Minuten drei Tore. Im dritten Jahr sprang er dank eines Müller-Tores in der Nachspielzeit gegen Juventus Turin dem Pokal-Tod von der Schippe, nur um dann im Halbfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid grotesk überlegen wieder auszuscheiden.

Bei Manchester City verlor er im ersten Jahr gegen die AS Monaco, wobei es da noch hieß, er habe halt nicht die richtige Mannschaft für seinen Fußball, was einerseits stimmte, aber andererseits als Argument quasi nur für den Trainer Guardiola gilt. Im zweiten Jahr scheiterte er mit der richtigen Mannschaft an Jürgen Klopp, was schon erstaunlicher war, weil er mit seiner Taktik fast immer an der Klopp-Taktik scheitert. Und nun das Aus gegen Tottenham, bei dem, wer hinter alle Dramatik guckt, erkennt, dass Guardiola das Hinspiel recht normal 0:1 verloren hat und im Rückspiel eine gegnerische Mannschaft drei Tore schoss - ohne ihren besten Stürmer Harry Kane.

Das ist zu wenig. Schließlich lautet die Erwartung an Pep Guardiola: Siege mit außergewöhnlichem Fußball. Das kann man unverhältnismäßig finden - allerdings hat er auch von allen Fußballtrainern weltweit die besten Voraussetzungen, um sie zu erfüllen. Bei Manchester City darf er sich dank Geld aus den Emiraten quasi seine Wunsch-Mannschaft zusammenkaufen - es gibt Statistiken, wonach kein Trainer in Europa jemals mehr Geld für Spieler ausgegeben hat als Guardiola. Er hat im Klub alle Kompetenzen und alle Freiheiten, seine Mannschaft ist eine Trainer-Mannschaft. Jeder sieht, dass diese Spieler ihm folgen, dass sie seinen Fußball umsetzen, dass sie genauso spielen, wie er es will. Das ist für einen Trainer eigentlich das Paradies.

Es bedeutet aber eben auch, dass es im Falle des Scheiterns keine Ausreden gibt. Und dass man bei der Analyse zuerst beim Trainer landet - beim Genie Pep Guardiola.

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