Gomez und Klose bei der EM:Einer für einen oder einer für alle?

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Mario Gomez war die falsche Wahl gegen Italien. Denn nicht nur das EM-Halbfinale hat gezeigt: Wenn Gomez stürmt, schießt entweder Gomez die Tore oder keiner. Wenn aber Miroslav Klose spielt, ist nicht auszuschließen, dass auch die anderen mal ein Tor machen.

Boris Herrmann

Gomez oder Klose, Mario oder Miro? Diese Frage ist zuletzt häufiger als sogenanntes Luxusproblem von Bundestrainer Joachim Löw beschrieben worden. Tatsächlich handelt es sich hier weder um etwas Luxuriöses noch um etwas Problematisches, sondern um eine Grundsatzentscheidung. Das gesamte Offensivkonstrukt der deutschen Elf hängt von dieser Personalie ab. Im Halbfinale hat sich Löw wieder einmal für die Variante mit Gomez entschieden. Es war die falsche Wahl.

Entweder oder - Mario Gomez ersetzt Miroslav Klose im Viertelfinale der DFB-Elf gegen Griechenland. (Foto: Getty Images)

Gomez ist an guten Tagen ein sehr guter Stürmer. Klose ebenfalls. Klose kann mit seinem Spiel aber auch die anderen besser machen. Gomez kann das nicht. Klose macht sich als Zuträger verdient, Gomez ist auf Zuträger angewiesen. Klose öffnet Räume, Gomez nutzt Räume. Manchmal jedenfalls. In den Vorrundenspielen gegen Portugal und die Niederlande war das so. Im Portugal-Spiel erzielte Mario Gomez einen enorm wichtigen Kopfballtreffer gegen das vielleicht beste Innenverteidiger-Duo der EM (Pepe und Bruno Alves). Tore sind seine Legitimation. Tore sind nicht die schlechteste Währung im Fußball.

Die entscheidende Frage ist jedoch, was mit dem deutschen Spiel passiert, wenn Gomez seine Räume mal nicht nutzt. Oder wenn er erst gar keine Räume findet. Dann stottert die gesamte Angriffsmaschine. In der ersten Halbzeit im Halbfinale war das gut zu beobachten. Die Zuträger des deutschen Marios werkelten vergeblich. Stattdessen erzielte der italienische Mario die Tore.

Löws Elf hatte ihre beste Phase zwischen dem Moment, als Klose ins Spiel kam (46.), und dem Moment, als die Grundordnung aufgelöst wurde (Auswechslung Boateng, 71.). Klose versuchte (im Gegensatz zu Gomez) immer wieder, die italienischen Innenverteidiger aus ihrem Revier herauszuziehen. So kam das deutsche Kombinationsspiel ins Rollen.

Löw beraubte sich des Griechenland-Momentums

Wie dieses Halbfinale verlaufen wäre, wenn Klose von Anfang an mitgemacht hätte, ist spekulativ. Gleichzeitig ist das eine der spannendsten Fragen, die von diesem Abend in Warschau aus deutscher Sicht übrig bleiben.

Gegen Griechenland hat die DFB-Elf (mit Klose) so gespielt, wie zwischen der 46. und 71. Minute gegen Italien. Es muss kein Zufall sein, dass es im Viertelfinale vier verschiedene deutsche Torschützen gab. Mit der Umstellung in der Sturmspitze hat sich Löw freiwillig dieses Griechenland-Momentums beraubt.

Vorne rackerte wieder einer für einen, anstatt einer für alle. Der deutsche Turnier-Auftritt hat somit exemplarisch einen Verdacht erhärtet, der sich in der zurückliegenden Saison beim FC Bayern andeutete: Wenn Gomez spielt, schießt entweder Gomez die Tore. Oder keiner. Wenn Klose spielt, dann kann es sein, dass Klose trifft. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass die anderen mal ein Tor machen.

© SZ vom 30.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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