Golf:Er wird schon mit Tiger Woods verglichen

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"Morgens kneife ich mich immer noch, wenn ich aufwache und ... merke, dass ich das beruflich mache": Ludvig Åberg, erfolgreicher Profigolfer. (Foto: Alex Slitz/Getty Images via AFP)

Der Schwede Ludvig Åberg, 24, stürmt in die Golf-Elite wie seit Jahren kein Profi - dabei war er noch kürzlich auf dem College. Die Konkurrenz bewundert und fürchtet ihn zugleich.

Von Gerald Kleffmann

Eiscreme ist schuld. Das steht für Ludvig Åberg, 24, fest. Er, der sanftmütige Riese, 1,90 Meter groß und athletisch wie ein Leichtathlet, hat diese Geschichte oft erzählt. Die Golfwelt kannte ihn ja schlicht noch wenig. Sie sah nur: Da rauscht ein Schwede aus der Kleinstadt Eslöv heran, spielt wie von künstlicher Intelligenz entworfen technisch nahezu perfekt, schließt seine Zeit am College als Bester ab, wird Profi, spielt seit Juni 14 Turniere, in Europa, in den USA, gewinnt sofort zweimal, zählt im Herbst zur siegreichen europäischen Ryder-Cup-Mannschaft in Rom und wird ob dieses Weges schon mit Tiger Woods verglichen.

Und all das, wer weiß, wäre vielleicht nicht eingetreten, hätte Johan Åberg seinem Junior nicht eine Belohnung versprochen. "Mein Vater und ich gingen raus und spielten Golf in meinem Heimatclub", das schilderte Ludvig Åberg etwa im Lubbock Avalanche-Journal in Texas, wo er noch im Frühjahr am College weilte, "das gefiel mir anfangs nicht wirklich. Also bestach er mich immer und sagte mir, wenn ich noch eine Stunde bliebe, würde ich ein Eis oder so bekommen."

Und so wurde aus Ludvig Åberg ein Golfer.

Am vergangenen Sonntag setzte Åberg seinen Siegeszug fort, er gewann sein erstes Turnier auf der PGA Tour. Auf der europäischen Tour, die den kryptischen Namen DP World Tour trägt, triumphierte er Anfang September, in Crans-Montana in der Schweiz. Nun stemmte er auf St. Simons Island in Georgia an der Ostküste den Pokal, erstmals auf der US-Tour. Sein Wikipedia-Eintrag besteht im Grunde ohnehin nur aus Rekorden und Ehrungen, seit seiner Jugend. Jetzt geht das als Profi so weiter.

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Nur ein Profi brauchte, wie Åberg auf St. Simons Island, ebenfalls nur insgesamt 253 Schläge für den Sieg über vier Runden, Justin Thomas 2017. Am Samstag und Sonntag absolvierte Åberg seine Runden mit je 61 Schlägen - so wenige wie keiner zuvor an einem Wochenende. "Es hat so viel Spaß gemacht", sagte Åberg in seiner höflichen Art. "Morgens kneife ich mich immer noch, wenn ich aufwache und ... merke, dass ich das beruflich mache."

Auch er staunt über sich, doch er ist keineswegs überrumpelt. Fußballer hätte Åberg auch werden können, als Junge kickte er gut. Aber als er 13 Jahre alt war und sein Talent durchschimmerte, entschied er sich, nur den Golfsport zu verfolgen. Seitdem erlebt er eine steile Erfolgsgeschichte ohne Brüche. Manche küsst das Schicksal.

Ein lukratives Angebot der LIV-Tour schlägt Åberg aus

Mit 15 wechselte Åberg auf ein Gymnasium in Helsingborg, wo Sporttalente gefördert werden. Obwohl Schweden nicht gewann, ragte Åberg 2017 bei der Team-EM der Jungen als Einzelspieler heraus. 2018 debütierte er auf der European Tour der Profis, als Amateur wurde er mal eben 34. bei der Nordea Masters nahe Göteborg- doch Profi wurde er nicht. Åberg, umsichtig von seinem Vater dirigiert, machte etwas Vernünftiges: Trotz seiner sportlichen Höhenflüge nahm er sich Zeit für seine Entwicklung und wechselte an die Texas Tech University in Lubbock. Hauptsächlich, um unter harten Konkurrenzbedingungen sein Golfspiel zu stärken. Natürlich erhielt er ein Stipendium. 2022 und 2023 wurde ihm der Ben Hogan Award als bester College-Spieler überreicht; 29 Wochen lang war er zudem die Nummer eins der Amateur-Weltrangliste. Nur der heutige Weltranglisten-Dritte Jon Rahm aus Spanien hatte die Auszeichnung auch zweimal verliehen bekommen.

