Bottas und Räikkönen:Gutes Finnisch

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Die Stellvertreter: Valtteri Bottas (l.) bei Mercedes, Kimi Räikkönen (r.) bei Ferrari. (Foto: Will Taylor-Medhurst/Getty Images)
  • Hinter Sebastian Vettel und Lewis Hamilton fahren die beiden Finnen Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen.
  • Bottas trauen viele Experten zu, in der WM-Platzuierung besser abschneiden zu können
  • Aber im Gegensatz zu Vorgänger Nico Rosberg ordnet sich Bottas hinter Hamilton ein.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Etwa zwei Gewitter, so hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff geschätzt, würde man brauchen, um beim Großen Preis von Ungarn einen Silberpfeil auf die Pole-Position zu stellen. Tatsächlich zogen zur Qualifikation im richtigen Moment Regenwolken auf, am Ende landeten in Lewis Hamilton und Valtteri Bottas gar beide Mercedes-Fahrer in der ersten Reihe. Sebastian Vettels schaffte es nur auf den vierten Platz. Hinter seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen.

Beim letzten Formel-1-Lauf vor der Sommerpause hat es Ferrari einmal mehr verpasst, eine Schwäche des großen Gegners auszunutzen, das war die erste Lehre aus dem Qualifying am Samstag. Die zweite war die Bestätigung einer These, die sich schon seit Wochen hält: Im diesjährigen Titelrennen kommt es nicht nur auf die Hauptdarsteller Hamilton und Vettel an, zwischen denen es nach WM-Punkten 188:171 für den Briten steht. Die jeweiligen Stellvertreter Bottas und Räikkönen können das Duell mitentscheiden, in dem sie versuchen, dem Gegner möglichst viele Punkte wegzunehmen - sich der Nummer Eins im eigenen Team am Ende aber unterordnen.

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"Hold Position" lautet in diesen Fällen die Dienstanweisung über Boxenfunk. Das bedeutet Überholverbot, Nichtangriffspakt, Teamorder. Das Taktikspiel auf dem Asphalt ist deshalb erlaubt, weil Motorsport am Ende immer eine Mannschaftsdisziplin ist, kein reiner Einzelsport. Demnach kommen die besten Teamplayer derzeit aus Finnland: Beim Großen Preis von Deutschland am vergangenen Wochenende mussten Räikkönen bei Ferrari und sein Landsmann Valtteri Bottas bei Mercedes zum Ende des Rennens hin die eigenen Ambitionen hinten anstellen. Räikkönens Kollege und Freund Sebastian Vettel war auf besseren Reifen unterwegs, bei Mercedes sah man einfach die besseren Chancen im Titelkampf für Lewis Hamilton.

Da die Finnen für gewöhnlich, wie es dem Klischee entspricht, öffentlich nicht besonders mitteilsam sind, gab es hinterher auch keinen Aufstand, keine bösen Worte. Ein paar enttäuschte Mienen, aber so ist das Profi-Geschäft eben. Die beiden wissen, was sie können, sie gehören zu den Top Five der Königsklasse, aber sie kennen auch ihren Job innerhalb der Rennstallhierarchie. Sie haben getan, was ein Mann tun muss. Wenn er ein zweiter Mann ist.

Raikkönen würde gerne sein 17. Formel-1-Jahr dranhängen

Bottas gibt mit seiner Kompatibilität den besseren Partner von Weltmeister Hamilton ab als Vorgänger Nico Rosberg. Keine Intrigen, kein großer Neid, keine Verunsicherungen. Einfach nur Wettrennen. Da ist es zwar öfters knapp, aber meistens hat Hamilton die Nase vorn, wie am Samstag. Bottas, glauben viele Experten, könnte durchaus die WM anführen oder besser platziert sein als sein derzeitiger vierter Gesamtrang - wenn er etwas weniger technisches und taktisches Pech gehabt hätte. Ein Reifenschaden und zwei Getriebeschäden, aber vor allem war er mehrfach ein Opfer der Safety-Car-Phasen. "Ja, ich könnte führen. Aber so läuft es manchmal eben. Ich will nicht daran denken", sagt er. "Sisu" heißt diese besondere finnische Tugend der Beharrlichkeit, sie macht offenbar auch schwierige persönliche Situationen erträglicher. Bottas sagt: "Doch, doch, ich glaube daran, dass wir weiterhin frei Rennen fahren können, je nach Situation jedenfalls. Und natürlich bin ich hungrig auf Siege!"

Wer ihn kritischer sehen will, sagt, er sei ein netter Junge, aber am Ende nicht abgezockt genug. Aber als Opfer sieht sich der 28-Jährige ohnehin nicht. Gerade ist sein Vertrag beim Weltmeister-Rennstall um zwei Jahre verlängert worden, während sein vormaliger Arbeitgeber Williams vor dem sportlichen und wirtschaftlichen Nichts steht. Der in nur zwei Wochen ausgehandelte neue Kontrakt war für Mercedes-Sportchef Toto Wolff Formsache, nachdem es auch wenig andere vernünftige Optionen für beide Seiten gab.

Ein neuer Vertrag mit Ferrari, so weit ist Kimi Räikkönen noch nicht. Wäre er aber gern. Sebastian Vettel hätte nichts dagegen, dass sie zusammen ins fünfte Jahr bei der Scuderia gehen. Schon früher, als beide in der Schweiz wohnten, haben sie ab und zu Badminton gespielt. Jetzt üben sie den Ballwechsel mit den roten Autos, wobei der Weltmeister von 2007 meist der Zuspieler für den vierfachen Champion aus Heppenheim ist. Zwölfmal hat Vettel in seiner Ferrari-Zeit gewonnen, Räikkönen in dieser Phase keinmal. Mit 38 ist er der Branchensenior, und musste sein Karriereende schon für Ende November anvisieren. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hatte sich immer wieder über die vermeintlich mangelnde Anteilnahme Räikkönens geärgert, und sich den erst 20 Jahre alten Ferrari-Junior Charles Leclerc für 2019 als Vettel-Teamkollegen gewünscht. Doch der Manager erlag Mitte der Woche einem Krebsleiden, jetzt ist bei der Personalpolitik der Scuderia wieder alles offen.

Räikkönen scheint tatsächlich Gefallen daran gefunden zu haben, noch ein 17. Formel-1-Jahr dranzuhängen. Schnell genug ist er, motiviert auch. McLaren ist interessiert, Haas, Sauber und Williams auch. Mit dem neuen Ferrari-Boss Louis C. Camilleri ist er befreundet. Teamchef Maurizio Arrivabene hat wiederholt betont, dass Räikkönens Verbleib allein von seinen Leistungen abhänge. Teamplayer müssen vor allem Mitspieler sein - aber nie Mitläufer.

© SZ vom 29.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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