Griechenlands Kostas Katsouranis:Der treueste aller Götterboten

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Mittelfeldarbeiter Kostas Katsouranis, der Gegnern auf den Geist geht und sie zur Verzweiflung treibt, ist der letzte verbliebene Held des griechischen EM-Gewinns von 2004. Aus seinem Mund muss man es vor dem Spiel gegen Deutschland ernst nehmen, wenn er sagt: "Der Geist von damals lebt in der heutigen Mannschaft fort."

Boris Herrmann

Seit einigen Tagen kursiert schon diese hübsche Geschichte aus dem Lager der griechischen Mannschaft. Sie illustriert ganz gut, wie sehr dieses Team auf seinen eigenen Erfolg vorbereitet war: gar nicht. Griechenlands Nationalspieler Ioannis Maniatis hat seine Hochzeit vor einiger Zeit auf den 1. Juli terminiert. Am 1. Juli findet das EM-Endspiel in Kiew statt.

Jubeln wie vor acht Jahren: Konstantinos Katsouranis bei der EM 2004 in Portugal. Nun bietet sich gegen Deutschland die Chance auf einen weiteren Feiertag. (Foto: dpa)

Es ist ausgiebig gewitzelt worden über diese grundsätzlich unwahrscheinliche, aber theoretisch mögliche Terminkollision. Wenn man allerdings Kostas Katsouranis fragt, Maniatis' Partner im defensiven Mittelfeld, dann ist der Fall längst geklärt: "Ioannis kann leider nicht zu seiner Hochzeit kommen", verkündet Katsouranis mit strengem Blick.

Katsouranis, 32, ist überhaupt ein Mensch, der vorwiegend streng dreinblickt. Und noch strenger spricht. Wenn ihm jemand mit dem griechischen Reizwort "Merkel" kommt, bellt er zurück: "Wir haben eine neue Regierung. Die kann politische Fragen beantworten!" Und wenn er zur Qualität der deutschen Fußballer Stellung nehmen soll, die Griechenlands Gegner im Viertelfinale sind, klingt es so: "Was glauben Sie denn, was wir da machen werden? Glauben Sie, wir werden zuschauen, wie die spielen? Wir werden dagegen halten und kämpfen, so wie wir das immer getan haben."

Auf dem Papier haben die Griechen keine Chance. Mal wieder. Kostas Katsouranis aber hat in diesem Geschäft schon viel zu viel erlebt, um sich freiwillig zu ergeben. Im Gegensatz zu den Löw-Jungs war er schon einmal Europameister. So sieht er das.

Griechenlands Rekordnationalspieler Georgios Karagounis ist im Viertelfinale gesperrt. Und Kostas Chalkias, der Ersatztorhüter von 2004, ist wieder nur Ersatztorhüter. Katsouranis wird am Freitag also der letzte verbliebene EM-Held sein, der sich den Deutschen auf ihrem Weg zum Titeltraum in den Weg stellt. Der Mann von Panathinaikos Athen ist allerdings immer noch eine der unangenehmsten Wegsperren im Weltfußball. Das mussten zuletzt die spielstarken Russen erfahren. Die sind jetzt zu Hause.

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Katsouranis ist der unsichtbare Chef im griechischen Spiel. Aus seinem Mund muss man es ernst nehmen, wenn er sagt: "Der Geist von 2004 lebt in der heutigen Mannschaft fort." Er war und ist darauf spezialisiert, den anderen auf den Geist zu gehen, das Nervensystem des gegnerischen Spiels lahmzulegen. Im Viertelfinale von 2004 gelang ihm das Kunststück, den großen französischen Fußballkünstler Zinédine Zidane verschwinden zu lassen.

Viertelfinale der EM, Und alle reden wieder vom Elfmeterschießen (Video: SID, Foto:dpa)

Im Halbfinale rauschte er nach einer halben Stunde mit dem tschechische Spielmacher Pavel Nedved zusammen, einem der spektakulärsten Fußballer jener Tage. Nedved humpelte wenig später mit glasigen Augen vom Platz. Man darf davon ausgehen, dass er bis heute schlecht träumt von dieser Begegnung. Die Kostas-Paranoia verheilt sehr langsam.

Im Finale erwischte sie Portugals Spielmacher Deco. Auch ihn verfolgte Katsouranis auf Schritt und Tritt, auf Haken und Dreher - bis zur Verzweiflung. Wenn es stimmen sollte, dass Otto Rehhagel ein griechischer Gott war, dann war Katsouranis sein treuester Götterbote.

Sein Anforderungsprofil hat sich auch unter Rehhagels Nachfolger nicht verändert. Katsouranis spielte schon zur Zeit des Euro-Wunders 2004 unter Griechenlands neuem Nationalcoach Fernando Santos bei AEK Athen. Später folgte er seinem portugiesischen Ziehvater zu Benfica Lissabon. Er ist einer der wenigen im griechischen Nationalteam, die Santos' Muttersprache verstehen. Und er versteht es offenbar auch, seine jungen Mitspieler mit scheinbar veralteten Kampfparolen anzustacheln: "Santos und Rehhagel haben unterschiedliche Philosophien", verkündet Katsouranis, "aber wir Spieler sind immer noch Griechen. Wir sind bereit, uns selbst zu opfern."

Der Geist von 2004, der Patriotismus, die Selbstaufopferung in Zeiten scheinbarer Ausweglosigkeit, das ist die Welt, in der sich Katsouranis auskennt. Damals, während der EM, stand sein Arbeitgeber AEK Athen vor dem Konkurs. Heute ist sein Heimatland nahezu pleite. Katsouranis hat wieder nichts zu verlieren. Auf diese Weise hat er schon einmal alles gewonnen.

© SZ vom 22.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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