Selbst für ihn ein besonderer Pokal: Ludvig Åberg ist nun seit Sonntag auch ein Gewinner auf der US-Tour. (Foto: Alex Slitz/Getty Images via AFP)

Ein Angebot über 2,5 Millionen Dollar, das ihm die saudi-arabische Profiserie LIV Golf gezahlt hätte, schlug Åberg 2022 aus. Als er dann im vergangenen Juni Profi wurde, hielt er sogleich mit den gestandenen Kollegen mit; als bester College-Mann erhielt er die Tourkarte. Er wird seitdem mit Lob und Respekt überschüttet. "Er war sehr geduldig. Er wollte gut vorbereitet sein, als er aus der Amateurkarriere kam. Ich denke, das hat er bewiesen", sagte der frühere schwedische Spitzenspieler Peter Hanson. "Er hat die Fähigkeit, einen Golfplatz zu übernehmen", so zitiert die PGA Tour Åbergs College-Trainer Greg Sands. "Er sieht einfach roboterhaft aus, und das meine ich im guten Sinne", schwärmte Stewart Cink, Vizekapitän der USA beim diesjährigen Ryder Cup: "Er verfügt offensichtlich über ein starkes Selbstvertrauen und eine entsprechende Standhaftigkeit. Das ist es, was manchmal denen fehlt, die nicht großartig werden."

Dank Åberg kann man nun gar von einer nordischen Welle reden. Viktor Hovland, 26, und Nicolai Højgaard, 22, sorgen ja ebenfalls für Furore; der Norweger gewann jüngst den Saisonabschluss der PGA Tour, der Däne das Saisonfinale der DP World Tour in Dubai.

Åberg hat keinen X-Account, auf Instagram hat er bis jetzt nur 65 Fotos veröffentlicht

Åberg selbst, schon 32. der Weltrangliste, geht entspannt mit den Hymnen um, "es war cool, es hat viel Spaß gemacht", so unaufgeregt bewertete er seine vergangenen Monate. Wie die PGA in einem Artikel schilderte, ist Åberg offenbar jemand, dem Selbstdarstellung und permanentes Sendungsbewusstsein fremd sind. Er besitzt keinen X-Account, bei Instagram hat er 65 Fotos veröffentlicht. Schrieb ihn früher der Trainer Sands per SMS an und es war nicht wichtig, antwortete er erst Stunden später. Selbstbeobachtungen auf dem Platz schrieb Åberg auf Schwedisch und auf Englisch auf, damit sie Sands lesen konnte. "Åberg ist im modernen Stil gebaut, hat aber eine alte Seele", heißt es in dem Artikel auch, der natürlich bemüht ist, ein positives Bild von Åberg zu zeichnen. Aber der Satz ist keine PR, er ist wahr.

Luke Donald, Ryder-Cup-Kapitän im September in Rom gewesen, betrachtet Åberg als "Generationentalent" und sieht Parallelen zum Nordiren Rory McIlroy, 34, der auch früh aufstieg, die Bälle weit und präzise schlug, furchtlos agierte. "Es gibt keine Welt, in der wir Ludvig Åberg konstant schlagen könnten", zitiert die PGA anonym einen Spieler. Ein anderer gab zu, nicht viel über Åberg zu wissen, doch als er ihn spielen sah, dachte er, er sehe den "nächsten f...ing Tiger Woods". Mehr Lob geht nicht.

"Ich versuche niemanden zu kopieren. Ich versuche nicht, irgendjemandem nachzueifern", stellte Åberg klar: "Ich versuche einfach, mich selbst zu spielen und darauf zu vertrauen, dass es gut genug ist." Dass er 2024 so richtig loslegt, auch bei den Majors, davon ist auszugehen. Åberg hat mächtig Spaß am Siegen in der Profiwelt gefunden. "Ich liebe es einfach absolut", sagte er: "Du willst es einfach immer und immer wieder tun."

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